23 tote in norwegen nach corona impfung

Alte Menschen in Norwegen seien an der Corona-Impfung gestorben - diese Meldung schreckte in den vergangenen Tagen auf. Ist die Impfung doch weniger verträglich als gedacht?

Rund 25.000 Menschen wurden in Norwegen bis zu dieser Meldung mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer/BioNTech geimpft. Die norwegische Arzneimittelbehörde hält in ihrem Bericht vom 14. Jänner dieses Jahres fest, dass 23 Patienten nach ihrer Impfung starben.

Alle Berichte über Todesfälle nach der Impfung werden sorgfältig auf die Ursache hin geprüft. Die Gesundheitsbehörde stufe die Zahl der Vorfälle bislang als „nicht alarmierend“ und „im Rahmen der Erwartungen“ ein, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

Es gebe Hinweise darauf, dass an und für sich nicht problematische Nebenwirkungen wie Fieber und Übelkeit bei einigen gebrechlichen Patienten zum Tod geführt haben könnten, sagte der Chefarzt der norwegischen Arzneimittelbehörde. Bei sehr alten und sehr kranken Menschen wird Ärzten daher zu besonderer Vorsicht geraten.

In der aktuellen Impfempfehlung an die Ärzte heißt es laut der deutschen Tageszeitung "taz": „Für die überwiegende Mehrheit der älteren Menschen, die mit Gebrechlichkeit leben, werden alle Nebenwirkungen des Impfstoffs durch ein geringeres Risiko einer schweren Erkrankung an Covid-19 mehr als ausgeglichen. Für diejenigen mit der schwersten Gebrechlichkeit können jedoch selbst relativ milde Nebenwirkungen des Impfstoffs schwerwiegende Folgen haben. Für diejenigen, die eine sehr kurze Restlebensdauer haben, kann der Nutzen des Impfstoffs marginal oder irrelevant sein. Daher wird für sehr gebrechliche Patienten und unheilbar kranke Patienten ein sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Nachteil der Impfung empfohlen.“

Eine Meldung aus Norwegen sorgte in der vergangenen Woche für Aufregung in den BR24-Kommentarspalten und in sozialen Netzwerken: 23 Menschen sind laut einem Bericht der Norwegischen Arzneimittelbehörde vom 14. Januar gestorben, nachdem sie den Impfstoff von Biontec und Pfizer bekommen haben. Mittlerweile ist die Zahl noch gestiegen.

Medienberichte, die die Zahlen aus dem Zusammenhang rissen und behaupten, die Menschen seien direkt durch die Impfung gestorben, wurden laut dem norwegischen Rechercheportal "Faktisk.no" in sozialen Medien mehr als hunderttausend Mal geteilt und kommentiert. Viele User bezeichneten die Verstorbenen als „Impftote“ und spekulierten, dass Norwegen nun die Impfung gegen Covid-19 verbieten würde. Das stimmt so jedoch nicht.

Zusammenhang von Todesfällen zur Impfung nicht nachgewiesen

Aus dem Bericht über Tote in Norwegen nach der Covid-19-Impfung wurden Schlüsse gezogen, die so wissenschaftlich derzeit nicht belegt sind

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Tatsächlich sind in Norwegen Menschen gestorben, nachdem sie gegen Covid-19 geimpft wurden. Laut dem norwegischen Institut für öffentliche Gesundheit wurden bis zum 18.01.2021 in Norwegen 48.680 Menschen geimpft. Nach den aktuellen Zahlen der norwegischen Arzneimittelbehörde ist die Zahl der Verstorbenen inzwischen gestiegen: Bis zum 17. Januar sind 33 Senioren im Alter von über 75 Jahren in den Tagen nach einer Impfung verstorben.

13 der Todesfälle wurden bereits genauer untersucht. Eine englische Fassung des Berichts ist hier abrufbar. Die Verstorbenen waren laut Behörden über 80, teils über 90 Jahre alt, und schwerst vorerkrankt und gebrechlich. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass übliche Nebenwirkungen der Impfung bei den meist schwerkranken, älteren Personen zu schwerwiegenden Reaktionen geführt haben könnten. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Tod und Impfung wurde aber bisher nicht nachgewiesen.

Ein Sprecher der Arzneimittelbehörde sagte dem #Faktenfuchs:

"Wenn ein Vorfall gemeldet wird, bedeutet das nicht unbedingt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Vorfall und der Impfung gibt."

Dass es sich bei den 33 Verstorbenen um "Impftote" handelt, ist also wissenschaftlich derzeit nicht belegt; sie so zu bezeichnen, ist deswegen irreführend. Weitere Ergebnisse der Untersuchungen werden am kommenden Donnerstag, 21.01.2021, ab 12 Uhr hier veröffentlicht.

Verschlechterung des Gesundheitszustandes "nicht auszuschließen"

Trotzdem könnten Impfreaktionen, die in der Regel eher mild ausfallen, einen älteren Menschen in eine ernste Lage bringen, sagt Sigurd Hortemo, Chefarzt der Arzneimittelbehörde. Es sei nicht auszuschließen, dass die Nebenwirkungen der Impfungen bei bereits schwer erkrankten Patienten zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen können.

Bei den Zulassungsstudien für den Impfstoff von Biontech und Pfizer wurden sehr gebrechliche Patienten mit akuter Erkrankung nicht eingeschlossen – und auch nur wenige Menschen über 85.

Keine Änderung der Impfstrategie

Die Behauptungen, dass Norwegen die Impfung aussetzen oder verbieten würde, stimmen nicht.

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Ausgehend von den Todesfällen verbreiteten sich im Netz Gerüchte, Norwegen würde die Impfungen verbieten oder aussetzen. Dem widersprechen die Behörden. Die berichteten Todesfälle in Altenheimen hätten “keinen Einfluss auf die norwegische Impfstrategie“, sagt der medizinische Direktor der Norwegischen Arzneimittelbehörde, Steinar Madsen. Dazu, dass eine Impfung möglicherweise bei Älteren Vorerkrankungen verschärfen könnte, sagt er:

"Wir sind nicht alarmiert oder besorgt darüber, weil die Vorfälle sehr selten sind und sie bei sehr gebrechlichen Patienten mit sehr ernsten Krankheiten aufgetreten sind."

Laut Behörde liegt die Sterberate aller Geimpften bisher bei weniger als 0,1 Prozent. Die allgemeine Sterberate lag in Norwegen laut Weltbank 2018 bei knapp 0,8. Auch im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Todesfälle seien die Todesfälle nach einer Covid-19-Impfung "nicht viele", so Hortemo. Generell liege die Sterberate in norwegischen Altenheimen im Schnitt bei 300 bis 400 pro Woche.

Die Behörde sei weiterhin der festen Überzeugung, dass es keinen Grund für eine generelle Warnung vor der Impfung gebe. Die Impfungen werden laut dem Institut für öffentliche Gesundheit fortgesetzt. Dass Norwegen Impfungen stoppen oder sogar verbieten würde, stimmt also nicht.

Ärzte werden aufgerufen, Risiken abzuwägen

Allerdings hat das Institut für öffentliche Gesundheit in Norwegen mittlerweile die Impfanweisungen geändert: Ärzte sollen im Einzelfall entscheiden, ob sie besonders gebrechliche Menschen impfen. Für die meisten älteren Menschen seien die Nebenwirkungen der Impfung "mehr als aufgewogen" dadurch, dass sie nicht schwer an Covid-19 erkranken, so die Behörde. Aber:

"Für diejenigen mit einer sehr kurzen Lebenserwartung können die Vorteile einer Impfung marginal oder irrelevant sein. Deshalb sollte bei extrem gebrechlichen und unheilbar kranken Patienten sorgfältig zwischen Vorteilen und Nachteilen der Impfung abgewogen werden."

Ein Sprecher der norwegischen Arzneimittelbehörde ergänzte dazu in einer Mail an den #Faktenfuchs, Ärzte sollten bei sehr kranken Menschen extra bewerten, ob ihre Vorerkrankung durch die Impfung verschärft werden könnte:

"Diese Bewertung beinhaltet, die Risiken und Vorteile einer Impfung mit dem Patienten und deren Familien zu besprechen und abzuwägen, ob eine Impfung die beste Vorgehensweise ist."

Fazit

In Norwegen sind bisher 33 ältere, schwer vorerkrankte Menschen gestorben, nachdem sie gegen Covid-19 geimpft wurden. Ein Zusammenhang zwischen Tod und Impfung ist aber bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Bisher wurden 13 Fälle näher untersucht.

Impfungen in Norwegen wurden weder ausgesetzt noch verboten. Allerdings hat die zuständige Behörde ihre Leitlinien zum Impfen aktualisiert: Künftig sollen Ärzte bei besonders gebrechlichen oder unheilbar kranken Menschen die Risiken und Vorteile einer Impfung abwägen.

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