Aod gleich krebs

Quo vadis Autobranche? Eindrücke vom Genfer Autosalon

Quo vadis Autobranche? Eindrücke vom Genfer Autosalon
Die Automobilindustrie befindet sich derzeit in einer Phase der extremen Umbrüche. Derzeit sind zahlreiche Trends und Entwicklungen zu beobachten, die die Branche in den nächsten Jahren vermutlich nachhaltig verändern werden. Wo aber geht die Reise hin? Wir haben für Sie ein paar Impressionen von zwei Besuchern des jüngsten Genfer Autosalons eingefangen, um ein Bild der aktuellen Stimmung der Branche zu zeichnen. Unsere erklärten Autofans Beat Krebs, CEO von Publicis Media und Andreas Humbel, Human Experience Strategist bei Starcom berichten von ihren Eindrücken. Das Interview führte Andreas Weiss.


Beat Krebs (links) und Andreas Humbel (rechts)

Publicis Media News: Wenn man den Genfer Autosalon 2018 mit den Veranstaltungen der letzten Jahre vergleicht: lässt sich da ein Wandel erkennen? Falls ja: was hat sich verändert?

Beat Krebs: Für mich war es erstaunlich, dass das erste Mal grosse Hersteller gefehlt haben, z.B. Opel. Ausserdem ist mir aufgefallen, dass von fast jedem Hersteller ein Elektroauto oder ein anderes umweltfreundliches Modell da war, aber dass es auf der anderen Seite natürlich auch wie immer die „Hingucker“ gab - die PS-starken Modelle. Ein klarer Trend geht sicherlich Richtung Connectivity. Von selbstfahrenden Autos sind wir noch weit entfernt, aber die Assistenzsysteme werden sich wohl über die nächsten Jahre stark verbessern, bis autonomes Fahren teilweise oder sogar vollständig möglich sein wird.

Andreas Humbel: Der Genfer Autosalon war früher an den Pressetagen noch stärker der Treffpunkt der automotiven Führungscrews mit den Journalisten. Ein internationaler Journalist erinnerte sich anlässlich der Absenz von Opel insbesondere an letztes Jahr, als der Verkauf an PSA angekündigt wurde: „… you were at the crossroads of the industry … for one last time, the Opel stand was the place to be”.

Insofern als hier Strategien kommuniziert wurden und die Zukunft Gestalt annahm, war Genf früher wohl bedeutender. Im Vergleich mit anderen Automobil-Events konnte ich leider keinerlei Ansätze erkennen, Mobilität zu thematisieren, weder als technologisches System, gesellschaftspolitische Vision noch als „Pop Culture“. Was gezeigt wurde, egal mit welchem Antrieb, war immer für den Menschen am Steuer gedacht. So beschleicht einen das Gefühl, dass man für die Zukunft der Mobilität eher an eine Technologiemesse gehen sollte.

Publicis Media News: Wie blickt die Automobilbranche derzeit in die Zukunft? Ist die Perspektive eher zuversichtlich oder eher düster? Wie ist die Stimmung?

Andreas Humbel: Mir scheint, dass die Automobilbranche noch nie derart unter Druck war, wie es sich an diesem Autosalon manifestierte. Alle Hersteller finden sich in mehr oder weniger starkem Ausmass „between a rock and a hard place“ wie man im Englischen sagt. Dies wird besonders offensichtlich, wenn man sich vorstellt, wie die deutlich erhöhte Innovationsrate die Kostenstruktur der Fahrzeuge verändert.

Die Industrie-Zulieferer müssen ihre Kompetenzen in einem immer schnelleren Tempo ausbauen. Industriefremde Zulieferer können aufgrund ihrer Technologien Baugruppen grundlegend verändern und Wertschöpfungsstrukturen komplett auf den Kopf stellen. Softwareentwicklung könnte zukünftige Fahrzeuge erheblich teurer werden lassen. Da erstaunt es nicht, dass auf der anderen Seite der Konsument derart verunsichert ist, auf welche Technologien er denn bei der nächsten Autoinvestition setzten sollte.

Beat Krebs: Die Stimmung ist aus meiner Perspektive nicht so negativ. Es gibt aus meiner Sicht eine Aufbruchsstimmung, auch wenn im Moment noch nicht ganz klar ist, wohin die Entwicklung geht. Der Konsument hat da sicherlich noch ein Wort mitzureden, aber auch die Gesetzgeber: werden die Dieselverbote kommen oder nicht? Auch wenn sie kommen, bedeutet dies nicht unbedingt nur Schlechtes, denn Diesel-Fahrzeuge ab einer bestimmten Norm werden wohl weiterhin zugelassen bleiben. Was könnten die Mobilitätskonzepte in der Zukunft sein? Ist Besitz überhaupt noch nötig? Ein Auto steht pro Tag mindestens 80% der Zeit irgendwo herum; wenn wir die Flottennutzung effizienter machen könnten, hätten wir z.B. auch keine Parkplatz-Probleme mehr. Da wird es wohl in Zukunft Modelle geben, bei welchen ich die Mobilität kaufe, aber nicht mehr den Besitz eines bestimmten Fahrzeugs.

Publicis Media News: Was waren die interessantesten Innovationen auf dem Autosalon bzw. was war generell am auffälligsten?

Beat Krebs: Wie bereits seit Jahren zu verfolgen, ist der Trend zur Umweltfreundlichkeit sicherlich da. Was dabei aber nicht zu erkennen ist: sind es die gesetzlichen Bestimmungen, welche die Hersteller dazu zwingen? Waren es Hersteller wie Tesla, welche einen Überraschungserfolg landen konnten? Oder kommt die Innovation aus eigenem Antrieb? Als Besucher des Salons wird man diese Frage wohl nicht beantworten können.

Andreas Humbel: Für mich gab es vier spannende Dinge. Es gab interessante Innovationen bei den Dienstleistungen bzw. Programmen. Jeden Monat ein anderes Fahrzeug zu einem Fixpreis fahren zu können (z.B. MercedesMe Flexberience), finde ich beeindruckend mutig, nicht nur bezüglich der Idee, sondern auch bezüglich der notwendigen logistischen Rahmenbedingungen. Bei den Produkten war meine liebste Innovation der Hyundai Kona Electric, für mich das erste und einzige ernstzunehmende, weil fast sofort verfügbare, Elektroauto mit einer Reichweite von 470 km. Vielleicht freut mich ja auch einfach die Tatsache, dass Hyundai den Amerikanern bei Tesla mit ihrer Chimäre Model 3 einen kräftigen Tritt verpasst. Bezüglich „Human Experience“ war am auffälligsten, dass nur Audi es mit dem “Cinéma du future” gewagt hat, qualitativ wunderbares Storytelling ernsthaft und von langer Hand vorbereitet zu realisieren und dies auch szenographisch auf dem Stand umzusetzen. Das war früher eine sehr starke Strategie und ist es meiner Meinung nach heute noch - nur war es nie einfach oder günstig.

Aus Marketingsicht waren die Stilblüten bei der Markenführung am auffälligsten. Seat verwirrt Journalisten und Kunden mit der Marke Cupra (Hochleistung aber auch E-Racer) als eigenständige Firma. Volvo ist mehrdeutig mit Polestar am Start: Soll es eine Luxusmarke wie Lexus bei Toyota sein, „High-Performance” wie Cupra, „nur“ die elektrifizierte Linie wie Lagonda oder gar die Innovationsplattform, um funktionierende Systeme in Volvo-Modellen zu „demokratisieren“? Und Toyota wird erst zeigen müssen, wie sich die Strahlkraft des grossartigen Supra für die gesamte Linie nutzen lässt.

Publicis Media News: Der Dieselantrieb ist derzeit sehr stark in der Diskussion. Hat der Diesel noch eine Zukunft oder ist dieser Antrieb jetzt ein Auslaufmodell? Was sagen die Hersteller auf dem Autosalon dazu?

Beat Krebs: Die Hersteller geben sich dazu eher bedeckt. Die Diskussionen gelten ja grundsätzlich nur für ältere Fahrzeuge, da Fahrzeuge, welche eine bestimmte Norm erfüllen, ja weiterhin zugelassen wären. Die Verunsicherung ist aber gross. In der Schweiz wurden im letzten Jahr fast 10% weniger Dieselfahrzeuge verkauft. Hier geht es aber nur um die Wahrnehmungen der Kunden und um die Angst, dass sich der Wiederverkaufswert eventuell verringern könnte. Der Dieselantrieb wäre an und für sich der effizientere Motor als ein Benziner. Wenn man das Problem mit den Abgasen und dem Feinstaub in den Griff kriegen würde - das ist bereits realistisch und keine Zukunftsmusik - kann sich der Diesel auch wieder erholen. Hier sind jetzt die Hersteller gefragt, den Wirkungsgrad des Diesels mit saubereren Abgaswerten zu kombinieren und auf den Markt zu bringen. Es wird auch einen neuen Fahrzyklus geben, um den Verbrauch und die Abgase zu bestimmen. Ich bin mal gespannt, wie dann die Benziner abschneiden, da diese ja auch bis anhin unter Laborbedingungen getestet wurden.

Andreas Humbel: Toyota kann sich den Ausstieg aus dem Diesel noch am ehesten leisten, da deren Flottenverbrauch durch den breiten Einsatz der Hybridtechnologie tiefer ausfällt. Andere Hersteller wie Ford sehen ein Nischendasein für den Diesel voraus. Progressiv geht Mercedes an das Thema heran. Die Investition von drei Milliarden Euro ist besonders spannend, weil die Konfiguration „Diesel-Plug-in-Hybrid“ auf C-Klasse-Niveau spezielle und reizvolle Möglichkeiten bietet. Peugeot hat sich für Deutschland zu einer „Diesel-sorglos-Garantie“ entschieden, die im Falle eines Verbots von SUVs für Innenstädte einen „ablösefreien Umtausch“ anbietet. Falls aber die „Renaissance des Diesels“ (VW CEO Matthias Mueller) auch zu einer Offensive für AdBlue (Harnstoff) führt, könnten die Konsumenten die Dummen sein, da es derzeit für AdBlue noch keine etablierte Vertriebs-Infrastruktur gibt.

Publicis Media News: Auf welche Aspekte sollte sich die Automobilindustrie in der Kommunikation in den nächsten Jahren am stärksten konzentrieren? Welche Empfehlung kann man da geben?

Andreas Humbel: Jeder Hersteller ruft nach Infrastruktur für seine neuesten Produkte und überschwemmt die Kunden mit Funktionalitäten, die eine echte individuelle Mobilität zur Farce verkommen lassen und für die diese auch noch viel Geld hergeben müssen. Kurz- und mittelfristig geht es um eine Verdichtung der Marken- und Modell-Welt(en). Wir werden immer besser darin, die Kunden mit relevanten „Häppchen“ im richtigen Moment, im richtigen Umfeld und zum richtigen Thema zu erreichen. Gewinnen wird, wer hingegen eine inhaltliche und vielleicht erzählerische „Nachhaltigkeit“ liefert, um Kunden langfristig zu binden. Solange dies keiner kann, muss der Kunde diesen Mangel als Teil der „Cost of Ownership“ abbuchen - und wird nach dem Kaufentscheid alleine gelassen.

Langfristig müssen das Automobil selbst und dessen Nutzung neu definiert werden: Was soll man in einem autonom fahrenden Kasten tun? Wie kann sich dies immer noch als individuelle Mobilität anfühlen? Kann ich nicht gleich virtuell den Ort wechseln, ohne dass ich noch in mein persönliches ÖV steige? Der moderne Autokäufer hätte es verdient, dass Vorschläge für die zukünftige Mobilität vorgelegt werden, die den „Buy-In“ komplexer junger Generationen verdienen. Um ein Automobil wirklich zu wollen, brauchen Konsumenten eine Wertewelt, in die sie mit dem Kaufentscheid investieren und die sie mitgestalten. Es kommt vielleicht überraschend, aber der junge Mensch im Apple-Store auf dessen Shirt „Genius” steht, ist nicht wirklich ein „Genius“! Es ist aber genial, wie Sie/Er sich den Anliegen der Kunden annimmt und diese zufrieden wieder nach Hause entlässt. Wenn die Autohersteller eine solche Qualität nicht mit ihren Modellen verbinden, werden Unterhaltungs-, Produktivitäts- und Lifestyle-Brands ihnen diese Aufgabe gerne abnehmen und die entstehende Lücke füllen. Dann wird das Fahrzeug zur sinnentleerten Hülle verkommen.

Beat Krebs: Die Automobilindustrie muss sich, wie viele andere auch auf grosse Veränderungen einstellen. Es gibt sehr viele Trends (selbstfahrende Autos, Elektroautos, generelle Mobilitätskonzepte), welche von den Herstellern Aufmerksamkeit fordern. Es ist eine sehr grosse Herausforderung, diese Trends einzustufen und zu priorisieren. Experten gehen davon aus, dass es noch 20 – 30 Jahre gehen wird, bis wir uns voll autonom chauffieren lassen können. Die Elektromobilität steht in den Startlöchern, um den Durchbruch zu schaffen. Da waren auch in Genf einige sehr vielversprechende Modelle zu sehen, welche bereits bestellbar sind oder es in Kürze sein werden. Parallel dazu müssen aber neue Konzepte entwickelt werden: wie kann die ganze Autoflotte besser genutzt werden? Lohnt es sich, mit einem Van jeden Tag zur Arbeit zu fahren, nur weil ich einen für den Urlaub brauche? Muss ich im Sommer mit einem 4x4 rumfahren, nur damit ich unbesorgt im Winter in den Skiurlaub fahren kann? Dies alles zu priorisieren und die richtigen Antworten darauf zu finden, wird die grosse Herausforderung der Hersteller in den kommenden Jahren sein.

Monatliche TV-Marktanteils-Analyse Februar - Kommentiert von Andreas Weiss

Der Februar war mit den Olympischen Winterspielen von Pyeongchang von einem sportlichen Grossereignis dominiert. Dementsprechend profitierte auch der Hauptsportsender in der Deutschschweiz SRF zwei am stärksten von den resultierenden Marktanteilsverschiebungen (plus 15 Indexpunkte gegenüber dem Vormonat), während SRF 1 etwas verlor. Für die meisten anderen Nicht-Sport-Sender waren die Olympischen Spiele jedoch kein Quotenkiller. Von den grösseren Privatsendern legten ProSieben, Vox, SAT.1 und RTL II gegenüber dem Januar sogar etwas zu – nur RTL verlor leicht, aber im Februar fehlte RTL auch ein Quotenhit wie das Dschungelcamp. SRF info, Puls 8 und Super RTL hatten ebenfalls einen etwas schwächeren Februar im Vergleich zum Vormonat.


Auch in der Westschweiz gab es im Februar einige Marktanteilsverschiebungen, auch hier profitierte der Hauptsportsender RTS Deux am meisten von den Olympischen Spielen – zuungunsten von RTS Un. Mit Ausnahme von M6 und Cartoon Network lagen alle anderen Sender ebenfalls leicht unter dem Januar-Niveau.


Das gleiche Bild zeigte sich im Tessin – der Sportübertragungssender RSI LA2 legte 15 Indexpunkte zu, während RSI LA1 leicht verlor (minus 8 Punkte).


Erläuterungen: Das Balkendiagramm zeigt jeweils den Index gegenüber dem Vormonat. Ein Index über 100 bedeutet also, dass der Sender zugelegt hat, ein Index unter 100, dass der Sender Marktanteile verloren hat – so lassen sich auf einen Blick Gewinner und Verlierer erkennen. Die aktuellen Marktanteilswerte finden sich auf den jeweiligen Balken am unteren Ende.

Auch in diesem Monat gibt es noch weitere interessante Neuigkeiten. Lesen Sie mehr dazu in unserer Linksammlung des Monats:

Bei Migros und bei Coop gibt es ja bereits schon seit einiger Zeit Self-Checkout-Kassen. Saturn geht in Innsbruck noch einen Schritt weiter und testet den europaweit ersten Einzelhandelsladen ganz ohne Kasse:

//bit.ly/2DKYdqw

RTL bremst unabsichtlich die Schülerinnen-Kampagne „Not Heidi’s Girl“ gegen die Fernsehsendung „Germany's Next Topmodel“ aus. Der Fall zeigt, wie schwierig der Umgang mit Pannen bei automatischen Upload-Filtern bei Youtube ist:

//bit.ly/2FXcczm

Facebook droht grosser Ärger: Ein Whistleblower behauptet, Facebook-Nutzerdaten seien in grossem Stil zu illegalen Wählermanipulationen bei der US-Präsidentschaftswahlen missbraucht worden. Die grosse Aufregung, die das verursacht hat, zeigt, dass sich Facebook der Diskussion seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung endlich stellen muss:

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