In einer neuen Studie hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln das Vermögen der obersten zehn Prozent der deutschen Haushalte genauer untersucht.
Nach den Daten aus dem Jahr 2018 reicht schon ein Vermögen von weniger als einer halben Million Euro, um dazuzugehören.
Das Vermögen hängt stark von Alter, Beziehungsstand und Immobilienbesitz ab.
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Ab wann ist man in Deutschland vermögend oder gar reich? Kaum ein Spitzenverdiener oder Mensch mit größerem Vermögen ordnet sich selbst in diese Gruppe ein, sondern zählt sich lieber zur Mittelschicht. Ein Grund dafür könnte sein, dass man in seinem Umfeld vor allem Menschen hat, die ähnlich viel verdienen oder einen ähnlichen Lebensstandard haben als man selbst. Und im Vergleich zu Amazon-Chef Jeff Bezos oder Microsoft-Gründer Bill Gates sind wir natürlich alle arme Schlucker.
In einer neuen Studie hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln das Vermögen deutscher Haushalt untersucht, genauer gesagt jenes der obersten zehn Prozent. Demnach besteht diese Gruppe keinesfalls nur aus Millionären. Nach den Daten aus dem Jahr 2018 reicht schon ein Vermögen von weniger als der Hälfte, um dazuzugehören. In Zahlen: 477.200 Euro. Ab diesem Betrag, sei es in Form von Immobilien oder Sparguthaben, zählt ihr offiziell zu den reichsten Haushalten in Deutschland. Es ist das siebenfache des Medianvermögens – also das Vermögen, das genau in der Mitte der Vermögensverteilung liegt. Beim Einkommen reicht schon das Doppelte des Medianeinkommens, um zu den oberen zehn Prozent zu gehören. Die Vermögen in Deutschland sind also deutlich ungleicher verteilt als die Einkommen, so die Studienautoren.
Zusammenlebende Paare haben ein deutlich höheres Vermögen als Singles
Ein Grund dafür könnte sein, dass Deutschland ein Mieterland ist. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt zur Miete, die Eigentumsquote ist die niedrigste in der EU. Wer aber eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus besitzt, steigt schneller in die Gruppe der Vermögenden auf. Die Auswertung der IW-Wissenschaftler zeigt jedenfalls, „dass ein Haushalt mit einer abbezahlten Immobilie in guter Lage gute Chancen hat, zu den vermögensreichsten 10 Prozent der Gesellschaft zu zählen“.
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Die Studie liefert noch viele weitere spannende Details. Logischerweise spielt das Alter eine große Rolle dabei, wie viel Vermögen jemand hat. Wer unter 30 ist, zählt schon mit einem Vermögen von 71.000 Euro zu den reichsten zehn Prozent. Bei den Unter-30-Jährigen sind die Vermögen besonders ungleich verteilt, bedingt auch durch Schulden wie Ausbildungskredite. Bei den 55- bis 59-Jährigen müssen es dagegen schon 625.000 Euro sein, um zum obersten Zehntel zu zählen. Gleichzeitig liegt das Medianvermögen in dieser Altersgruppe bei einem Fünftel dieser Summe – es ist also weniger ungleich verteilt.
Einen sehr großen Unterschied macht der Beziehungsstand aus: Singles und Alleinerziehende besitzen im Median gerade mal 20.000 Euro. Bei zusammenlebenden Paaren sind es dagegen 151.000 Euro – egal, ob sie Kinder haben oder nicht. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Paare häufiger eine Immobilie besitzen als Alleinstehende.
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In fast keinem anderen Land in Europa sind Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland. In den meisten Statistiken wird das wahre Ausmaß unterschätzt.
Die Privatvermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Der sogenannte Gini-Koeffizient für Vermögen lag 2014 bei 0,76. Auf einen ähnlich hohen Wert kommt in der Eurozone nur Österreich. Je näher der Koeffizient am Wert 1 liegt, desto größer ist die Ungleichverteilung und desto stärker sind die Vermögen bei wenigen Reichen konzentriert.
Insgesamt besitzen die wohlhabendsten zehn Prozent der Haushalte zusammen etwa 60 Prozent des Gesamtvermögens, netto, also abzüglich Schulden. Die unteren 20 Prozent besitzen gar kein Vermögen. Etwa neun Prozent aller Haushalte haben negative Vermögen, sie sind verschuldet.
Das durchschnittliche Nettovermögen lag 2014 laut Bundesbank bei 214.500 Euro. Der Mittelwert der Nettovermögen, der sogenannte Median, lag allerdings deutlich niedriger. Der Median ist genau der Wert, der in der Mitte liegt, wenn man die Haushalte in eine reichere und eine ärmere Hälfte teilt. Das Vermögen des Haushalts in der Mitte der Verteilung betrug 2014 netto 60.400 Euro (siehe Grafik: 50. Perzentil). Die große Differenz zwischen Durchschnitts- und Medianvermögen ist ein Indiz für hohe Ungleichheit.
Wer ein Vermögen von mehr als 722.000 Euro besitzt, gehört in Deutschland zu den oberen fünf Prozent. Zum Vermögen zählen Sachvermögen wie Immobilien, Unternehmen, Schmuck oder Autos und Finanzvermögen inklusive Wertpapiere und Aktien. Davon abgezogen werden Schulden wie Hypotheken oder Kredite.
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Quelle: Böckler Impuls 04/2017
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Quelle: Böckler Impuls 04/2017
Die reichsten zehn Prozent besitzen rund 60 Prozent des Gesamtvermögens in Deutschland. Grafik als CSV herunterladen Zur Grafik
Die genannten Zahlen beruhen auf konservativen Schätzungen, das wahre Ausmaß der Ungleichheit könnte sogar noch größer sein. Schließlich sind hohe und sehr hohe Vermögen in den meisten Statistiken untererfasst – die Stichproben beruhen häufig auf freiwilligen Umfragen, an denen sich Multimillionäre oder Milliardäre in der Regel nicht beteiligen.
Wie sehr das Ausmaß der Vermögensungleichheit unterschätzt wird, dafür liefert eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Hinweise: Die Untersuchung bezieht zusätzliche Informationen aus Reichenlisten mit ein, zum Beispiel aus der sogenannten Forbes-Liste. Nach dieser Schätzung fällt das gesamte Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland zwei bis drei Billionen Euro höher aus als gemeinhin angenommen. Das reichste Prozent der Haushalte dürfte dann rund ein Drittel des Gesamtvermögens besitzen – und nicht nur ein Fünftel, wie mit herkömmlichen Methoden ermittelt. Amtliche Daten zum Vermögen von Superreichen fehlen, da keine Vermögenssteuer mehr erhoben wird.
Erklärung zur Grafik: Die Haushalte sind von links nach rechts nach ihrem Vermögen geordnet. Sie sind eingeteilt in Gruppen, denen jeweils fünf Prozent der Haushalte entsprechen. Die Säulen repräsentieren das höchste Vermögen in der jeweiligen Gruppe.
Deutsche Bundesbank: Vermögen und Finanzen privater Haushalte in Deutschland: Ergebnisse der Vermögensbefragung 2014 (pdf), Monatsbericht der Deutschen Bundesbank 2016
Markus M. Grabka, Christian Westermeier: Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland (pdf), DIW-Wochenbericht 9/2014
Ders.: Große statistische Unsicherheit beim Anteil der Top-Vermögenden in Deutschland (pdf), DIW-Wochenbericht 7/2015
Miriam Rehm, Matthias Schnetzer: Piketty revisited: Vermögensungleichheit in Europa (pdf), in: Peter Bofinger, Gustav A. Horn, Kai Daniel Schmid, Till van Treeck (Hrsg.): Thomas Piketty und die Verteilungsfrage. Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland, 2015
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