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Einführung Andreas Kagermeier, Thomas J. Mager & Thomas W. Zängler „Mobilitätskonzepte in Ballungsräumen“ war das Thema der Jahrestagung 2002 des Arbeitskreises Verkehr der Deutschen Gesellschaft für Geographie, die vom 18. bis 20. April in München stattfand und deren Beiträge mit diesem zweiten Band der Schriftenreihe „Studien zur Mobilitäts- und Verkehrsforschung“ dokumentiert werden. Mit der Veranstaltung hat der Arbeitskreis Verkehr neben seiner Funktion als Plattform der deutschen Verkehrsgeographen bewusst die Tradition früherer Jahrestagungen fortgesetzt, alle im Bereich Mobilitäts- und Verkehrsforschung Tätigen anzusprechen und eine transdisziplinäre Plattform zu bilden. Die Durchführung der Veranstaltung in Kooperation mit der S-Bahn München GmbH dokumentiert gleichzeitig die Tatsache, dass der Arbeitskreis sich nicht nur als Forum für primär verkehrswissenschaftliche Themen versteht, sondern auch Planungspraxis und Verkehrssystemgestaltung aufarbeitet. Hintergrund für die Wahl des Themas „Mobilitätskonzepte in Ballungsräumen“ und die Wahl des Standortes München waren folgende Aspekte: 1) Durch die Bahnreform und das Regionalisierungsgesetz sind in den 90er Jahren die Rahmenbedingungen für den öffentlichen Verkehr gravierend modifiziert worden. Vom Wettbewerb im ÖPNV und Ansätzen zu einer verstärkten Kundenorientierung über Entwicklung und Implementierung von umfassenden Marketingstrategien bis hin zum Qualitätsmanagement reichen die Folgen dieser veränderten legislativen Rahmenbedingungen. Damit verbunden war auch, dass heute komplexe und noch nicht voll eingespielte Akteursmuster im Verkehrsmarkt bestehen. Das Verhältnis zwischen Gebietskörperschaften bzw. den Aufgabenträgern als Besteller und den Verkehrsunternehmen als Erbringer von Verkehrsleistungen werden zur Zeit je nach lokalen Gegebenheiten neu definiert. 2) Indirekt durch die Liberalisierung und Regionalisierung beschleunigt wurde auch ein in den 90er Jahren sich abzeichnender Trend, nicht mehr nur einzelne Transportangebote sondern mehr und mehr umfassende Mobilitätsdienstleistungen anzubieten. Unter dem Überbegriff „Mobilitätsmanagement“ sind neben entsprechenden intermodalen Angeboten unterschiedlichste Bausteine, wie z.B. Mobilitätsberatung aber auch neue Zustellformen (z.B. Shopping Box) entstanden bzw. in der Erprobungsphase. 3) Die Fokussierung auf den Ballungsraum erfolgte vor dem Hintergrund, dass dort die Entwicklung und Erprobung neuer Mobilitätsangebote angesichts der aktuellen Überlastungsphänomene besonders weit entwickelt ist. In den 90er Jahren wurden in einer Reihe von Forschungs- bzw. Modellvorhaben auf Landes-, Bundes-, bzw. EU-Ebene die Suche nach Lösungsansätzen vor allem fokussiert auf den großstädtischen Kontext vorangetrieben. Angesichts des Veranstaltungsortes München wurde dabei im Rahmen der Veranstaltung vertiefend das in München angesiedelte BMBF-Leitprojekt MOBINET vorgestellt und diskutiert. 4) Mit der Wahl des Standortes München verbunden war auch die Tatsache, dass die Grundlagen des heutigen ÖPNV-Systems dort anlässlich der Olympiade 1972 geschaffen wurden, die damals Maßstäbe für viele andere deutsche und europäische Großstädte setzten. Der damalige Schub in der Stadtentwicklungs- und Verkehrsplanung gilt heute retrospektiv als erstes Beispiel einer Instrumentalisierung eines Großereignisses im Sinne einer „Festivalisierung“ der Stadtentwicklungspolitik. 30 Jahre danach eine Art Bilanz zu ziehen, die Situation in München im Vergleich mit anderen Großstädten zu evaluieren und Perspektiven der künftigen Verkehrspolitik zu reflektieren, war ein weiteres Ziel der Tagung. Dass angesichts dieser Vielfalt an Themenfeldern diese nur selektiv angeschnitten werden können und hier auch nicht in der Systematik eines Lehrbuchs präsentiert werden, versteht sich wohl von selbst. Durch die Konzentration auf einzelne thematisch fokussierte Panels, die sich auch in der Gliederung des vorliegenden Tagungsbandes spiegeln, wurden Schwerpunkte gesetzt und eine Grundstruktur für die 22 Beiträge vorgegeben. Im ersten Themenblock „Der ÖPNV in der Region München: Akteure, Planungen, Herausforderungen“ kommen Vertreter der Verkehrsunternehmen als zentraler Akteursgruppe des öffentlichen Verkehrs in Ballungsräumen zu Wort. In den Beiträgen von Wuth/Steger, Mager und Gemmer werden implizit eine ganze Reihe von Implikationen der Regionalisierung und Liberalisierung angesprochen. Dabei wird deutlich, dass dadurch insgesamt gesehen zwar eine deutlich stärkere Marktorientierung ausgelöst wurde, sich aber die Akteurskonstellationen nach wie vor in einer noch nicht abgeschlossenen Umbruchsituation und Phase der Neuorientierung befinden. Zielsetzung sowie erste provisorische Befunde und Ergebnisse eines seit mehreren Jahren im Großraum München laufenden BMBF-Leitprojektes stehen im Mittelpunkt des zweiten Themenblocks „MOBINET –Innovative Konzepte für die mobile Gesellschaft“. Nach den in die Grundkonzeption und den Hintergrundkontext des Projektes einführenden Beiträgen von Wolters und Zängler werden einige besonders innovative Demonstratoren aufgearbeitet: • Dem Themenfeld „Telearbeit“ sind die Beiträge von Kreilkamp und Glogger gewidmet, welche die Grundprinzipien und erste vorläufige Befunde aus der Vorher-Erhebung vorstellen. • Die Potentiale eines weiteren innovativen Elements der Mobilitätsgestaltung – des Online-Shoppings – arbeitet der Beitrag von Römmelt auf. • Bereits konkrete Ergebnisse können Kohler/Kreipl aus einem Vorhaben zum Mobilitätsmanagement für Schulkinder vorlegen. Über den konkreten Einzelfall hinaus weist dabei der Befund, dass biographische Zäsuren einen günstigen Ansatzpunkt für mobilitätsbeeinflussende Interventionen darstellen. Dass MOBINET in der Region München teilweise die Funktion einer Initialzündung für eine intensive verkehrspolitische Diskussion und die eines Katalysators für an das Projekt anknüpfende weitergehende Konzepte und Vorhaben erfüllt, zeigen die im Umfeld von MOBINET entwickelten „Ansätze zum Mobilitätsmanagement in der Region München“ im dritten Block. Der einleitende Beitrag von Schreiner stellt die institutionellen Rahmenbedingungen des Mobilitätsmanagements und deren Umsetzungspläne im Projekt IMBUS dar. Fink und Bickelbacher arbeiten mit den Beispielen „Mobilitätsberatung/Informationssysteme“ und „Bike&Ride“ konkrete Bausteine eines Mobilitätsmanagements in München auf. Am Beispiel eines Stadtteils wird darauf aufbauend von Faltlhauser ein integrierter Ansatz zum Mobilitätsmanagement vorgestellt. Abgeschlossen wird der Block mit dem Beitrag von Gronau, der für das lange Zeit in der Verkehrsforschung wenig beachtete Mobilitätssegment des Freizeitverkehrs Grundlagen eines Mobilitätsmanagements reflektiert. Im zweiten Teil des Bandes wird der Blickwinkel geweitet. Der Beitrag von Motzkus eröffnet den vierten Block „Forschungsprojekte und Konzepte zur Gestaltung der Mobilität in großstädtischen Kontexten“ indem er synoptisch die Gesamtkonzeption der Mobilitätsforschung des Bundes vorstellt. Konkretisiert und illustriert werden die Forschungsaktivitäten auf Bundesebene in den Beiträgen von Lenz/Luley und Friedrich/Haupt die Konzepte zur Mobilitätsberatung und zum E-Commerce aus zwei anderen BMBF-Leitprojekten (MOBILIST und MOBIPLAN) behandeln. Die Beschreibung eines konkreten Verkehrskonzeptes für die Westfalenhalle in Dortmund von Leerkamp und die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Verkehrssystem Transrapid von Klühspies schließen die Aufarbeitung der deutschen Beispiele. Anhand von drei „Internationalen Beispielen für Mobilitätskonzepte“ wird deutlich, dass die Grundprobleme zwar weltweit ähnlich sind, aber die entwickelten Ansätze – auch in Abhängigkeit vom politischen Umfeld – teilweise deutlich voneinander abweichen. Mögliche Konsequenzen einer weitgehenden Liberalisierung des Verkehrsmarktes werden auf der Basis der englischen Erfahrungen von Docherty aufgezeigt. Dass sich Verkehrsprobleme in Großstädten in den Ländern außerhalb der OECD teilweise noch gravierender darstellen, wobei sich die in Europa verfolgten Lösungsansätze nur partiell auf weniger wirtschaftsstarke Länder übertragen lassen und dort teilweise andere Lösungswege zu suchen sind, zeigen abschließend die beiden Fallbeispiele aus Nordafrika und Südamerika von Baouni und Müller. Am Beispiel von Algier wird deutlich, dass dort nach wie vor auf finanzaufwendige technikorientierte Lösungen gesetzt wird, während der in Bogota verfolgte Ansatz darauf abzielt, mit begrenzten Mitteln den Mobilitätsnutzen für die Bevölkerung zu optimieren. Insgesamt wird mit dem Band ein weiter Bogen gespannt, der die vielfältigen Facetten der Verkehrsforschung und Verkehrsplanung in großstädtischen Kontexten aufzeigt. Gleichzeitig wird deutlich, dass trotz partieller Erfolge der in jüngerer Zeit unternommenen Ansätze die aktive Gestaltung von Mobilitätsmöglichkeiten auch künftig ein zentrales gesellschaftspolitisches Themenfeld bleiben wird. Es zeigt sich aber auch, dass es keinen goldenen Königsweg von isolierten Einzelmaßnahmen gibt. Nur ein integriertes Zusammenspiel einer Vielzahl von Ansätzen auf unterschiedlichsten Ebenen hat Aussicht, für die zu Beginn des 21. Jahrhunderts anstehenden Aufgaben zukunftsfähige Lösungsansätze hervorzubringen. Paderborn, München, Freising-Weihenstephan im November 2002 A. Kagermeier, Thomas J. Mager, Thomas W. Zängler

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