Um die Bemühungen im Bereich Umweltschutz zu verstärken, führt der saudische Staat seit Oktober 2016 stufenweise eine Zertifizierung für Kunststoffprodukte ein. Insgesamt wurden 16 Produktgruppen definiert, für die in drei Phasen ein „Oxo-Biodegradable-Label“ der Saudi Standards, Metrology and Quality Organisation (SASO) verpflichtend werden soll.
Bei den betroffenen Produkten handelt es sich um Wegwerfartikel wie Plastiktüten, Besteck und Verpackungsfolien, die aus Polyethylen und Polypropylen hergestellt werden und eine Dicke von bis zu 250 Mikrometer haben. Die benannten Produkte müssen oxo-biologisch abbaubar sein.
Die Zertifizierungspflicht erstreckt sich sowohl auf Waren, die als eigenständiges Produkt eingeführt werden, als auch auf Kunststoffprodukte, die lediglich aus Transportgründen zur Umschließung / Verpackung der eigentlich zu importierenden Hauptware verwendet werden (z. B. Folien, mit der Haushaltsgeräte oder Maschinen eingepackt werden).
Eine Lizenz für die Nutzung des „Oxo-Biodegradable-Labels“ muss bei der SASO beantragt werden. Die Beantragungspflicht obliegt dem saudischen Warenimporteur. Im Zuge der Lizenzbeantragung werden die betroffenen Kunststoffprodukte auf Konformität mit der neuen Regelung geprüft und registriert. Bitte beachten Sie, dass biologisch abbaubare Materialen nach DIN 13432 nicht von der Vorschrift ausgenommen sind.
Ferner setzt die Registrierung und Zertifizierung der betroffenen Produkte voraus, dass die in Saudi-Arabien ansässigen Hersteller und Importeure u.a. ihre ausländischen Lieferanten benennen. Es dürfen ausschließlich Kunststoffmaterialien eingeführt werden, die von zugelassenen Lieferanten stammen.
Die saudischen Zollbehörden haben Anweisung, Einfuhren von Kunststoffprodukten ohne „Oxo-Biodegradable-Label“ bzw. ohne Registrierung bei der SASO nicht abzufertigen.
Seit dem 12. Dezember 2017 (1. Phase der Umsetzung) dürfen folgende Kunststoffprodukte, die nicht oxo-biologisch abbaubar sind, nicht mehr nach Saudi-Arabien eingeführt werden:
- Einkaufstüten, Müllbeutel, Wäschesäcke (HS 39151000, 39173210, 39241090, 39232100, 39241039)
- Einwegtischdecken (HS 39211900, 39232100)
Mittlerweile hat die SASO den Beginn der 2. und 3. Phase der Umsetzung auf unbestimmte Zeit verschoben. Dieser war ursprünglich für den 1. August 2018 vorgesehen und dann bereits mehrfach verschoben wurden.
Kunststoffprodukte, die für die 2. Phase vorgesehen sind, sind bspw. Stretch Film (HS 39211300) und Shrink Film rolls (HS 39232100). Verpackungen von Lebensmitteln sollen erst zu einem noch späteren Zeitpunkt von der Regulierung betroffen sein.
Weiterführende Informationen erteilt die Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien, Bahrain und Jemen (Liste der Ansprechpartner).
Quellen: DIHK, AHK Saudi-Arabien
Kleidervorschriften in Saudi-Arabien
Anne Françoise Weber im Gespräch mit Marietta Schwarz · 28.12.2019
In Saudi-Arabien ist gerade vieles im Umbruch. Auch die Kleidervorschriften: Frauen müssten nicht unbedingt die schwarze Abaya tragen, heißt es. Der Gesichtsschleier ist sowieso keine Pflicht. Trotzdem sind viele Saudi-Araberinnen noch so unterwegs.
Lange Jahre war es in Saudi-Arabien für Frauen Pflicht, einen schwarzen Umhang, die Abaya, und ein Kopftuch zu tragen. Doch das ändert sich langsam, nicht nur nachdem Kronprinz Mohammed bin Salman in einem Interview darüber gesprochen hat. Auch die Religionspolizei, die früher Frauen auf der Straße maßregelte, wenn ihr Aussehen nicht den Kleidungsvorschriften entsprach, wurde in den vergangenen Jahren weitgehend entmachtet.
Selbst der frühere Chef der Religionspolizei sagte im vergangenen September in einem Fernsehinterview, die Abaya müsse nicht unbedingt getragen werden. Folge war ein Shitstorm: Bilder zirkulierten, wo er eng neben einer europäisch aussehenden Frau im Sommerkleid sitzt. Ihm wurde die Qualifikation abgesprochen, überhaupt solche theologischen Fragen zu beantworten, manche nannten ihn gar den Teufel.
Mitte Dezember gab es ein Video, auf dem ein Mann in einer Provinzstadt Frauen ohne Gesichtsschleier mit Schuhen bewarf und sie als Ehebrecherinnen bezeichnete. Medienberichten zufolge wurde ein Gerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet. Er soll psychisch krank sein und schon früher Frauen angegriffen haben. In dieser Form ist das sicher ein Einzelfall. Das Festhalten an der Vollverschleierung teilt möglicherweise aber doch eine größere Bevölkerungsgruppe.
Zehn bis 15 Prozent Ultrakonservative soll es nach Einschätzung eines ausländischen Diplomaten im Königreich geben. Sie halten sich gerade sehr zurück, weil ihre Positionen nicht vom Königshaus erwünscht sind. Denn Kronprinz Mohammed bin Salman setzt darauf, Frauen auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Dafür schafft er viele der Einschränkungen ab, die besonders seit 1979 im Königreich vorherrschten.
Eher eine Frage der Tradition als der Religion
Die junge Bankangestellte Rawan aus Riad freut sich über die neuen Festivals und darüber, dass sich Männer und Frauen nun leichter in der Öffentlichkeit treffen können. Gleichzeitig behält sie ihren Gesichtsschleier – mehr aus Gründen der Tradition als der Religion, wie sie erklärt:
"Als ich den Gesichtsschleier angelegt habe, hatte ich das bei meiner Mutter und meinen Tanten gesehen und wollte damals dazugehören. Aber seither hat sich etwas verändert. Meine kleine Schwester kam in diesem Alter nicht auf die Idee, den Gesichtsschleier anzulegen – und es gab auch keinen Druck von der Familie. Und jetzt haben sich die Zeiten nochmal geändert."
Beim Festival in Riad treffen sich Männer und Frauen im öffentlichen Raum. Trotz Liberalisierung der Bekleidungsvorschriften ist die Kleidung bei vielen gleich geblieben.© Deutschlandradio / Anne Francoise Weber
Eine ältere Frau in der Hafenstadt Dschidda äußert durchaus Verständnis für diese Veränderungen, glaubt aber, dass auch junge Frauen den Sinn der Verschleierung einsehen werden:
"Das Kopftuch ist gottgegebene Pflicht. Aber die Abaya ist Tradition. Unsere jungen Frauen haben deren schwarze Farbe durch andere ersetzt. Sie tragen jetzt beige, blau, braun, grau. Wichtig ist, dass sie das Gebot der Verhüllung einhalten und ihren Kopf bedecken. Und manche tun auch das nicht. 16- oder 17-jährige Jugendliche mögen ihr Haar nicht bedecken. Aber nach und nach verstehen sie und mögen auch sie der Tradition folgen."
Das Kopftuch wird bleiben
Doch auch wenn noch viele Frauen die schwarze Abaya und ein Kopftuch tragen und erstaunlich viele auch den Gesichtsschleier anlegen – es ändert sich etwas im Land, nicht zuletzt durch den erstarkenden Tourismus. Die Modedesignerin Diala Kabbara, eine Libanesin, die schon seit ihrer Kindheit in Saudi-Arabien lebt, erzählt, wie sich ihre Abaya-Modelle verändern:
"Als ich das erste Mal Abayas entwarf, waren die ganz schwarz, und ich habe nur ein paar kleine Farbtupfer gesetzt. Später haben wir mehr Farben mit dem Schwarz gemischt, und dann haben wir beige und graue Abayas gemacht. Das ging Schritt für Schritt. Es war nicht so, dass wir an einem Tag noch völlig schwarz gekleidet waren und am nächsten Tag die Abaya ganz abgelegt haben."
Heute macht Kabbara auch kürzere Abayas, manche mit ganz bunten Einsätzen oder Lochmustern. Das Ende der Vollverschleierung ist sicherlich noch nicht eingeläutet in Saudi-Arabien. Aber das Ende der Kontrolle durch die Religionspolizei. Was sicherlich bleiben wird, ist das Kopftuch: Es gehört dort für viele gläubige Musliminnen einfach zu ihrem Glauben.