Wer darf sich nicht impfen lassen nrw

Das Impftempo in Rheinland-Pfalz sinkt. Oft heißt es, viele Menschen könnten sich nicht gegen Corona impfen lassen. Dazu der Virologe Professor Bodo Plachter im Interview.

Rund 60 Prozent der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums vollständig gegen Corona geimpft (Stand: 30.8.2021). Dass sich das Impftempo im Land deutlich verlangsamt hat, zeigen zum Beispiel Zahlen aus dem Ingelheimer Impfzentrum: Nach Angaben eines Sprechers ließen sich im April teilweise mehr als 6.000 Menschen in der Woche dort impfen. In der dritten Augustwoche waren es noch nicht mal 2.000. In der öffentlichen Diskussion wird häufig das Argument angeführt, dass sich viele Menschen aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen könnten.

SWR Aktuell: Herr Professor Plachter, auf wen trifft das zu?

Bodo Plachter: Es gibt relativ wenige Menschen, die nicht gegen Corona geimpft werden sollten. In der Schwangerschaft ist man vorsichtig, eine Impfung ist aber grundsätzlich in Absprache mit dem Arzt möglich. Auch Menschen, die gerade eine fieberhafte Erkrankung durchmachen, sollten sich nicht gegen Corona - aber auch nicht gegen andere Erreger -impfen lassen.

Bei Erkrankungen und Therapien, die die Immunabwehr schwächen, beispielsweise bei bestimmten Formen der Chemotherapie, sollte wegen der eingeschränkten Wirksamkeit mit der Impfung gewartet und, in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, ein besserer Zeitpunkt zur Impfung gewählt werden.

Es gibt auch sehr seltene Erkrankungen des Blutgerinnungssystems oder der Blutgefäße, aufgrund derer eine Impfung beziehungsweise ein bestimmter Impfwirkstoff ausgeschlossen sein kann. Solche Patienten kennen aber in der Regel ihre Erkrankung, sie sollten dann in Absprache mit dem behandelnden Arzt einen anderen Impfstoff wählen.

SWR Aktuell: Was ist mit Allergikern?

Bodo Plachter: Eine Allergie gegen irgendwas - zum Beispiel Heuschnupfen - ist zunächst einmal kein Hinderungsgrund, sich impfen zu lassen. Allergien gegen bestimmte Inhaltsstoffe der Impfstoffe kann es allerdings geben. In der Tat wurden bereits in Einzelfällen allergische Reaktionen beobachtet.

Auch hier wissen die Menschen, die zu starken, allergischen Reaktionen neigen, aber in der Regel um ihr Risiko. Hier muss nach einer Impfung eine längere Nachbeobachtungszeit eingeplant werden. Aber wie gesagt: Generell ist eine Allergie, gegen Pollen beispielsweise, kein Ausschlussgrund für eine Impfung.

SWR Aktuell: Sie hatten die Schwangeren ja schon angesprochen. Warum wird für sie eine Impfung eigentlich nicht empfohlen?

Bodo Plachter: In der Schwangerschaft ist man mit Impfungen generell zurückhaltend. Im Falle der Corona-Impfung vor allem deswegen, weil es natürlich keine groß angelegten Impfstoffstudien an Schwangeren gibt. Auf der anderen Seite weiß man, dass auch in der Schwangerschaft Corona-Infektionen durchaus schwer verlaufen können.

"Impfungen sind in Absprache mit dem Arzt möglich."

Das heißt, es ist zwar nicht offiziell empfohlen, dass alle Schwangeren geimpft werden. Im Einzelfall kann man eine Corona-Impfung in Absprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin aber durchaus in Erwägung ziehen.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Impfstoffe in der Schwangerschaft schlechter vertragen würden. Aber es gibt eben auch keine wirklich übergreifenden Studien an Schwangeren.

SWR Aktuell: Es betrifft also unter anderem Schwangere, Menschen mit eingeschränktem Immunsystem, Menschen mit bestimmten, seltenen Erkrankungen des Blutgerinnungs- und Gefäßsystems und natürlich auch viele Kinder, die zurzeit nicht geimpft werden können. Ist es daher umso wichtiger, dass sich all diejenigen impfen lassen, bei denen es auch problemlos möglich ist?

Bodo Plachter: Klar ist es wichtig, dass so viele Menschen wie möglich sich impfen lassen. Das nimmt den Druck aus den Krankenhäusern. Vor allem aber schützt man natürlich sich selbst.

"Es gibt viele Gründe, sich impfen zu lassen."

Und die Impfung ist selbstverständlich auch wichtig, weil man dadurch unter Umständen auch andere schützt. Man trägt schlussendlich dazu bei, dass die von den Regierungen (Landes- und Bundesregierung) ergriffenen Maßnahmen dann möglicherweise abgemildert beziehungsweise verhindert werden. Also es gibt viele Gründe, sich impfen zu lassen.

SWR Aktuell: Was schätzen Sie denn, wie viele Menschen es sind, die tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können?

Bodo Plachter: Es ist sehr schwierig zu beziffern, aber es gibt sehr, sehr wenige Menschen, die dauerhaft nicht gegen Corona geimpft werden können. Das ist eine absolute Minderheit.

Es werden immer wieder Fragen gestellt, auch an uns: Ich habe diese oder jene Grunderkrankung, zum Beispiel Rheuma - darf ich denn jetzt geimpft werden? Und da gibt es auch von den Fachgesellschaften ganz klare Stellungnahmen, dass selbstverständlich zum Beispiel auch Menschen mit rheumatoider Arthritis etc. geimpft werden können.

Dass diese Erkrankten sich sorgen, ist verständlich. Aber meistens ist die Sorge unbegründet, denn in den allermeisten Fällen kann man sich impfen lassen.

Das Interview führte Rabea Amri aus dem SWR-Studio Mainz.

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