Wie wird ein wohnrecht bei erbe angerechnet

Pflichtteilsergänzung – Wohnrecht – Vorbehalt

Pflichtteilsergänzung bei Vorbehalt eines Wohnrechts

Die Immobilie im Pflichtteilsrecht

Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ist es üblich, dass bei Übertragungen von Immobilien sich der spätere Erblasser entweder den Nießbrauch an der Immobilie vorbehält oder sich ein Wohnrecht einräumen lässt. Bei einem Nießbrauchsvorbehalt ist seit langem anerkannt, dass die Abschmelzungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch erst mit dem Tod beginnt. Umstritten war dies bisher für die Frage des vorbehaltenen Wohnrechts. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15 dazu Stellung genommen.

In dem konkreten Fall übertrugen der Erblasser und seine Ehefrau eine Immobilie auf einen ihrer beiden Söhne. Im Rahmen der schenkungsweise vorgenommenen Überlassung hatten sich der Erblasser und seine Ehefrau als Gesamtberechtigte ein Wohnungsrecht im Erdgeschoss einräumen lassen, welches auch die Mitbenutzung des Gartens, der Nebenräume sowie Versorgungsleitungen betraf. Neben einer unentgeltlichen Nutzung der Garage wurde mit dem übernehmenden Sohn weiter vereinbart, dass das Grundstück zu Lebzeiten der Eltern nicht veräußert werden darf. Auch Umbaumaßnahmen durfte er nicht ohne Zustimmung durchführen. Allerdings gestatteten die Eltern, dass Grundpfandrechte bis zur Höhe von 200.000 DM nebst Zinsen für beliebige Gläubiger zur Eintragung im Rang vor dem Wohnungsrecht möglich sind.

Der nicht mit einem Grundstück bedachte Sohn klagte nunmehr gegen die als testamentarische Alleinerbin eingesetzte Mutter und Ehefrau des Erblassers.

Pflichtteilsergänzung bei Schenkungen

Der Pflichtteilsberechtigte kann neben seinen Pflichtteilsanspruch auch den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 Abs. 1 BGB geltend machen. Voraussetzung hierfür ist eine Schenkung des Erblassers noch zu Lebzeiten. Nach der jetzigen Fassung des § 2325 Abs. 3 BGB erfolgt jedoch eine sogenannte Abschmelzung:

„Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstands verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.“

Fristanlauf für die Pflichtteilsergänzung

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall war die Frage, ob der Beginn des Fristlaufs – die Zehn-Jahres-Frist der Abschmelzung war eindeutig überschritten – durch den Vorbehalt eines Wohnungsrechts gehindert sein könnte. Zunächst geht der BGH auf seine seit 1994 bestehende Grundsätze ein, dass eine Leistung des Erblassers nur dann vorliegen würde, wenn er seine Rechtsstellung als Eigentümer auch endgültig aufgibt. Verzichtet er auf diese Aufgabe beispielsweise durch den Vorbehalt dinglicher Rechte oder durch die Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche nicht und nutzt sie im wesentlichen weiterhin, bleibt er im „Genuss“ des verschenkten Gegenstands. Damit gibt zwar der Erblasser formal seine Eigentümerstellung auf, aber er bleibt weiterhin Nutzer des verschenkten Gegenstands. Eine solche Nutzung, wie sie typischerweise bei einem Nießbrauchsvorbehalt vorliegt, hindert den Fristanlauf für die Abschmelzung.

Fristbeginn bei vorbehaltenen Wohnrechts

Diese für den Nießbrauchsvorbehalt bei Immobilien entwickelten Grundsätze wendet der BGH nunmehr auch auf das vorbehaltene Wohnrecht an einem übertragenen Grundstück an. Vorliegend kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wesentliche Nutzung mit dem vorbehaltenen Wohnrecht nicht verbunden war, da lediglich bei dem dreigeschossigen Haus im Erdgeschoss ein Wohnrecht eingeräumt worden war. Besteht das Wohnrecht nur an Teilen einer übergebenen Immobilie, so ist nach Ansicht des BGH der Erblasser nicht mehr als „Herr im Haus“ anzusehen. Das Hausgrundstück konnte nicht mehr in der bisherigen Art und Weise genutzt werden. Der BGH betont allerdings, dass eine abstrakte Beantwortung der Frage des Fristbeginns für die Pflichtteilsergänzung bei vorbehaltenen Wohnrechts nicht getroffen werden kann. Es muss im Hinblick auf die Frage des „Genussverzichts“ immer eine Wertung des Einzelfalls vorgenommen werden.

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Diese Antwort ist vom 06.09.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.

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Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:

1.

Der Ertragswert des Hausgrundstücks wird folgendermaßen ermittelt:

monatliche Miete x 12 Monate = jährlicher Rohertrag

Anhand der Sterbetafeln ist die durchschnittliche Lebenserwartung der durch das Wohnrecht berechtigten Person festzustellen. Die Lebenserwartung (in Jahren) nach der Sterbetafel wird mit dem Jahresmietwert multipliziert. Das Produkt ist der Wert des Wohnrechts.

2.

Gem. § 16 BewG darf der Jahreswert nicht den durch 18,6 geteilten Wert der Immobilie übersteigen.

3.

Die Verkehrswertermittlung eines Grundstücks ist nicht unkompliziert und reduziert sich nicht nur auf die vorgenannten Punkte. Deshalb müssen Sie damit rechnen, daß der Pflichtteilsberechtigte die Vorlage eines Verkehrswertgutachtens einfordert.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 06.09.2010 | 22:14

zu Punkt 1. verhält es sich also so, wie ich vermutet habe.

zu Punkt 3. das die Verkehrswertermittlung durch Gutachter durchgeführt werden muss, ist mir bereits bekannt. Allerdings ist mir noch nicht klar, ob sich das Wohnrecht ausschließlich auf den Wert der Immobilie bezieht oder auch auf das dazu gehörige Grundstück, welches ich ja aufgrund des Wohnrechtes nur schwerlich veräußern kann. Oder steht das beides immer direkt in Verbindung, quasi untrennbar Grundstück und Immobilie als ein Wert?

Es handelt sich bei dem Wohnrecht übrigens "nur" um eine kleine Wohnung im Haus, die etwa 250€ Miete brächte, also 60.000€ bei noch 20 Jahren Lebenserwartung. Könnte der Betrag, vorausgesetzt die Miete entspricht den Bedingungen unter Punkt 2. den Wert der Immobilie (Wert z.B. 56.000€ ohne Grundstück, Grundstückswert 100.000€) bis zu 0€ herab senken? Oder würde zusätzlich der Grundstückswert mit gemindert?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 07.09.2010 | 08:52

Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:

1.

Wenn ein Sachverständiger ein Verkehrswertgutachten über ein Hausgrundstück oder über eine Eigentumswohnung erstellt, sind alle wertbildenden Faktoren zu berücksichtigen. Zu den wertrelevanten Merkmalen gehören z. B. die baulichen Gegebenheiten, die Lage des Objekts aber auch rechtliche Gegebenheiten.

Wenn ein Wohnrecht besteht, ermittelt der Sachverständige vorab den Verkehrswert ohne das Wohnrecht (sog. unbelasteter Verkehrswert). Dann wird der Wert des Wohnrechts errechnet und man erhält nach Abzug der Belastung den belasteten Verkehrswert. Das ist der Wert, der Sie interessiert.

D. h. man darf bei einer Eigentumswohnung nicht zwischen dem Grundstück (Gemeinschaftseigentum) und der Wohnung (Sondereigentum) trennen, wenn es um die Feststellung des Werts der Wohnung geht. Alle wertbildenden Faktoren fließen in die Verkehrswertermittlung ein. Um Ihre Formulierung aufzugreifen, kann man folglich sagen, daß "Grundstück und Immobilie" in direkter Verbindung stehen und deshalb als "ein Wert" gesehen werden müssen.

2.

Bezüglich Ihrer abschließenden Frage sei nochmals darauf verwiesen, daß man keine Trennung der Bewertung von Grundstück und Wohnung in Ihrem Fall vornehmen kann. Die vom Gutachter vorzunehmende Bewertung des Wohnrechts reduziert den Verkehrswert der Wohnung. Anhaltspunkte, weshalb der Verkehrswert "Null" sein sollte, die Wohnung also keinerlei Wert mehr hätte, gibt es nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt

Was bedeutet lebenslanges Wohnrecht für die Erben?

Wer ein Haus oder eine Wohnung mit Wohnrecht vererben möchte, muss das Wohnrecht im Testament festlegen. Das Wohnrecht wird damit im wahrsten Sinne des Wortes vererbt. Die berechtigte Person darf mietfrei in dem Haus wohnen. Allerdings muss sie für Reparatur und Instandhaltung der Immobilie aufkommen.

Wie wirkt sich Wohnrecht auf Pflichtteil aus?

Ein zugunsten des Erblassers bestehendes Nießbrauch- oder Wohnungsrecht fällt regelmäßig nicht in den Nachlass und kann folgerichtig auch bei der Bemessung des Pflichtteilanspruchs keine Rolle spielen.

Wie hoch wird ein Wohnrecht bewertet?

Der Wert des Wohnrechts ergibt sich aus der Multiplikation von Kapitalwert und Jahreswert. Bei Immobilien entspricht dieser der Jahresmiete, höchstens jedoch dem Immobilienwert geteilt durch 18,6.

Wie mindert ein Wohnrecht den Verkehrswert?

Die fiktive Miete, die dem Eigentümer durch das Wohnrecht entgeht, multipliziert mit der voraussichtlichen Lebenszeit des Bewohners wird deshalb vom eigentlichen Verkehrswert der Immobilie abgezogen.

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