Berlin, Gropiusstadt 1975: Die Eltern von Christiane (Natja Brunckhorst) sind getrennt. Gerade hat ihre jüngere Schwester beschlossen, zu ihrem Vater zu ziehen, so dass die 13-Jährige nun allein mit ihrer Mutter ist. Foto: arte
Anzeige
Christiane F. – Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
TV-Tipp: arte, Mi, 9.2., ab 20.15 Uhr
9. Februar 2022
Die erschütternde, wahre Geschichte einer Halt suchenden Jugendlichen, die Mitte der 70er Jahre in Berlin in die Drogenabhängigkeit abgleitet. Zwischen „Baby-Strich“, U-Bahnhöfen und stinkenden Toiletten erlebt sie die Hölle. Aus dem wahren Leben der drogenabhängigen Jugendlichen Christiane Felscherinow. Beeindruckendes Filmdrama (1981) von Uli Edel.
Berlin, Gropiusstadt 1975: Die Eltern von Christiane (Natja Brunckhorst) sind getrennt. Gerade hat ihre jüngere Schwester beschlossen, zu ihrem Vater zu ziehen, so dass die 13-Jährige nun allein mit ihrer Mutter ist. Foto: arte
Anzeige
Berlin-Gropiusstadt, 1975: Die Eltern von Christiane leben getrennt. Gerade hat ihre jüngere Schwester beschlossen, zum Vater zu ziehen, so dass die 13-Jährige nun allein mit ihrer Mutter ist. Wie jeden Abend kommt Klaus, der Freund der Mutter. Christiane fühlt sich zurückgesetzt und trifft sich aus Enttäuschung mit Kessi.
Kessi ist schon älter und die Wortführerin in Christianes Klasse. Die Tennisschuhe verschwinden in der Plastiktüte und auf hochhackigen Pumps geht Christiane zum ersten Mal ins Sound – damals „Europas modernste Diskothek“. Kessi ist hier jedes Wochenende, kennt alle Typen und wird von allen Seiten gegrüßt. Christiane ist nicht wohl in ihrer Haut. Den ersten Trip, der ihr angeboten wird, lehnt sie ab, sie hat jetzt „noch keinen Bock drauf“. Sie fühlt sich als totale Außenseiterin. In der Toilette nimmt sie dann doch was ein, um mit den anderen mitzuhalten, um dazuzugehören.
Schnell stellt sie fest, dass fast alle ihre neuen Freunde Heroin spritzen. Zu Hause kann ihr keiner helfen, die Mutter, soeben geschieden, hat nur ihren Freund im Kopf und will die Veränderungen, die mit Christiane geschehen, nicht wahrnehmen. So zieht es Christiane mehr und mehr zu ihrer Clique. Jetzt ist auch sie jedes Wochenende im Sound. Für Detlef entwickelt sie ein Liebesgefühl.
Und dann die Sensation – David Bowie kommt nach Berlin! Als das Konzert vorbei ist, snifft Christiane zum ersten Mal Heroin. Von da an ist der Weg zur ersten Spritze nicht weit. Bald spielt sich ihr Leben zwischen Baby-Strich, U-Bahnhöfen und stinkigen Toiletten ab. Aber das ist noch lange nicht das Ende …
„Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ ist eine Filmbiografie und erzählt aus dem wahren Leben der drogenabhängigen Jugendlichen Christiane Felscherinow. Dieses beeindruckende Filmdrama von Regisseur Uli Edel zählt zu den herausragenden deutschen Kinoerfolgen und beschreibt eine Thematik, die in der öffentlichen Diskussion kaum an Brisanz verloren hat. In äußerst bedrückenden Bildern und einer Atmosphäre, die dunkler nicht hätte sein können, werden die verhängnisvollen Folgen des Drogenkonsums schonungslos dargestellt.
Dazu um 23.15 Uhr: Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo: Lost Generation
Ende der 70er Jahre erschütterte das biografische Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ Deutschland. Am Beispiel von Christiane F. schildert es das Elend von drogenabhängigen Kindern und Jugendlichen, die damals auf den Bahnhöfen und öffentlichen Toiletten der deutschen Großstädte an Heroin zugrunde gingen. Die Doku zeichnet das Porträt dieser verlorenen Generation.
In ihrem Roman „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ schildern die Autoren Kai Hermann und Horst Rieck am Beispiel von Christiane Felscherinow den elenden Alltag von Drogenabhängigen im Westberlin der 70er Jahre. Der bis dahin anonyme „Junkie“ hatte nun das Gesicht von Christiane F., einem Mädchen aus der Mittelschicht, das in der Berliner Hochhaussiedlung Gropiusstadt aufwuchs, morgens in die Schule ging und nachmittags auf den Strich, um sich ihre Dosis Heroin zu finanzieren. Das Buch wurde 1981 verfilmt.
Auflehnung gegen die Eltern, die Polizei, die Schule, die fehlenden Zukunftsperspektiven in den grauen Wohnsilos von Berlin: Christiane F. verkörperte die verzweifelte Flucht vor der Ausweglosigkeit in der damaligen BRD, die an der mangelnden Aufarbeitung ihrer jüngeren Geschichte und der Amnesie einer unter dem Nationalsozialismus groß gewordenen Elterngeneration krankte.
Christiane F. und ihre Freunde verloren sich im Berliner Nachtleben, entdeckten die Wirkung psychedelischer Musik, den Taumel der ersten Drogen und zerstörten sich auf der Suche nach immer stärkeren Kicks langsam selbst. Nach dem Aufbäumen von Mai 68 und den linksextremistischen Gewaltakten der Roten Armee Fraktion sahen Jugendliche wie Christiane F. den einzigen Ausweg in der Selbstzerstörung. Es war die stille, unauffällige Revolte, der Schrei einer Jugend, auf die man erst aufmerksam wurde, als es zu spät war. Man nannte sie die verlorene Generation.
Christiane F. nahm die No-Future-Bewegung vorweg und inspirierte sie ebenso wie die Forderungen der Punk-Anhänger Jahre später. Es gibt eine Zeit vor Christiane F. und eine danach. Denn das Erscheinen des Buches, das zur Pflichtlektüre an den Schulen wurde, änderte den Umgang mit Drogenabhängigen von Grund auf. Die Geschichte der Christiane F. schreckt ab und fasziniert. Bis heute hat der Text nichts von seiner subversiven Sprengkraft verloren.