Asylunterkünfte gleich wohnung

Hessens Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen. Und das hat gleich mehrere Gründe. So haben beispielsweise die Corona-Maßnahmen Einfluss auf die Unterbringungsform. Es gilt: mehr Platz für weniger Menschen. Aber auch die Zahl derer, die in Deutschland Asyl beantragen, steigt nach Angaben des Landes seit einigen Monaten wieder an. Gleichzeitig können viele Schutzsuchende, deren Antrag abgelehnt wurde, nicht ausreisen. Auch in diesen Fällen lautet die Begründung wie so oft: Corona.

Während sich in den insgesamt zehn Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes die Situation schon seit einigen Wochen wieder zuspitzt, merken die Landkreise und kreisfreien Städte davon bisher noch wenig. Der scheinbare Widerspruch wird durch das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ verursacht: Dieses regelt, dass Flüchtlinge die Einrichtung erst verlassen dürfen, wenn ihr Bleibestatus geprüft wurde und sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Bleibeperspektive erhalten. Der Aufenthalt von Familien kann auf Grundlage des Gesetzes bis zu sechs Monate in einer Erstaufnahmeeinrichtung andauern, allein reisende Männer müssen damit rechnen, bis zu 18 Monate in den Unterkünften bleiben zu müssen, bis sie einer Stadt oder einem Landkreis zugewiesen werden. Ein Überblick über die Lage im Land:

„Suche Wohnung, biete Prämie bei erfolgreicher Vermittlung“: Wie groß die Verzweiflung Wohnungssuchender in Frankfurt ist, wird spätestens bei einem Stopp an einer der vielen Innenstadtampeln deutlich. Zettel mit Telefonnummern hängen da – und an ihnen die Hoffnung derer, die sie angebracht haben. Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft. Flüchtlinge mit Bleibestatus, die versuchen, die Unterkünfte zu verlassen, berichten immer wieder, dass sie kaum Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt hätten. Und auch die Stadt kann ihnen nur selten ein passendes Angebot machen. Denn es kommen nur wenige geeignete Wohnungen auf den Markt.

Unterkünfte schließen

Die Flüchtlinge konkurrieren mit mehr als 20000 Frankfurtern, die ebenfalls das Recht auf eine Sozialwohnung haben. Suche etwa eine Großfamilie nach einer passenden Bleibe, könne es Jahre bis zur erfolgreichen Vermittlung dauern, sagt eine Sprecherin des Sozialdezernats, das noch von Daniela Birkenfeld (CDU) geleitet wird. Die neue Römerkoalition aus SPD, Grünen, Volt und FDP hat zwar angekündigt, Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete nicht mehr als „dauerhafte Lösung“ anbieten zu wollen. Wo aber die Menschen unterkommen sollen, die derzeit in den mehr als 100 Einrichtungen in der Mainmetropole, darunter auch Hotels, leben, darauf gibt es noch keine Antwort. Etwa 4360 Geflüchtete sind aktuell in den Übergangsunterkünften in Frankfurt untergebracht. Jede Woche weist das Land der Stadt acht weitere Flüchtlinge zu. Vor einem Jahr waren es noch elf. Aktuell werde daran gearbeitet, die Unterkünfte zu schließen, in denen die Küche oder die Sanitäranlagen gemeinsam genutzt werden, sagt die Sprecherin.

Auch in Darmstadt, wo derzeit wöchentlich zirka fünf und nicht mehr wie zu Spitzenzeiten bis zu 100 Neuankömmlinge eintreffen, wird die dezentrale Unterbringung priorisiert, da sie beste Chancen für eine gelingende Integration biete. Aktuell könne dieses Angebot 452 Betroffenen gemacht werden, teilt Bürgermeisterin Barbara Akdeniz (Die Grünen) mit. Darüber hinaus seien knapp 950 der insgesamt etwa 1270 Plätze in sechs Erstwohnhäusern belegt. Vor einigen Jahren habe man noch rund 2300 Plätze in acht Flüchtlingsunterkünften vorgehalten.

Überall in Deutschland sind die Asylunterkünfte überbelegt. Manche diskutieren deshalb, Flüchtlinge privat unterzubringen - und einige tun es schon. Wie funktioniert das und was gilt es zu beachten?

  • Flüchtlinge haben bei der Wohnungssuche schlechte Karten
  • Wer einen Flüchtling bei sich einquartiert, bekommt dafür Miete vom Amt
  • Private Unterbringung von Flüchtlingen ist bis jetzt noch selten

Überall in Deutschland sind Flüchtlingsheime überfüllt. An vielen Orten werden Zelte und Container aufgestellt, um Asylbewerber unterzubringen. Aber es geht auch anders. Inzwischen ergreifen Bürger die Initiative, vermieten ihre leerstehenden Wohnungen oder nehmen einen Flüchtling gleich bei sich zu Hause auf. Doch das Prozedere ist nicht ganz einfach. 

Ab wann dürfen Asylbewerber in eine Wohnung umziehen? 

Wer in Deutschland um Asyl bittet, muss in den ersten Wochen - bis maximal drei Monate - in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben. Ab wann jemand in eine Wohnung umziehen darf, hängt vom konkreten Fall ab und ist auch von Land zu Land und Kommune zu Kommune unterschiedlich. Wer mit seinem Asylantrag Erfolg hat, bekommt die Erlaubnis, in eine Wohnung zu ziehen. Auch im laufenden Asylverfahren ist das möglich, hängt aber von den Vorgaben und der Praxis in der jeweiligen Stadt ab.

Ist es schwierig für Flüchtlinge, eine Wohnung zu finden? 

Sehr. Dort, wo der Wohnungsmarkt ohnehin angespannt ist und sich Dutzende Menschen bei Besichtigungen drängeln, haben Flüchtlinge schlechte Karten. Vermieter entscheiden sich dort eher für Leute mit Job, geregeltem Einkommen und sicherem Aufenthaltsstatus. Es gibt aber Anlaufstellen, die Flüchtlinge bei der Wohnungssuche unterstützen - etwa das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk in Berlin.

Dort stehen jeden Tag 30 bis 50 Flüchtlinge Schlange, die auf Hilfe hoffen. Etwa 4000 Menschen sind dort als wohnungssuchend registriert. Die Einrichtung hat pro Jahr aber nur ein paar hundert Wohnungen zu vergeben, darunter auch zunehmend Unterkünfte von privaten Anbietern.

Wie können Privatleute eine Wohnung an Flüchtlinge vermieten? 

Wer dazu bereit ist, kann sich an die zuständige Behörde in seiner Stadt wenden, meist das örtliche Sozialamt. In manchen Städten gibt es aber auch spezielle Einrichtungen, wie eben das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk in Berlin. Der Vermieter muss dort zahlreiche Informationen zur Wohnung angeben und Dokumente vorlegen. Erfüllt die Unterkunft die Vorgaben - etwa bei den Mietkosten - wird ein Besichtigungstermin vereinbart. 

Ist es auch möglich, einen Flüchtling in einem einzelnen Zimmer in der eigenen Wohnung aufzunehmen? 

Ja. Die private Initiative "Flüchtlinge willkommen" etwa hat sich darauf spezialisiert, Schutzsuchende bundesweit in Wohngemeinschaften zu vermitteln. 69 Menschen hat die Gruppe seit dem vergangenen November in WGs untergebracht. Mehrere Hundert Studenten, aber auch Berufstätige, Familien oder Alleinstehende haben ein Zimmer in ihrer Wohnung angeboten.

Die Initiative, die sich überwiegend auf ehrenamtliche Helfer stützt und durch Spenden finanziert, kommt kaum hinterher mit der Arbeit. "Wir gehen auf dem Zahnfleisch", sagt Mitbegründerin Mareike Geiling. Gerade die Vermittlung von einzelnen Zimmern ist sehr aufwendig, weil die Chemie zwischen den künftigen Mitbewohnern stimmen muss. 

Was ist mit der Miete? Bekommen Bürger Geld, wenn sie einen Flüchtling bei sich einquartieren? 

Die Miete zahlt in der Regel das zuständige Amt in der jeweiligen Stadt, ebenso die Heizkosten. Das gilt aber nicht unbegrenzt. Je nach Zahl der Personen gelten Höchstgrenzen für die Größe der Wohnung, die Miet- und Nebenkosten, die die Verwaltung übernimmt. Bei der Initiative "Flüchtlinge willkommen" lassen einige WGs Schutzsuchende aber auch mietfrei bei sich unterkommen.

Oder sie sammeln für die Zimmermiete Geld im Freundeskreis - für jene Fälle, in denen die Behörden die Miete nicht übernehmen. Für andere Dinge wie Lebensmittel oder Kleidung bekommen Flüchtlinge ohnehin Geld vom Amt, solange sie keinen Job haben.

Wie häufig werden Flüchtlinge privat untergebracht? 

Bundesweite Zahlen gibt es nicht. Hilfsorganisationen und Flüchtlingsverbänden zufolge ist die private Unterbringung aber noch relativ selten. Beim Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk in Berlin etwa wurden im ersten Halbjahr gut 70 private Wohnungen an Flüchtlinge vermittelt. Einige Vermieter zögen ihr Angebot nach genaueren Nachfragen wieder zurück, etwa weil ihnen die Kostenerstattung zu niedrig sei, erzählt eine Mitarbeiterin.

"Viele finden den Ablauf auch zu kompliziert." Die Vermittlung von einzelnen Zimmern hat die Einrichtung eingestellt - wegen des großen Aufwands. Dieser macht auch den Machern von "Flüchtlinge willkommen" zu schaffen. Sie würden sich bei dem Thema mehr staatliches Engagement wünschen. Auch Andrea Kothen von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl meint: "Die Städte spielen da unterschiedlich gut mit und könnten deutlich mehr machen."

Faktencheck im Video: Per Gesetz geregelt: Das steht Flüchtlingen in Deutschland zu

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