Ist der Weg von der Baustelle zur Firma Arbeitszeit

Lange Wege von der Firma zum Einsatzort kosten Zeit. Zeit, für die Arbeitnehmer bezahlt werden müssen, wenn es in der Branche keine Sonderregelungen gibt, sagt Arbeitsrechtsexperte Torsten Reinprecht.

Meinhard B., Ziesar: Von meinem Wohnort bis zur Firma beträgt eine einfache Fahrt täglich 43 Kilometer (40 Minuten). Sodann fahre ich mit einem Dienstwagen bis zu zwei Stunden an den mir angegebenen Arbeitsort (Baustelle) und auch wieder zurück. Vergütet werden mir jedoch lediglich die reinen Arbeitsstunden (8,25 Stunden). Die Fahrtzeit zur Baustelle und zurück nicht, auch nicht durch Auslöse oder Ähnliches. Somit bin ich täglich etwa zwölf Stunden, ohne meine Fahrt von der Wohnung zur Firma, unterwegs. Bin ich verpflichtet, ohne Lohn diese Fahrtzeit dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen? Und muss ich bis zu zwölf Stunden tätig sein?

Torsten Reinprecht: Die Beantwortung der Frage, ob Fahrzeit als Arbeitszeit zählt, hat nicht nur Einfluss auf die Höhe der Vergütung. Sie ist auch vor dem Hintergrund des Arbeitsschutzes, insbesondere des Arbeitszeitgesetzes interessant. Allerdings ist zu beachten, dass in vielen Branchen Tarifverträge gelten, die eigene Regelungen zu diesen Fragen treffen.

Vorliegend soll davon ausgegangen werden, dass weder ein Tarifvertrag noch eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema existiert. Das Bundesarbeitsgericht hat zu der Frage der Vergütung entschieden, dass Fahrten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle vergütungspflichtige Arbeit sind.

Begründet wird dies damit, dass die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste anknüpft. Dadurch, dass der Arbeitgeber solche Fahrten anordnet, macht er sie zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Etwas problematisch kann es bei der Frage werden, in welcher Höhe die Vergütung zu zahlen ist. In Ermangelung anderer tarifvertraglicher oder arbeitsvertraglicher Regelungen könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass hierfür der übliche Stundenlohn maßgeblich ist.

Unabhängig davon ist allerdings zu beachten, dass die sogenannten Wegezeiten für die Fahrt vom Betriebssitz zu einer auswärtigen Arbeitsstätte arbeitszeitschutzrechtlich der Arbeitszeit zugerechnet werden. Das Arbeitszeitgesetz regelt in § 3, dass die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf.

Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Dem geschilderten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass inklusive der Fahrzeit regelmäßig eine Arbeitszeit von zwölf Stunden täglich anfällt. Dies dürfte unzulässig sein. Hier empfiehlt es sich, den konkreten Sachverhalt, auch unter Berücksichtigung etwaiger Tarifverträge, anwaltlich überprüfen zu lassen.

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Schickt der Chef seine Leute auf Montage in eine andere Stadt, muss er die Fahrzeit wie Arbeitszeit bezahlen. Er kann sich nicht auf einen Tarifvertrag berufen, der unklar formuliert ist.

Ordnet der Arbeitgeber an, dass ein Mitarbeiter zu einer auswärtigen Arbeitsstelle fährt, muss er die Fahrzeit mit demselben Stundensatz entlohnen wie die Arbeitszeit. Der Tarifvertrag der elektrotechnischen Handwerke in Nordrhein-Westfalen ist unklar formuliert und daher auf Fahrzeiten zwischen zwei Arbeitsplätzen nicht anwendbar. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Der Fall: Der Elektriker ist für seinen Arbeitgeber auf wechselnden Baustellen unterwegs. Jeden Morgen fährt er zum Betrieb, nimmt an einer Einsatzbesprechung teil und fährt danach einen Hubsteiger zur ersten Baustelle. Dort nimmt er Reparaturen vor und anschließend fährt er zur nächsten Baustelle. Am Ende des Arbeitstags bringt er den Hubsteiger zurück zum Betrieb.

Für das Unternehmen gilt das "Entgeltrahmenabkommen der elektrotechnischen Handwerke in NRW" (ERA). Der Arbeitgeber bezahlte für die Arbeit auf den Baustellen und die Fahrten dazwischen den Tariflohn von 14,64 Euro. Für Fahrten vom Betrieb zur ersten Baustelle und von der letzten Baustelle zurück zum Betrieb zahlte er hingegen nur 7,75 Euro brutto pro Stunde als "Aufwandsentschädigung nach § 5 ERA" laut Tarifvertrag. Der Mitarbeiter verlangte auch für diese Zeiten den vollen Tariflohn und klagte.

Das Urteil: Der Chef muss für die Fahrten den vollen Stundenlohn zahlen. Er kann sich nicht auf den Tarifvertrag berufen.

Arbeits- oder Tarifvertrag könnten zwar grundsätzlich Sonderregelungen für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle treffen, erklärte das Gericht. Das sei hier aber nicht der Fall. Der Wortlaut des Tarifvertrags sei nicht eindeutig. Die vom Arbeitgeber verwendete Aufwandsentschädigung des Paragrafen 5 ERA sei auf die Fahrten des Elektrikers daher nicht anwendbar.

Die Fahrzeiten seien also tariflichen Arbeitszeit des Elektrikers und entsprechend zu entlohnen. Der Arbeitgeber musste den restlichen Tariflohn nachzahlen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Oktober 2016, Az. 5 AZR 226/16

Text: / handwerksblatt.de

Wann gilt Fahrzeit als Arbeitszeit Baustelle?

Wann gilt Fahrzeit als Arbeitszeit? Laut einer Entscheidung des EuGH gilt Fahrzeit dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer keinen festen Arbeitsort hat und ständig von Kunde zu Kunde oder von Einsatzort zu Einsatzort fahren muss. Dies betrifft vor allem Bauarbeiter, Handwerker und Mitarbeiter im Außendienst.

Wo beginnt und endet die Arbeitszeit im Baugewerbe?

Generell gilt: Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle. Richtig ist aber auch, dass das für die meisten Arbeitnehmer im Baugewerbe nicht der Firmensitz, sondern die Baustelle ist. Ihre Arbeitszeit beginnt und endet daher grundsätzlich mit dem Antritt und dem Verlassen der Baustelle.

Wird die Anfahrt zur Baustelle bezahlt?

Wegezeiten von der Betriebsstätte zur Baustelle und zurück: beispielsweise bei Mitnahme auf Weisung des Arbeitgebers gelten als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG mit Vergütungsanspruch, ggf. auch für Wegekosten wie Wegekostenerstattung in Berlin nach § 7 Nr. 5 im BRTV-Baugewerbe.

Wer zahlt Weg zur Baustelle?

Das Urteil: Der Chef muss für die Fahrten den vollen Stundenlohn zahlen. Er kann sich nicht auf den Tarifvertrag berufen. Arbeits- oder Tarifvertrag könnten zwar grundsätzlich Sonderregelungen für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle treffen, erklärte das Gericht.

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