Krankenversicherungspflicht
Weshalb sich jeder krankenversichern muss
Julia Rieder
Finanztip-Expertin für Versicherungen
Aktualisiert am 02. Dezember 2021
Das Wichtigste in Kürze
- Arbeitnehmer, die im Jahr weniger als 64.350 Euro brutto verdienen (Stand: 2021 und 2022), müssen in eine gesetzliche Krankenkasse. Diese Gehaltsgrenze steigt jedes Jahr.
- Verdienst Du mehr oder bist aus einem anderen Grund nicht pflichtversichert, musst Du Dich freiwillig gesetzlich versichern oder in die private Krankenversicherung.
- In einigen Fällen kannst Du Dich von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen und in die private Krankenversicherung gehen, obwohl Du wenig verdienst. Diese Entscheidung lässt sich nicht immer rückgängig machen und sollte gut überlegt sein.
So gehst Du vor
- Prüfe, welches System für Dich am besten geeignet ist. Eine Entscheidungshilfe findest Du in unserem Ratgeber Gesetzliche oder private Krankenversicherung?
- Vergleiche Preis und Leistungen, um die passende gesetzliche oder private Krankenversicherung zu finden.
- In unserem Krankenkassenvergleich im Jahr 2022 haben HKK, IKK Classic, Big direkt gesund, BKK VBU und Energie-BKK am besten abgeschnitten.
In Deutschland muss jeder eine Krankenversicherung haben. Je nachdem, welche Voraussetzungen Du erfüllst, bist Du pflichtversichert in einer gesetzlichen Krankenkasse, musst Dich freiwillig gesetzlich versichern oder wählst eine private Krankenversicherung. Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse können ihre Kinder und Ehegatten oder Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in vielen Fällen kostenfrei mitversichern.
Für wen gilt die Krankenversicherungspflicht?
Pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer, deren Bruttolohn die aktuell geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze (Versicherungspflichtgrenze) nicht übersteigt. Für die Jahre 2021 und 2022 beträgt diese 64.350 Euro oder 5.362,50 Euro pro Monat. Dazu zählen neben dem laufenden monatlichen Gehalt auch regelmäßige jährliche Zahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
Diese Gehaltsgrenze hebt der Gesetzgeber regelmäßig zum Jahreswechsel an. Fällt das regelmäßige Einkommen eines Arbeitnehmers dadurch unter die Grenze, wird er oder sie krankenversicherungspflichtig. Keine Auswirkungen auf die Versicherungspflicht hat es, wenn das Einkommen aufgrund von Kurzarbeit oder einer Wiedereingliederung nur vorübergehend unter dieser Grenze liegt.
Wenn Du als Privatversicherter unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze fällst, hast Du ein Sonderkündigungsrecht. Auf diesem Wege kannst Du in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzukehren. Allerdings kannst Du Dich auch von der Versicherungspflicht befreien lassen, um privat versichert zu bleiben.
Geregelt ist die Versicherungspflicht im Sozialgesetzbuch (§ 5 SGB V). Neben Arbeitnehmern sind folgende weitere Personen verpflichtet, sich gesetzlich zu versichern:
- Auszubildende, Studierende und Praktikanten, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten;
- Rentnerinnen und Rentner, sofern sie lange genug gesetzlich versichert waren;
- Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Bezieher von Arbeitslosengeld II;
- land- und forstwirtschaftliche Unternehmer und ihre mitarbeitenden Familienangehörigen in der Landwirtschaft sowie Altenteiler, die ihren Betrieb an die nächste Generation übergeben haben und von dieser zum Beispiel Unterhaltsleistung erhalten;
- Künstler und Publizisten;
- Menschen ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, sofern sie zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sind.
Ausnahmen von der Versicherungspflicht
Nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sind Menschen, die hauptberuflich selbstständig beziehungsweise freiberuflich erwerbstätig sind sowie Beamte, Richter und Zeitsoldaten. Außerdem endet die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse für Angestellte, wenn ihr Jahresbruttoeinkommen die jeweils geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitet.
Sobald Du versicherungspflichtig wirst
Wirst Du als Arbeitnehmer versicherungspflichtig, musst Du Dich innerhalb von zwei Wochen für eine Krankenkasse entscheiden. Nach Ablauf der Frist kann der Arbeitgeber Dich bei einer Krankenkasse seiner Wahl anmelden.
Jeder kann frei wählen, bei welcher gesetzlichen Krankenkasse er Mitglied wird. Da sich die Krankenkassen im Beitrag und den angebotenen Zusatzleistungen unterscheiden, lohnt sich ein Vergleich.
Wer kann sich freiwillig gesetzlich versichern?
Bist Du nicht oder nicht mehr versicherungspflichtig, musst Du Dich entweder freiwillig gesetzlich versichern oder einer privaten Krankenversicherung (PKV) beitreten. Dabei gilt: Niemand, der zuvor in einer gesetzlichen Krankenkasse war, muss diese verlassen. Insbesondere Existenzgründer müssen keineswegs in die PKV eintreten, sondern können und sollten sich in der Regel freiwillig gesetzlich versichern.
Sobald Angestellte, die freiwillig versichert waren, in Rente gehen, sind sie entweder pflichtversichert in der
Krankenversicherung der Rentner oder müssen sich weiterhin freiwillig versichern. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner hat den Vorteil, dass weniger Beiträge fällig werden.
Wer kann sich von der Versicherungspflicht befreien lassen?
Auch falls Du eigentlich versicherungspflichtig bist, musst Du nicht immer in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben. In einigen Fällen (§ 8 SGB V) kannst Du Dich von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen und Dich privat versichern. Das gilt zum Beispiel bei folgenden Ereignissen:
- Nach der Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze durch den Gesetzgeber liegt Dein Einkommen nun unter der Grenze;
- Du wirst arbeitslos und warst in den fünf Jahren zuvor nicht gesetzlich versichert;
- Du bist während der Elternzeit nicht voll erwerbstätig. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Du maximal 30 Stunden pro Woche arbeitest;
- Du hast Deine Arbeitszeit reduziert, um einen Familienangehörigen zu pflegen;
- Du verringerst Deine Arbeitszeit auf maximal 50 Prozent, nachdem Dein regelmäßiges Einkommen in den fünf Jahren zuvor über der Jahresarbeitsentgeltgrenze lag;
- Du gehst in Rente und wirst versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner;
- Du machst eine von der Rentenversicherung geförderte Umschulung oder Weiterbildung;
- Du beginnst ein Studium oder absolvierst eine berufspraktische Tätigkeit wie ein Praktikum;
- Du bist Arzt im Praktikum;
- Du arbeitest in einer Einrichtung für behinderte Menschen.
Überlege genau
Hast Du Dich von der Krankenversicherungspflicht befreien lassen, ist das nicht ohne Weiteres umkehrbar. Du solltest Dir daher gut überlegen, ob dies für Dich sinnvoll ist.
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2011 (Az. B 12 KR 9/09 R) wirkt die Befreiung so lange, wie die Beschäftigung ausgeübt wird, für die ein Arbeitnehmer sich befreien lassen hat. Erst wenn die Krankenversicherungspflicht wegen eines anderen Grundes wieder eintritt, ist eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung möglich. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein befreiter Arbeitnehmer für mindestens einen Monat arbeitslos wird. Er oder sie kann dann auch in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben, wenn das Einkommen wieder über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt.
Automatisch wieder versicherungspflichtig werden Personen, die während der Elternzeit nicht voll erwerbstätig sind oder ihre Arbeitszeit reduzieren, um einen Angehörigen zu pflegen. Studenten haben nach dem Studium in den meisten Fällen erneut die Wahl, ob sie sich privat oder gesetzlich versichern möchten. Wer allerdings als Student privat versichert war und sich nach dem Studium selbstständig macht, kann nicht in die Gesetzliche wechseln.
Rentner, die sich von der Versicherungspflicht befreien lassen, können für den Rest ihres Lebens nicht mehr zurück in die gesetzliche Krankenversicherung.
Bevor Du Dich gegen die Pflichtversicherung und für eine private Krankenversicherung entscheidest, solltest Du Dir eine wichtige Frage stellen: Werde ich mir die Beiträge der privaten Krankenversicherung im Alter noch leisten können?
Für junge Versicherte sind die Beiträge in der privaten Krankenversicherung zwar oft günstiger als in der gesetzlichen. Allerdings bleibt das nicht lange so: Je älter Du wirst, desto teurer wird Dein Beitrag. Das liegt daran, dass Du in der Privatversicherung für Dein individuelles Risiko zahlst, während die gesetzlichen Krankenkassen als Solidarsystem organisiert sind. Deshalb zahlen gesetzlich Versicherte in jungen Jahren vergleichsweise viel, während sie im Alter relativ niedrige Beiträge haben.
Was Du außerdem vor der Entscheidung für eine private Krankenversicherung beachten solltest, liest Du in unserem Ratgeber zum Wechsel in die PKV.
Hermann-Josef Tenhagen
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Wie lässt Du Dich befreien?
Du musst einen Antrag bei einer gesetzlichen Krankenkasse stellen, um Dich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen. Den Antrag kannst Du bei den Kassen meist online oder telefonisch anfordern.
Wenn Du den Antrag bereits vor Beginn der Versicherungspflicht stellst, kannst Du dies bei jeder beliebigen Krankenkasse tun. Bedenke allerdings, dass Du auch bei dieser Kasse versichert wirst, falls Dein Antrag auf Befreiung abgelehnt wird. Bist Du bereits gesetzlich versichert, ist Deine bisherige Krankenkasse der richtige Ansprechpartner.
Der Antrag muss zwingend innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht eingehen. So gilt zum Beispiel für einen bisher privat versicherten Arbeitnehmer, dessen Einkommen aufgrund einer Erhöhung der Jahresentgeltgrenze zum Jahreswechsel künftig unter dieser Grenze liegt: Er oder sie muss den Antrag bis spätestens 31. März stellen, weil die Versicherungspflicht zum 1. Januar eingetreten ist.
Der Antrag wird nur genehmigt, sofern Du nachweist, dass Du anderweitig abgesichert bist. Das ist der Fall, wenn Du Dich privat versicherst oder Anspruch auf Beihilfe beziehungsweise freie Heilfürsorge hast.
Sofern Du noch keine Leistungen der gesetzlichen Kasse in Anspruch genommen hast, gilt die Befreiung ab dem Tag, an dem Du versicherungspflichtig geworden bist. Ansonsten erst ab dem Monat, nachdem Du den Antrag gestellt hast.
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