Ab wann spricht man von long covid

Viruserkrankungen können tückisch sein. Mitunter leiden Betroffene noch lange nach einer überstandenen Infektion unter Symptomen. Langzeitfolgen sind auch von anderen Infektionskrankheiten bekannt (Spanische Grippe, MERS, SARS), jedoch lassen aktuelle Studien vermuten, dass Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion häufiger und länger auftreten als beispielsweise nach einer Influenza-Infektion. Das Coronavirus gilt als Multiorganvirus, das neben der Lunge auch in zahlreichen anderen Organen auftritt, etwa in Niere, Herz, Leber oder Gehirn.  

Von Atemnot bis Fatigue: Mögliche Long-COVID-Symptome 

Die durch Corona ausgelöste COVID-19-Erkrankung und die in Zusammenhang mit Infektion oder Erkrankung beobachteten, länger bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden aktuell intensiv erforscht. 

Im Oktober 2021 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine erste Fallbeschreibung (auf Englisch) von Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung (Post-COVID-19) veröffentlicht. Zudem haben 16 medizinische Fachgesellschaften unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) eine Leitlinie zu Long- und Post-COVID für medizinisches Fachpersonal erstellt. Auf Basis dessen wurde eine Patientenleitlinie entwickelt, die häufige Symptome von Long- und Post-COVID beschreibt und erklärt, wie Betroffene sich verhalten können – wenngleich laut Autorinnen und Autoren in diesem Zusammenhang vieles noch unbekannt ist.

Patientenleitlinie der DGP

Manche Infizierte spüren wenig bis gar nichts von ihrer Corona-Infektion. Bei einem milden Krankheitsverlauf kann die COVID-19-Erkrankung etwa zwei bis drei Wochen anhalten. Die Dauer der Erkrankung variiert stark von Mensch zu Mensch und wird beispielsweise auch davon beeinflusst, ob bereits eine COVID-19-Impfung verabreicht wurde. Für die akute Krankheitsphase wird mit maximal vier Wochen gerechnet. Bei schweren Verläufen kann die akute Krankheitsphase doppelt so lang anhalten. Nach Intensivbehandlungen lassen sich häufig organspezifische Langzeitfolgen beobachten. Auch weniger schwer Erkrankte können über die akute Krankheitsphase hinaus gesundheitliche Symptome haben oder auch neu entwickeln. Nach aktuellen Leitlinien wird je nach Zeitraum, in dem die Beschwerden bestehen, von „Long-COVID“ oder „Post-COVID“ gesprochen:

  • „Long-COVID“: Die Symptome nach einer Infektion oder Erkrankung sind auch nach mehr als vier Wochen noch nicht abgeklungen.
  • oder von „Post-COVID-19-Syndrom“: Mehr als zwölf Wochen nach der Infektion oder Erkrankung bestehen noch immer anderweitig nicht erklärbare Symptome oder es treten neue auf.

Oftmals stehen hinsichtlich ihrer Ursachen unspezifische Beschwerden wie ständige Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit und Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen („Gehirnnebel“) im Vordergrund. Weitere häufige Symptome sind: Husten, Brustschmerz, Muskelschmerzen, psychische Störungen wie Depressionen oder Angststörungen, Riech- und Schmeckstörungen, Schlafstörungen, Sprachstörungen und Fieber. Auch Organschäden – etwa an Herz, Lunge, Niere und Gehirn – sind bei leichten Krankheitsverläufen möglich, zeigt eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Zudem kann der Verlust des Geschmacks- und Geruchsinns – ein typisches Symptom einer COVID-19-Erkrankung – noch lange nach der Genesung anhalten, wie dieser Beitrag zeigt. Entsprechend umfassen die nach der akuten Krankheitsphase beobachteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen sehr unterschiedliche Symptome. Verlässliche, repräsentative Daten zum Anteil der Erkrankten mit Langzeitfolgen liegen noch nicht vor. Bis zu 15 Prozent aller Erkrankten haben mit Long-COVID und zwei Prozent mit Post-COVID zu kämpfen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).

Fatigue – die schleichende Erschöpfung

Als Fatigue bezeichnet man eine schnelle und schwerwiegende Erschöpfbarkeit. Fatigue tritt nicht selten als eine Begleiterscheinung chronischer Erkrankungen wie Krebs oder Rheuma auf. Auch nach Virusinfektionen wie COVID-19 kann Fatigue auftreten. Die Ursachen sind noch nicht eingehend erforscht. Oft ist nicht das Virus selbst, sondern das Immunsystem, das nach der Infektion noch nicht wieder zur Ruhe gekommen ist, dafür verantwortlich, heißt es auf der Website des Charité Fatigue Centrums der Berliner Charité zur Post-COVID-Fatigue.

Besondere Risikofaktoren für Long-COVID

Hinsichtlich der Risikofaktoren deutet sich an, dass chronische und psychische Vorerkrankungen und ein schwerer COVID-19-Krankheitsverlauf die Entstehung von Long-COVID begünstigen. Auch tritt Long-COVID offenbar besonders im jungen bis mittleren Erwachsenenalter und bei sozial benachteiligten Menschen auf. Frauen scheinen insgesamt häufiger an Long-COVID zu erkranken als Männer. Als weitere Risikofaktoren gelten eine frühere Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus und ein bereits bestehender Diabetes mellitus. Auch wer in Gesundheitsberufen arbeitet, scheint ein berufsbedingt erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und somit auch für eine Long-COVID-Erkrankung zu haben. Den Erfahrungsbericht aus Deutschland über eine langwierige Genesung finden Sie in diesem Beitrag.

Dr. Jördis Frommhold über Long-COVID

Studie: Corona-Schutzimpfung kann auch vor Langzeitfolgen schützen

Die im Fachblatt „The Lancet Infectious Diseases“ erschienene „Zoe COVID Study“ legt nahe, dass vollständig Geimpfte nicht nur vor schweren Krankheitsverläufen, sondern im Fall einer Infektion nach Impfung auch vor Langzeitfolgen einer COVID-19-Infektion geschützt sind.

Studie: Auch nachträgliche Impfung kann Langzeitfolgen mildern

Laut einer 15 Studien zusammenfassenden Metastudie der britischen Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (Englisch) ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer Coronavirus-Infektion an Long-COVID zu erkranken, bei geimpften Personen geringer als bei ungeimpften. Dies gelte auch noch sechs Monate nach der Impfung. Zudem hätten sich Hinweise darauf ergeben, dass auch ungeimpfte Personen von einer Impfung profitierten, die in Folge einer Infektion unter Long-COVID litten und sich erst nachträglich impfen ließen: Im Durchschnitt wiesen sie geringere und weniger starke Long-COVID-Symptome auf als diejenigen, die ungeimpft blieben.

Kinder und Long-COVID – erste Ergebnisse

Long-COVID kann es auch bei Kindern und Jugendlichen geben. Unklar ist allerdings noch, wie häufig und wie stark sie betroffen sind. Die Studienergebnisse hierzu sind teils widersprüchlich. 

Dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte zufolge legen erste Studienergebnisse nahe, dass Kinder mit schwerem Verlauf an anhaltenden Symptomen wie Abgeschlagenheit, Konzentrationsproblemen oder Muskelschmerzen leiden können. In einem Artikel der Fachzeitschrift „Nature“ heißt es beispielsweise, dass laut Statistiken aus England rund zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen bis 16 Jahren fünf Wochen nach der COVID-19-Diagnose noch mindestens ein Symptom der Erkrankung hatten. Daten aus Russland zeigten, dass jedes vierte im Krankenhaus behandelte Kind fünf Monate nach der Entlassung noch Symptome hatte. 

Mehrere größere Studien, unter anderem eine Untersuchung der Dresdner Universitäts-Kinderklinik, die verschiedene Beschwerden bei Kindern mit und ohne SARS-CoV-2-Infektion vergleichen, lassen jedoch vermuten, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen von Kindern bestehen. Eine Schlussfolgerung könnte sein, dass als Ursache neben dem Virus selbst vor allem auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie (wie geschlossene Schulen und Kontaktbeschränkungen) bei Kindern eine Rolle spielen und im Zusammenhang mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen stehen. 

Insgesamt sind noch viele Fragen hinsichtlich der Verbreitung und Behandlung von Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen offen. Mehrere Forschungsprojekte, darunter das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte „LongCOCid“-Projekt der Universitätsmedizinen Magdeburg, Jena und Ilmenau, versuchen, Antworten zu finden. „LongCOCid“ beispielsweise geht der Frage nach, ob Kinder und Jugendliche nach einer Long-COVID-Erkrankung besonders gefährdet sind, Allergien und Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. Weitere Informationen dazu finden Sie auch hier.

Long-COVID-Versorgung: von Hausarztpraxis bis Selbsthilfegruppe

Viele Aspekte hinsichtlich der Spätsymptome von COVID-19 und bleibender Schäden sind noch nicht geklärt. Gleichzeitig werden Vorkehrungen getroffen, um Betroffenen zu helfen und weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Erste Anlaufstellen für Patientinnen und Patienten mit Long-COVID sind in der Regel Hausärztinnen und Hausärzte. Häufig bilden sie gemeinsam mit niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten gute Netzwerke und können somit eine interdisziplinäre, ambulante Versorgung gewährleisten. In einigen Regionen bestehen zudem bereits haus- und fachärztliche COVID-Schwerpunktpraxen, die ebenfalls als Anlaufpunkte für die Patientinnen und Patienten genutzt werden können. 

Darüber hinaus haben insbesondere einige Universitätskliniken bereits Long-COVID-Ambulanzen eingerichtet, die sich um Patientinnen und Patienten mit Langzeitfolgen kümmern. 

Eine ursächliche Therapie von Long- oder Post-COVID gibt es noch nicht. Die Behandlung erfolgt derzeit symptomorientiert. Daher kommt der Rehabilitation bei Long-COVID eine besondere Rolle zu. Da meist mehrere Organsysteme betroffen sind, werden häufig auch mehrere medizinische Fachdisziplinen in die Behandlung eingebunden, vor allem die Allgemeinmedizin, Pädiatrie und Lungenheilkunde, Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie sowie Psychotherapie. Einen Überblick über Rehakliniken mit einem Angebot zu Long- oder Post-COVID bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation. Zudem bietet die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Broschürean, um die Rehabilitation und Nachbehandlung von Long-COVID zu unterstützen. 

Es gibt auch Selbsthilfegruppen. Einen ersten Überblick über Initiativen listet die Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen. 

Long-COVID Infoportal

Auf der Long-COVID-Informationsseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erfahren Sie mehr über den aktuellen Wissensstand zu Long-COVID. Außerdem finden Sie auf der Seite Anlaufstellen für vertiefende Informationen und Hilfsangebote.