Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben bedeutung

Biografie: Dame Cicely Mary Strode Saunders, OM, DBE war eine englische Ärztin, Sozialarbeiterin und Krankenschwester. Neben Elisabeth Kübler-Ross gilt sie als Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin.

(Zitat Cicely Saunders, geb. 1918, Begründerin der modernen Palliativmedizin)

Palliativmedizin ist nach den Definitionen der Weltgesundheitsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin „die aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer progredienten (voranschreitenden), weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht und die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden, psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen höchste Priorität besitzt“.

Ziel der Palliativmedizin: Lebensqualität
Die klassische Medizin verfolgt das Ziel, den Patienten von seinen Krankheiten zu heilen. Die Palliativmedizin kommt ins Spiel, wenn die Mittel dieser klassischen Medizin nicht ausreichen. Sie legt den Fokus weg von der Behandlung und will unheilbar Kranke stattdessen dabei unterstützen, ihre letzten Monate, Wochen und Tage mit einer möglichst hohen Lebensqualität zu erleben, selbstbestimmt und ohne unnötiges Leid.

Nicht das technisch Machbare steht im Vordergrund, sondern das, was der Patient will. So werden beispielsweise das Für und Wider einer Operation besprochen und es wird überlegt, ob ein solcher Eingriff überhaupt sinnvoll ist. So verlängert eine aggressive Chemotherapie möglicherweise das Leben nur kaum, verursacht aber weitere Leiden. Das ist allerdings nicht mit aktiver Sterbehilfe zu verwechseln. Diese lehnt die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin ab.

Psychischer und geistiger Beistand
Mit der Behandlung der körperlichen Beschwerden allein ist es aber nicht getan. Das Wissen um den nahenden Tod stellt eine psychische Belastung für die Betroffenen dar, die zu einer Depression führen kann. Im Bedarfsfall werden die Schwerkranken hierdurch begleitet, z. B., wenn Patienten ihre letzten Dinge in Ordnung bringen wollen, bei Rechtsfragen, beim Erstellen von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten sowie bei der Organisation von weiteren anstehenden Angelegenheiten.

Für weitere Informationen zur Palliativmedizin stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung!

Berlin

Palliativmedizin: Den Tagen mehr Leben geben

26.08.2017, 03:01 | Lesedauer: 6 Minuten

Spezialisten behandeln Schwerstkranke, um ihnen ein selbstbestimmtes Leben bis zum Tod zu ermöglichen. Ambulante Versorgung wird ausgebaut

Berlin. Die Angst vor dem Tod rückt ganz nah, wenn wir das Wort Palliativmedizin hören. Viele Ärzte sehen das allerdings ganz anders. Denn selbst wenn eine Krankheit nicht mehr geheilt werden kann, gebe es viele Möglichkeiten, „den Tagen mehr Leben zu geben“ – mit neuen, gezielten Therapien und einem Netzwerk, das Kranke auch zu Hause auffängt. Die ambulante Palliativversorgung durch Haus- und Fachärzte wird derzeit ausgebaut.

Regina M. (Name geändert) ist Mitte 70 und weiß seit fünf Jahren, dass sie krebskrank ist. Bei einer Routineuntersuchung hat ihre Frauenärztin einen Tumor im unteren Bauch festgestellt, seitdem lebt sie mit der Krankheit. Verschiedene Therapien halten immer wieder auftauchende Metastasen (Tochtergeschwulste) in Schach. Noch immer fährt sie Rad und verreist mit ihrem Lebensgefährten ans Meer.

„Wir kennen viele Patienten in einer solchen Situation – heilen können wir sie nicht mehr, aber sie leben noch mehrere Jahre gut, weil wir ihnen heute zum Beispiel mit einer hochpräzisen Bestrahlung helfen können. Das war vor 15 Jahren nicht möglich“, sagt Professor Stephanie E. Combs, Palliativmedizinerin und Direktorin der Klinik und Poliklinik für Radio-Onkologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum der Technischen Universität München (TUM).

Ärzte mehrerer Disziplinen arbeiten Hand in Hand

Die Expertin sieht „palliative Versorgung“ als dehnbaren Begriff. Er bedeute vor allem, dass Schmerzen und andere Symptome, auch seelische Nöte bei Schwerkranken, gelindert werden. Bei der Behandlung arbeiten Ärzte verschiedener Disziplinen in spezialisierten Zentren Hand in Hand: Wenn der Chirurg Tumore nicht mehr allein mit Operationen unter Kontrolle bringen kann, kann die Radio-Onkologin mit neuen Mitteln helfen: etwa der sogenannten stereotaktischen Strahlentherapie.

Dabei werden Metastasen und damit Bestrahlungspunkte – etwa im Gehirn, in der Leber oder in den Knochen – mit hochauflösender Bildgebung wie einer Magnetresonanztomografie festgestellt – und dann in wenigen Sitzungen über ein bis fünf Tage gezielt ambulant bestrahlt. „So können wir jetzt zum Beispiel bei Menschen mit Hirntumoren verhindern, dass ihre Haare flächendeckend ausfallen oder die Merkfähigkeit angegriffen wird. Das sind häufige Folgen, wenn wie bisher das gesamte Hirn bestrahlt wird“, erklärt Stephanie Combs. Zwei amerikanische Studien belegen laut der Deutschen Gesellschaft für Radio-Onkologie (DEGRO), dass Patienten durch gezielte Bestrahlung weniger kognitive Einschränkungen haben. Stattdessen könne man effektiv gegen Schmerzen vorgehen, die sonst entstehen, weil Metastasen den Hirndruck erhöhen oder dafür sorgen, dass Knochen brechen.

„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“ – dieser Ausspruch von Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, bestimmt die Arbeit von Claudius Löns. Löns arbeitet seit fast 25 Jahren als Hausarzt und Palliativmediziner in Düsseldorf als Teil eines multiprofessionellen Palliative-Care-Teams (PCV), wie es sie mittlerweile in allen Teilen Deutschlands gibt. Dazu gehören neben dem Hausarzt von Patienten wie Regina M. auch ausgebildete Pflegende in spezialisierten Pflegediensten, ambulante Hospizdienste, Seelsorger, Sozialberatungen und Apotheken.

„Von der Arbeit eines solchen Netzwerks profitieren vor allem Menschen, die unter zunehmenden Beschwerden durch ihre Erkrankung leiden. Oft ziehen sich diese Menschen zurück, werden körperlich schwächer, leiden unter Schmerzen, Übelkeit, Atemnot oder anderen belastenden Symptomen“, sagt Löns und betont: „Je früher durch den Hausarzt oder einen anderen Behandler ein Palliativmediziner zur Beratung angefordert wird, desto mehr Energie für ein selbstbestimmtes Leben kann durch die Linderung quälender Symptome bewahrt werden.“ Palliativmediziner haben ein anderes ärztliches Verständnis: „Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam und auf Augenhöhe mit dem Patienten zu klären: Worunter leidet er am meisten? Damit wir schnell etwas daran ändern können und dadurch das Vertrauen des Menschen gewinnen“, erklärt Claudius Löns.

Ein Palliativmediziner hat inzwischen ein ganzes Arsenal von Möglichkeiten, Symptome effektiv in den Griff zu bekommen: kombinierte Medikamente gegen Übelkeit und moderne Schmerzmittel; Psychopharmaka, die nicht nur die Stimmung aufhellen, sondern, ein erst kürzlich entdeckter Nebeneffekt, auch den Appetit anregen. „Hoch dosiertes Cortison spielt für uns ebenfalls eine besondere Rolle. Es kann etwa Schwellungen durch Metastasen an Knochen oder im Gehirn reduzieren und damit Schmerzen und andere Beschwerden lindern. Auch der Appetit wird dadurch in der Regel gesteigert“, sagt Palliativspezialist Löns.

Mit Fingerspitzengefühl gilt es für ihn und seine Kollegen außerdem herauszufinden, ob der Patient Bedürfnisse hat, die andere Ansprechpartner im Team erfüllen können: So kann der ambulante Hospizverein bei Krisen des Patienten oder der Betreuenden eingreifen und Belastungen auf mehrere Schultern verteilen. Psychotherapeuten helfen bei Ängsten oder Depressionen, Physiotherapeuten können mit Krankengymnastik Schmerzen nehmen und Pflegekräfte zeigen Angehörigen, wie sie mit der Schnabeltasse umgehen sowie andere hilfreiche Handgriffe.

„Die Umgebung braucht oft mehr Zuwendung als der Patient selbst“, meint Claudius Löns. Er bringt Ehepartnern oder Kindern bei, wie sie dem Kranken etwa eine Spritze setzen oder ihn mithilfe eines Nasensprays beruhigen können. „Wenn das Leben sich dann dem Ende zuneigt, sprechen wir über die Symptome des nahenden Todes wie den ‚brodelnden Atem‘, dessen Ursache wir nicht kennen.“

Dann geht es darum, Szenarien für die letzte Zeit zu entwerfen – wie zum Beispiel die palliative Sedierung, bei der man quasi in den Tod hineinschläft. „Die Menschen sind beruhigt, wenn sie wissen, dass ihnen diese Möglichkeit offensteht. Diese letztmögliche Option der Linderung unerträglicher Beschwerden wird jedoch nur von drei bis fünf Prozent der palliativ umsorgten Patienten eingefordert. Es geht halt ums Leben! Leben in der Nähe des Todes“, sagt Palliativmediziner Claudius Löns.

Was bedeutet palliativ auf Deutsch?

Der Begriff palliativ leitet sich von lateinisch pallium „Mantel“ ab und bedeutet wörtlich „ummantelnd“. Die Maßnahmen der Palliativmedizin haben oft das Ziel, bei fortschreitenden unheilbaren Erkrankungen den Verlauf zu verlangsamen und Symptome wie Übelkeit, Schmerz oder (reaktive) Depressionen zu reduzieren.

Was ist eine palliative Haltung?

Unter Palliative Care wird eine umfassende Behandlung und Betreuung von Menschen mit unheilbaren, akut lebensbedrohlichen oder chronisch fortschreitenden Krankheiten verstan- den. Ihr Ziel ist es, den Patienten eine möglichst gute Lebensqualität bis zum Tod zu ermög- lichen.

Für wen ist Palliativmedizin?

Schwerstkranke Menschen und Sterbende haben Anspruch auf eine spezialisierte palliative Versorgung. Die Palliativmedizin hat das Ziel, die Folgen einer Erkrankung zu lindern (Palliation), wenn keine Aussicht auf Heilung mehr besteht.