Ich lebe mein Leben Rilke Interpretation

Das Gedicht Ich lebe mein Leben von Rainer Maria Rilke handelt von wachsenden Ringen.
Die kalligraphische Umsetzung war eine Auftragsarbeit, die mich sehr berührt hat. Eine klassische Italic mit ausbrechenden Zierschwüngen an Ober- und Unterlägen wandert auf Kreisen und transportiert das Thema des Gedichts auf ausdrucksvolle Art und Weise.
Geschrieben mit Breitfeder und Aquarell.

Ich lebe mein Leben

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Ein Gedicht von Rainer Maria Rilke (1875-1926) und ein Lied von der Musikerin
Regine Steffens:

"Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht:
bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang."

(Berlin Schmargendorf, 20.09.1899)


Mit wenigen Zeilen hat Rainer Maria Rilke das Erleben seiner Suche nach sich selbst, nach Gott und Sinn zum Ausdruck gebracht - im Spüren von Wachsen und im Ahnen um des Lebens Endlichkeit - im Wissen, dass ein Lebensring der letzte sein wird und der irgendwann wohl auch unvollendet bleibt.

Zu Coronazeiten erfährt die Dichtung von Rilke eine neue, besondere Tiefe - so empfinde ich es. Lassen wir uns von dieser Lyrik berühren und für unseren Lebensalltag ermutigen und stärken.


Wunderschön vertont hat dieses kraftvolle Gedicht von 1899 die Musikerin Regine Steffens. So manches Mal habe ich es mit ihr in ihren heilsamen Singgruppen gesungen. 
Eine Hörprobe gibt es zu ihrer CD "Hier und Jetzt" (Lied 03 - Ich lebe mein Leben):
https://www.regine-steffens.de/produkt/cd-hier-und...

Mit bester Empfehlung grüßt herzlich
Kirsten Mauss

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RAINER MARIA RILKE

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

1899

Konnotation

Im Frühling 1899 reist Rainer Maria Rilke (1875–1926) gemeinsam mit dem deutsch-russischen Ehepaar Salomé zum ersten Mal nach Russland. Der Dichter zeigt sich enthusiasmiert von der Ursprünglichkeit und tiefen Religiosität des Landes, das er als Gemeinschaft der Brüderlichkeit und des Glaubens verklärt.
In seinem Stundenbuch, das unter dem Eindruck seiner zwei Russland-Reisen geschrieben ist und einen ersten Höhepunkt seines Frühwerkes darstellt, manifestiert sich eine mystische Gottesbeziehung, die auf kirchliche Bindung völlig verzichten kann. Im September 1899 ist dieses wohl berühmteste Gedicht des Stundenbuchs entstanden. Es steht dort im Ersten Teil, dem „Buch vom mönchischen Leben“. Spirituelle Erwartung, Ahnung von Vergänglichkeit und unmittelbare Beschwörung einer mystischen Gotteserfahrung liegen dicht beieinander. In späteren Gedichten rückt Rilke immer mehr von dieser Gottesgewissheit ab.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

Ich lebe mein Leben Rilke Interpretation
Ich lebe mein Leben Rilke Interpretation

    • #1

    Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
    die sich über die Dinge ziehn.
    Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
    aber versuchen will ich ihn

    Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
    und ich kreise jahrtausendelang;
    und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
    oder ein großer Gesang.

    Also ich versuche grade dieses Gedicht zu Interpretieren. Aber habe ich doch einige Probleme. Ich hoffe jemand kann mit "HINWEISE" oder "TIPPS" geben.
    Schon mal im voraus Danke

    Ich lebe mein Leben Rilke Interpretation

    • #2

    ein gutes literaturlexikon sollte zu den stundenbüchern, -daraus stammt es ja-, erste hinweise geben. ZB das kindler-lexikon literatur online deutet deutet die frage "bin ich..." als ein problem der selbstfindung, wobei das lyrische ich der betende bzw. der dichter selbst ist. Ich habe mal nachgeschaut: es gibt eine umfangreiche literatur zu rilke und gott.
    ZB im kapitel "rilkes 'gott'" in gertrud höhler, niemandes sohn - zur poetologie rainer maria rilkes-, wird dies ausführlich behandelt:
    S.127: "Die hauptelemente, aktivität beim menschen, verfügbarkeit des gottes, verteiltheit des gottes im greifbaren, nicht entrücktsein im unerreichbaren und unzuträglichem, finden sich jedenfalls wieder. Es wird sich noch zeigen, daß die aktivität des menschen, von der ein gott abhängen soll, ein durchgehendes motiv bei rilke bleibt- Im 'buch vom mönchischen leben' macht diese menschliche aktivität und überlegenheit, hier in zeitlicher chiffre gefasst, gleich den auftakt: 'ich kreise um...'. Was dieser sprecher ist, das muss er selbst noch ergründen: vielleicht aber 'ein großer gesang', also ein kunstwerk. 'Jahrtausendelang', das ist jene überlegene dimension, dem göttlichen ohne weiteres gegenüber oder doch zumindest an der seite des göttlichen zu denken: denn menschlich ist diese dimension nicht"...
    gott ist "ding der dinge" und ding bezeichnet verfügbarkeit, manipulierbarkeit..."gott weilt als zutat im kunstwerk, nicht als sine substanz. Der gott wird zugleich- als 'ding' im sinne rilkes...stoff, den der künstler handhabt"..."Der künstler erreicht also in der vollendung des bauwerkes gott seine eigene vollendung...eine aktive äußerung gottes auf den menschen hin völlig ausgeschlossen"...gott-künstler ein sohn-vater-verhältnis (!)..."Gott erhält als erbe die welt, deren höchste steigerung die künstler leisten..."Dieser gott ist ein gott ohne zeugnis und lehre...Dies hat zur folge, daß ein anspruch dieses gottes, heilsgeschichte für den menschen zu begründen, nicht möglich wird. Rilkes gott ist aus der zeitlichen in die räumliche dimension transponiert; er hat keine geschichte ohne den menschen und er erreicht den anfang seiner geschichtlichkeit erst mit der vollendung der menschen durch den künstler"..."Gott als bloße 'richtung' wird niemals zum aufenthalt für den emporstrebenden künstler. Auch als ziel wäre er ein halt, eine endgültige begrenzung für den 'arbeitenden'. Eben dies darf aber in rilkes vorstellungen keinen platz finden. Deshalb formuliert er....dieses paradox von der 'ziellosen' arbeit, deren sinn keineswegs mit dem ziel entweicht, wahrscheinlich sogar im ziel vernichtet wäre".

    Sicher erscheint, daß man zum vollen verständnis auch die übrigen texte des buches benötigt. Auch kann man wohl annehmen, daß neben rein religiösen auch noch andere deutungen existieren, zB solche, die mehr gewicht auf die rolle des dichters legen.
    Ich bin -als laie - auf harold blooms "einflußangst" gestoßen. Eine theorie der dichtung, die gedichte als arbeit der "einflußangst" sehen (der angst von einem größeren dichtervorgänger beeinflußt zu werden bzw selbst zu beeinflussen). Er würde vielleicht hier in gott etwas anderes als die religionsfigur sehen. Aber nicht, daß ich blooms theorie verstanden hätte. Zuviel psychoanalyse, -an die ich nicht glaube.
    gruß hafis

    • #3

    Hey danke

    Ich lebe mein Leben Rilke Interpretation
    Ich lebe mein Leben Rilke Interpretation

    liebe grüße und 1000 dank :smile:
    ck alias der Interpretator

Was ist besonders an Rilke?

Rilke ist eine der größten deutschsprachigen Dichterpersönlichkeiten zur Zeit der Jahrhundertwende. Durch und durch Lyriker, voll tiefer Innerlichkeit, Schwermut und Mystik, beseelt und durchgeistigt er die Sprache. Seine Verse fließen wie Musik dahin.

Habe Geduld gegen alles Ungelöste in deinem Herzen Rilke?

Habe Geduld gegen alles Ungelöste in deinem Herzen und versuche, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forsche jetzt nicht nach den Antworten, die dir nicht gegeben werden können, weil du sie nicht leben kannst.

Was lesen von Rilke?

Seine bekanntesten Werke sind die "Duineser Elegien", die zyklische Prosadichtung "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Laurids Brigge" und der Roman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge".

Welche Epoche ist Rilke?

Rilke gilt als einer der wesentlichen Vertreter der literarischen Moderne, wobei seine Werke dem Impressionismus und Symbolismus zugeordnet werden können, teils aber auch Motive des Jugendstils aufgreifen.