Kann sich die Psyche auf das Herz auswirken?

In der Universitätsmedizin sei ein „Switch“ von der reinen High-tech-Medizin mit kathetergestützten Behandlungen hin zu den Auslösern von Herzerkrankungen zu beobachten, ­berichtete Prof. Dr. Manfred Zehender vom Universitätsklinikum Freiburg. Bei Herzstress würden psychische und soziale Faktoren eine große Rolle spielen, nicht zuletzt das familiäre Umfeld in der Kindheit.

Akuter wie chronischer Stress ist häufig mit einer Depression verbunden und beide sind unterschätzte Risikofaktoren für einen Herzinfarkt, gerade bei Frauen. Psychosoziale Faktoren und Stress nehmen mit 32,5 Prozent den dritten Rang der Infarkt-Risikofaktoren ein, nach Lipoproteinämie (49,2%) und Rauchen (35,7%). So erhöhe Stress nicht nur die Ausschüttung von Cortisol und modifiziere Gene, die die Bildung der Rezeptoren für Stresshormone exprimieren, erklärte der Kardiologe. Auch Entzündungsparameter würden ansteigen, wie Blutproben von Intensivmedizinern im Schichtbetrieb zeigten.

Psychische Belastung und Stress – eine häufige Diagnose

Dr. Elke Parsi aus Berlin stellte die Ergebnisse einer aktuellen Telefonumfrage zu Stress und Herzproblemen vor, an der 2527 Menschen aller Altersgruppen teilnahmen. 21 Prozent gaben an, schon einmal herzspezifische Symptome erlebt zu haben, davon zwei Drittel Frauen. Die Herzsymptome traten bereits in Situationen auf, die emotional nicht aufregend waren. Daraufhin suchten 60 Prozent einen Arzt auf, der in weiterführenden Untersuchungen noch vor funktionellen Herzproblemen und Vorhofflimmern die Diagnose „psychische Belastung und Stress“ stellte. Das war in rund 30 Prozent der Fall. Tatsächlich fühlte sich ein Drittel der Befragten mit erlebten Herzbeschwerden privat wie beruflich stark belastet. So beispielsweise auch eine Patientin von Dr. Parsi, die zwischen Kleinkind, Beruf und Haushalt über Erschöpfung, Schlafstörungen und anhaltende Unruhe klagte, obwohl ­organische Ursachen ausgeschlossen werden konnten.

Chronischer Stress aktiviert die Hypophysen-Nebennieren-Achse und setzt verstärkt Cortisol frei. Der Aldosteronspiegel steigt an, der die Rückresorption von Magnesium verringert und die von Natrium erhöht. Dadurch wird mehr Wasser zurückresorbiert, Kalium dagegen vermehrt über die Niere ausgeschieden. So kann sich ein Mangel an Magnesium und Kalium entwickeln, der langfristig die elektrische Stabilität der Zelle beeinflusst, besonders im Myokard.

Besonders ein Herzinfarkt wird von vielen Patienten als Trauma erlebt. Betroffene müssen in kurzer Zeit bedrohliche Informationen verarbeiten und sich vielleicht zum ersten Mal im Leben mit tiefen Ängsten auseinandersetzen. Nicht bei jeder Herzerkrankung kommt die Diagnose jedoch plötzlich. Eine Herzschwäche bzw. Herzinsuffizienz stellt sich gewöhnlich langsamer und schleichend ein, verursacht aber trotzdem viele Unsicherheiten. Was genau ist los mit meinem Herz? Geht das wieder weg? Kann ich noch arbeiten, Auto fahren, reisen? Welche Behandlung erwartet mich? Diese und viele weitere Fragen geistern Ihnen nun im Kopf herum. Derartig psychischer Stress ist eventuell ganz neu für Sie. Sie schlafen schlecht und nehmen die Zeichen und körperlichen Defizite, die sie möglichweise schon länger verdrängt haben jetzt erst richtig wahr.

Kann sich die Psyche auf das Herz auswirken?

Menschen mit Herzerkrankungen, ob mit kürzlich erlebtem Herzinfarkt oder mit Diagnose Herzschwäche, haben ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen. Anfängliche Sorge und Angst kann in eine Depression führen. Versuchen Sie daher, offen mit Ihrer Erkrankung umzugehen, denn gerade psychischer Stress kann sich wiederum negativ auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirken. Studien zeigen, dass auch gesunde Menschen, die oft unter psychischem Stress stehen, ein größeres Risiko haben, einen Infarkt oder Schlaganfall zu erleiden oder an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken.

Psychische Probleme bei Herzerkrankungen:Depressionen und Ängste können sich auf Ihre Genesung auswirken

Nicht jeder Herzpatient wird depressiv – die eigene Wahrnehmung und die individuellen Verarbeitungsstrategien sind maßgeblich für eine stabile Psyche. Die häufigste psychische Erkrankung bei Herzpatienten ist eine Depression (etwa 20 Prozent), es kann aber auch zu posttraumatischen Belastungsstörungen kommen. In diesem Zusammenhang spielen auch Ängste eine wesentliche Rolle. Einen Herzinfarkt zu erleiden, kann traumatisch sein. Das Erlebte kann dazu führen, dass Sie Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickeln, wie Panik und Schlafstörungen. Ständiges Grübeln kann einen sozialen Rückzug verursachen und so das Risiko für eine Depression erhöhen. Bei einer Herzschwäche kommt es meist zu körperlichen Einschränkungen. Am meisten wird Sie vermutlich bedrücken, dass Sie nicht mehr all das tun können, was sie gewohnt waren. Sie haben das Gefühl, dass damit Ihre Lebensqualität sinkt.

Hilfe für die Seele: Suchen Sie sich frühzeitig Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe und in Ihrem sozialen Umfeld

Es mag Ihnen jetzt unmöglich erscheinen aber positive Gefühle und Gedanken können Ihre Lebensqualität erheblich verbessern. Für Sie als Herzpatient ist es jetzt wichtig, psychische Belastungen zu erkennen und sich ihnen zu stellen. Ignorieren Sie Ihre Symptome nicht einfach wenn Sie betroffen sind – tun Sie sie keinesfalls als unwichtig ab. Wenn Sie sich häufig niedergeschlagen oder hoffnungslos fühlen und dieser Zustand über mindestens zwei Wochen anhält, sollten Sie in jedem Fall Ihren behandelnden Arzt ins Vertrauen ziehen. Das kann, muss aber nicht immer der Kardiologe sein: Auch der Hausarzt kann die nächsten Schritte aufzeigen und Ihnen gegebenenfalls einen Psychotherapeuten empfehlen.

Auch Selbsthilfegruppen, in denen sich Erfahrungen austauschen lassen, können eine hilfreiche Stütze in der Krankheitsbewältigung sein. Die positiven Effekte des sozialen Umfelds und der eigenen Lebensweise sind nicht zu unterschätzen: Ihre Familie und Freunde, die Sie unterstützen, und Ihre positive Lebenseinstellung sind wesentliche Schutzfaktoren vor Depression und Angst. Sie sorgen am besten für sich selbst, wenn Sie Ihr psychisches Befinden ernst nehmen.

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Können Herzbeschwerden psychisch sein?

Zugleich kann eine Herzkrankheit ihrerseits Ängste, Stress und Depressionen auslösen, die sich wiederum in vermehrten Herzbeschwerden äußern und zu vermehrten Komplikationen führen können. Psychischer Stress kann aber auch Herzbeschwerden auslösen, für die sich keine organische Herzkrankheit nachweisen lässt.

Wie äußern sich psychosomatische Herzbeschwerden?

Aber auch anhaltend stressige Alltagssituationen in Job und Privatleben können besonders bei sensiblen Menschen dazu führen, dass ihr Herz mit einem unregelmässigen Puls, Herzrasen, Beklemmungsgefühlen, Schwindel, Schlafproblemen, allgemeiner Unruhe und Nervosität reagiert.

Wie hängen Herz und Psyche zusammen?

Ärger, Stress, Angst können körperliche Reaktionen auslösen, an denen das Herz beteiligt ist: Der Puls steigt, das Herz klopft. Sogar die Brust kann schmerzen und die Luft wegbleiben. Erst in den letzten Jahren hat die Forschung die Zusammenhänge zwischen Depression und Herz-Kreislauf-System besser erkannt.

Wie wirkt sich Angst auf das Herz aus?

Die Ängste um die eigene Herzgesundheit treten bei vielen Betroffenen in Anfällen auf und können zu einer Panikattacke mit Atemnot und verstärker Atmung (Hyperventilation), starkem Schwitzen, Schwindel und Ohnmachtsgefühlen führen. Manche Patienten erleben laut Berthel auch regelrechte "Herzattacken" mit Todesangst.