Was bedeuter romantisch

Zentren der Romantik waren Jena, Berlin, Dresden, Tübingen und Heidelberg.
Zu unterscheiden sind:

NOVALIS
An Tieck

Ein Kind voll Wehmut und voll Treue,
Verstoßen in ein fremdes Land,
Ließ gern das Glänzende und Neue,
Und blieb dem Alten zugewandt.

Nach langem Suchen, langem Warten,
Nach manchem mühevollen Gang,
Fand es in einem öden Garten
Auf einer längst verfallnen Bank

Ein altes Buch mit Gold verschlossen,
Und nie gehörte Worte drin;
Und, wie des Frühlings zarte Sprossen,
So wuchs in ihm ein innrer Sinn.

Und wie es sitzt, und liest, und schauet
In den Kristall der neuen Welt,
An Gras und Sternen sich erbauet,
Und dankbar auf die Kniee fällt:

So hebt sich sacht aus Gras und Kräutern
Bedächtiglich ein alter Mann,
Im schlichten Rock, und kommt mit heiterm
Gesicht ans fromme Kind heran.

Bekannt doch heimlich sind die Züge,
So kindlich und so wunderbar;
Es spielt die Frühlingsluft der Wiege
Gar seltsam mit dem Silberhaar.

Das Kind faßt bebend seine Hände,
Es ist des Buches hoher Geist,
Der ihm der sauern Wallfahrt Ende
Und seines Vaters Wohnung weist.

Du kniest auf meinem öden Grabe,
So öffnet sich der heilge Mund,
Du bist der Erbe meiner Habe,
Dir werde Gottes Tiefe kund.

Auf jenem Berg als armer Knabe
Hab ich ein himmlisch Buch gesehn,
Und konnte nun durch diese Gabe
In alle Kreaturen sehn.

Es sind an mir durch Gottes Gnade
Der höchsten Wunder viel geschehn;
Des neuen Bunds geheime Lade
Sahn meine Augen offen stehn.

Ich habe treulich aufgeschrieben,
Was innre Lust mir offenbart,
Und bin verkannt und arm geblieben,
Bis ich zu Gott gerufen ward.

Die Zeit ist da, und nicht verborgen
Soll das Mysterium mehr sein.
In diesem Buche bricht der Morgen
Gewaltig in die Zeit hinein.

Verkündiger der Morgenröte,
Des Friedens Bote sollst du sein.
Sanft wie die Luft in Harf und Flöte
Hauch ich dir meinen Atem ein.

Gott sei mit dir, geh hin und wasche
Die Augen dir mit Morgentau.
Sei treu dem Buch und meiner Asche,
Und bade dich im ewgen Blau.

Du wirst das letzte Reich verkünden,
Was tausend Jahre soll bestehn;
Wirst überschwenglich Wesen finden,
Und Jakob Böhmen wiedersehn.
(Novalis: An Tieck. In: ders.: Gedichte / Die Lehrlinge zu Sais. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1997)

Heutzutage bezeichnet etwas als „romantisch“, wenn es besonders gefühlsbetont daher kommt. Häufig werden damit auch Begriffe wie Meer, Kerzen, Mond, Sonnenuntergang assoziiert. Nicht selten wird dieser Begriff aber auch negativ aufgefasst, denn wenn etwas romantisch ist, dann meint man es sei kitschig, albern, geschmacklos oder schnulzig und eine romantische Person wird schnell zu einem Sensibelchen, das nah am Wasser gebaut ist und sich unrealistischen Tagträumereien hingibt.

Das Wort im eigentlichen Sinne leitet sich etymologisch aber von „in lingua romana“, also von der romanischen Sprache ab. Die romanischen Sprachen bildeten einen Gegensatz zu den lateinischen Sprachen. Während die lateinische Sprache, die bis zur Antike weit verbreitet war, mittlerweile praktisch ausgestorben ist, hat sich in der Spätantike aber ein Sprachzweig des gesprochenen Lateins gebildet, der zur Grundlage der heutigen romanischen Sprachen wie Spanisch, Französisch oder Italienisch wurde.

Bis ins 19. Jahrhundert war die lateinische Sprache, oder viel mehr die antike Kultur und ihre Werte vorherrschend in der Kunst. Die letzten Künstler und Literaten, die sich an die Antike anlehnten, wie z.B. Goethe und Schiller, versuchten bis ca. 1830 eine Renaissance der antiken Künste herbeizuführen. Man nennt diese Epoche der Goethe- und Schillerzeit heute Weimarer Klassik. Tugenden und Ideale wie Ästhetik, Vollendung, Ruhe, Vernunft und Objektivität wurden zu den Maximen der klassischen Kunst und Literatur erklärt. Insbesondere die Französische Klassik (1660-1715) hat es geschafft, starke Anknüpfungspunkte an die antike Dichtkunst zu setzen. Lange Zeit hatte man sich begnügt, die antike Kunst nur nachzuahmen. Insbesondere die von Johann Joachim Winckelmann formulierten Gedanken in „Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst“ (1755) und „Geschichte der Kunst des Altertums“ (1764/1767) führten zu einer nachhaltigen Beeinflussung der späteren Weimarer Klassik (1794-1805) und fand auch in der literarischen Klassik ihren Eingang. Die prunkvolle Ästhetik der Antike und der Französischen Klassik blieb nicht nur dem Adel vorbehalten, sondern wurde zu etwas bürgerlich Schlichtem gemacht und sorgte für die Verwischung der Grenzen von Adel und Bürgertum.

Den Romantikern – die sich selbst übrigens nicht so nannten, da die Bezeichnungen erst sehr viel später geläufig wurden – missfiel der strenge Rationalismus der vorherrschenden Klassik und der durch die Französische Revolution gewaltsam in Erscheinung getretenen Ideale der Aufklärung (1720-1800). Sie sahen die Welt gespalten durch einen Riss in die Welt der Vernunft und in die Welt der Gefühle und Mystik. Novalis nannte die Welt der Vernunft die Welt der „Zahlen und Figuren“. Diesen Riss zwischen den Menschen galt es aus Sicht der Romantiker zu heilen. Dabei wandten sich die Romantiker von den klassischen Formen, der lateinischen Sprachwurzeln und antiken Ideale ab und besinnten sich auf die eigene Sprache und Kultur. Man verfasste „in lingua romana“, in der Sprache des eigenen Volkes – daher der Name „Romantik“ (und nicht zuletzt kommt auch das Wort „Roman“ daher). Plötzlich war Formvollendung, Sachlichkeit, Ordnung, Wissenschaft und Verstand nicht mehr im Mittelpunkt, sondern das Individuum, das Wundersame, Freiheit und Einheit. Die Heilung der Welt war dabei das oberste Anliegen der Romantiker. Der Wunsch nach Weltgenesung drückte sich in Sehnsucht aus, dass in vielen Werken der romantischen Dichter wie Die zwei Gesellen von Joseph von Eichendorff ausdrückt. In diesem Gedicht von Eichendorff wird die Sehnsucht nach fernen Ländern, Jugend und Freiheit deutlich. Oft manifestiert sich die Sehnsucht auch in dem Symbol der Romantiker:der blauen Blume. Bei der Farbe Blau oder einer Blume muss man in romantischer Literatur daher immer eine verborgene Anspielung auf Sehnsucht in Betracht ziehen. Aber nicht nur Sehnsucht war ein beliebtes Motiv und Thema der Romantiker, sondern auch die Seele, Individualität, Leidenschaft, Verborgenes und Mystisches. Zum Schauplatz romantischer Künste wurden oft die Natur und mittelalterliche Gemäuer, Klöster etc. „in lingua romana“ bedeute auch, dass man sich volkstümlicher Sagen und kindliche Märchen oder volkstümlicher Musik und Tänze bediente. Zudem stilisierte man das einfache Volk zum Träger von Wahrheit und Natürlichkeit, während Aristokratie, Vernunft und Intellekt das Gegenteil bedeuteten. Darin wird auch der Konflikt zur Klassik deutlich, denn während die Klassik trotz Annäherung an das Bürgertum immer den Ruf einer von Aristokraten beherrschten Kunst zu sein, waren die Romantiker in dem Punkt bodenständiger und volksnäher. Nicht zuletzt hatten die Klassizisten und Anhänger der antiken Werte wegen der Ablehnung von Wissenschaft und Vernunft durch die Romantiker versucht, die neue Kunstströmung in ein schlechtes Licht zu rücken – die Provokationen ging aber von beiden Parteien aus.

Der Entzweiung der Welt steht das Individuum in der Romantik manchmal hilflos gegenüber. Hier zeigt sich die Kehrseite der romantischen Medaille: Wahnsinn, Tod und dunkle Mächte. Diese negativen Facetten der Romantik mündeten sogar in einer eigenen Unterströmung, nämlich der Schwarzen Romantik (oder manchmal auch „Schauerromantik“). In eine ähnliche Kerbe stößt das Gedicht Zwielicht von Eichendorff. Dort warnt lyrische Ich vor den Gefahren, denen sich das Individuum jeden Tag gegenüber sieht und rät, nur sich selbst zu vertrauen. Das Ich lebt in ständiger existentieller Bedrohung und entwickelt ein paranoides Misstrauen gegen seine Umwelt.

Heute hat das Wort „Romantik“ leider einen recht negativen Touch. Sicherlich sind auch nebelverhangene Täler, mittelalterliche Burgen und dämmrige Wälder auch heute noch irgendwie „romantisch“, einen tieferen Wunsch nach Heilung der Weltzerrissenheit würde man aber wohl nicht mehr als romantisch ansehen. Eigentlich assoziiert man sehr stark das Wort „Liebe“ mit der Romantik und es steht nicht mehr das Individuum, also das „Ich“ im Mittelpunkt, sondern häufiger das „Du“ (also der Partner). Zudem wird der Begriff „Romantik“ auch durch überhöhte, als romantisch gemeinte Groschen-Literatur und stark kommerzialisierte Ereignisse wie Weihnachten und Valentinstag überstrapaziert.

Und zum Schluss noch etwas auf die Ohren!

Du möchtest noch mehr über die Romantik und die Herkunft des Begriffes wissen? Dann entspann dich und lass es dir erzählen!

Die Literaturepoche der Romantik: Zeitalter der Gegenaufklärung oder Hollywood-Kitsch? Diese und andere spannende Fragen beantwortet euch der Germanist Dr. Tobias Klein von Huhn meets Ei: Katholisch in Berlin im Gespräch mit dem Podcaster Wilhelm Arendt.

Der Beitrag wurde am Freitag, den 03. Oktober 2008 um 16:16 Uhr veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Lyrisches abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Was versteht man unter romantisch sein?

Kunst, Literatur, Musik – die Romantik betreffend, aus ihr stammend. So kann Romantik auch: Gefühlsbetont, schwärmerisch, von starker, oft unrealistischer Vorstellungskraft und Einbildungskraft erfüllt, abenteuerlich, geheimnisvoll, fesselnd, stimmungsvoll, reizvoll und malerisch sein.

Was ist typisch romantisch?

Merkmale: Verklärung des Mittelalters, Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Faszination des Unheimlichen. Symbole: Die Blaue Blume, Spiegel- und Nachtmotiv.

Was ist für einen Mann romantisch?

Romantik kann – und sollte – alles sein: Aufregung, Sehnsucht, nicht alltägliche Zweisamkeit, Liebesbeweis oder Sicherheit. Aber Vorsicht: Manche Männer köpfen auch nur ein romantisches Bier auf dem Festival und zünden Kerzen nur dann an, wenn der Strom ausfällt.