Was hat das ende von the order 1886 zu bedeuten

Wie lang ist The Order 1886? (Ausreichend.) Hat es immer diese schwarzen Balken beim Spielen? (Ja.) Gibt es noch mehr im Spiel zu erleben als den Singleplayer-Modus? (Nein.) Lohnt sich die Investition? (Hängt davon ab, was ihr erwartet.)

Das sind nur eine Handvoll Fragen, die in letzter Zeit immer und immer wieder gestellt wurden. Auf so gut wie alle ließen sich erste Antworten schon seit dem vergangenen Wochenende in einem Blitzdurchlauf bei YouTube finden, bei dem The Order 1886 in voller Länge mitverfolgt werden konnte.

Jetzt ist also die Zeit für Reviews gekommen. Wenn Tests erst spät oder zum Release erscheinen, dann ist oftmals Vorsicht angesagt. Und so viel schon mal vorweg: Ein schlechtes Spiel ist The Order 1886 nicht. Aber es ist ein Spiel, das ganz besonders stark darunter leidet, dass das Publikum im Vorlauf einer Veröffentlichung mit immer neuen Trailern, Gameplay-Demos und Informationen gefüttert werden muss. Bei einem Spiel, das wie The Order dann definitiv nicht zu den längeren seiner Gattung zählt, hat das den Nachteil, dass man sich im Laufe der Geschichte von einem bekannten Moment zum nächsten zu hangeln scheint, weil es keinen Raum für alternative oder andere Erfahrungen gibt, als genau die, die uns Entwickler Ready at Dawn präsentieren will.

Was hat das ende von the order 1886 zu bedeuten

Das ist schade, ganz besonders, weil die Geschichte nicht mal schlecht geraten ist, auch wenn sie sich nicht nur bei Elementen bedient, die wir vielfach schon an anderer Stelle gesehen haben, sondern darüber hinaus auch manchmal den letzten Feinschliff vermissen lässt. Das fängt im Grunde schon beim Orden selber an. The Order versetzt uns zwar in die schmucke Uniform des Ordensritters Grayson, eher bekannt unter seinem Titel Sir Galahad, gibt sich aber darüber hinaus manchmal zu wenig Mühe, seine wunderschöne, aber etwas leblose Welt besser zu erklären. Schon früh sehen wir, wie die Ritter aus einer kleinen Phiole trinken, um alle Verletzungen zu heilen – auch die Art und Weise, wie ihr euch selber wiederbeleben könnt. Aber bis The Order sich dazu bequemt, im Spiel zu erklären, dass das mysteriöse Blackwater nicht nur ein mächtiger Heiltrank ist, sondern auch der Grund für das lange Leben der Ritter, die seit Jahrhunderten an der runden Tafel sitzen, vergeht erstaunlich viel Zeit.

Da hilft es vielleicht, dass sich Ready at Dawn dazu entschlossen hat, auf das viktorianische London als grundlegendes Setting zu bauen, das einen immerhin bekannten Rahmen für die übernatürlichen Elemente von The Order 1886 bietet. Bekannt ist aber nicht nur das Setting von The Order, sondern irgendwie auch seine Charaktere. Da wäre einmal der bereits erwähnte Protagonist Sir Galahad a.k.a. der erfahrene Krieger, der alles schon gesehen hat und mit bedingungsloser Treue an den Orden glaubt, die erfolgreiche und schöne Lady Igraine, die Galahad unter seine Fittiche nimmt und der sorgenfreie Frauenschwarm Marquis de Lafayette, der natürlich ein Franzose ist. Dass die Dialoge der Charaktere manchmal hart an der Grenze zum B-Movie entlangschrammen, ist bei solchen "Archetypen" leider auch keine große Hilfe.

Was hat das ende von the order 1886 zu bedeuten

Etwas hölzern geht es auch manchmal zu, wenn The Order seine Geschichte vorantreiben will. Sir Galahad ist im ersten Teil des Spiels genau der aufrechte und ehrenhafte Avatar, der er als Videospielheld sein muss. Zumindest so lange, bis sein Vertrauen in den Orden – wie sollte es auch anders sein – erschüttert wird und er anfängt, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und die richtigen Fragen zu stellen. Damit wir auch in jedem Falle nicht verpassen, dass irgendetwas nicht stimmt, reicht es The Order auch nicht, uns nur einmal zu zeigen, wie Galahad aus dem Augenwinkel Zeuge eines mysteriösen Gespräches wird. Eine ähnliche Szene gibt es mehr als einmal, vielleicht auch um sicher zu gehen, dass niemand verpasst, dass da etwas Geheimnisvolles im Gange ist.

Während sich The Order also manchmal beim guten, alten Holzhammer bedient, um wichtige Punkte der Geschichte deutlich zu machen, gibt es andere Szenen, in denen Story-Elemente fast beiläufig erwähnt werden. Ganz besonders auffällig war das bei dem Moment, der wohl zu den größten Twists von The Order zählt: Nachdem sich Sir Galahad auf eigene Faust daran gemacht hat, den Tod eines Freundes zu rächen, muss er erfahren, dass seine Welt nicht die ist, die sie zu sein scheint. Dass er dabei auch lernt, dass die werwolfartigen Kreaturen nicht die einzige Bedrohung für die altbekannte Ordnung sind, geht für den Spieler in einem Augenblick der Gleichförmigkeit fast vollkommen unter, weil The Order es schlichtweg verpasst, die Bedeutung des Moments irgendwie herauszustellen.

So schwankt die Qualität mit der The Order 1886 seine Geschichte erzählt leider, weil immer wieder das Gefühl aufkommt, dass die Entwickler und Autoren es verpasst haben, an den richtigen Stellen die Akzente zu setzen, die es vielleicht gebraucht hätte. Tatsächlich hat mich The Order 1886 immer wieder an Ubisofts Assassin's Creed-Reihe erinnert, weil es mit so vielen ähnlichen Elementen zu bestehen scheint: Das mysteriöse Unternehmen, das im Hintergrund die Fäden in der Hand hat – East India Company vs. Abstergo, der Orden, der versucht die Ordnung zu schützen – Ritterorden vs. Templer und die Rebellen, die für eine neue Ordnung kämpfen – Aufständische vs. Assassinen. Es ist nicht so, dass The Order 1886 keine eigene Identität hat, denn die hat es ohne Zweifel, aber das Modell, was unter der Geschichte rund um ritterliche Ritter und verschwörerische Verschwörungen liegt, erinnert dann eben doch etwas an die Assassinen von Ubisoft.

Mit einem kleinen, aber wichtigen Unterschied: Wo Assassin's Creed stellvertretend für den Open World-Boom der letzten Jahre steht, ist The Order der genaue Gegenentwurf zu diesem Ansatz – es ist das Spiel, das Assassin's Creed vielleicht geworden wäre, wenn Ubisoft eben nicht auf die Open World gesetzt hätte.

Damit – mit dem Fokus auf eine lineare und stark durchstrukturierte Geschichte – ist The Order aber auch genau das, was Ready at Dawn versprochen hat: Ein Spiel wie ein Film. The Order 1886 hat nach seiner Ankündigung vielleicht nicht sofort den Eindruck gemacht, dass es diese Art von Spiel wird, aber je näher wir dem Release gekommen sind, desto mehr hat Ready at Dawn wenigstens den Versuch unternommen, deutlich(er) zu machen, was genau für ein Spiel The Order wird.

Das bedeutet in erster Linie, dass ihr einen beträchtlichen Teil euer Spielzeit eben nicht damit beschäftigt sein werdet, wirklich zu spielen, sondern vor allem eine der zahlreichen – und manchmal auch interaktiven – Zwischensequenzen zu gucken, bei denen die filmischen Ambitionen von The Order unglaublich deutlich werden. Und wenn man The Order etwas nicht vorwerfen kann, dann sind es wohl mangelnde visuelle Qualitäten. Sei es, was die beeindruckende Grafik betrifft oder die Art und Weise, wie sich das Spiel und seine Geschichte inszeniert. Wenn man The Order etwas vorwerfen kann, dann ist es eher der Umstand, dass die Abschnitte, in denen wir die volle Kontrolle über das Geschehen in die ungeduldigen Hände gelegt bekommen, viel zu selten sind.

Es ist das fundamentale Problem vieler Spiele, die sich ganz besonders filmhaft geben wollen: Damit das gelingt, dürfen die Spieler nicht zu viele Freiheiten haben, um die Atmoshäre nicht zu (zer-) stören. Wieviel genau ihr am Ende tun dürft, schwankt zwischen drei verschiedenen Formen: Mal könnt ihr nur zusehen und dürft hin und wieder über ein Quicktime-Event Einfluss nehmen. Dann gibt es Szenen, in denen ihr immerhin schon bestimmen könnt, in welche Richtung sich Sir Galahad sehr langsam fortbewegen darf, aber darüber hinaus keine Einfluss nehmen dürft und dann die Momente, in denen The Order zum Action-Adventure und Cover-Shooter wird. Gerade wenn ihr selber schießen, springen und laufen dürft, wird der Bruch zu den reglementierten Sequenzen besonders deutlich, denn wenn The Order euch von der Leine lässt, fühlt es sich fast unnatürlich schnell an, weil der Gegensatz zu den langsameren Segmenten so deutlich spürbar ist.

Das Problem von The Order ist damit viel mehr das eigene Pacing, denn die Momente, in denen wir die Waffe in die Hand nehmen dürfen, funktionieren sehr gut, sind aber auch das deutlichste Zeichen dafür, dass gleich etwas passiert, was dem Spiel manchmal den Überraschungsmoment nimmt.

Da hilft es dann aber sehr, dass das großartige Design sich eben nicht nur auf das Aussehen beschränkt, sondern auch auf die anderen Teile des Spiels übergegriffen hat. So gewichtig wie die Ritter und ihre Waffen aussehen, so fühlt sich das Spiel auch an und alle Elemente – vom flüssigen Coversystem über das großartige Sounddesign bis hin zu den Effekten – sind Ready at Dawn sehr gut gelungen. So gut, dass ich gern ein Spiel gesehen hätte, das noch etwas mehr Spiel als The Order 1886 ist.

Aber genau das ist auch der springende Punkt von The Order 1886: Es ist allenfalls im weitesten Sinne ein klassischer Third Person Shooter. In erster Linie ist es ein interaktiver Film und wer mit einer anderen Erwartungshaltung an The Order 1886 herangeht, wird ein Problem haben, das weit über die Länge des Spiels – ich habe etwas mehr als sieben Stunden gebraucht, um das Finale zu sehen – hinausgeht. Man kann darüber diskutieren, ob ein Vollpreisspiel in der Zeit von "Spielen als Services" mehr zu bieten haben muss als The Order 1886, aber für das, was es sein wollte, ist The Order ein wirklich gutes Spiel geworden.

The Order 1886 ist kein neues Uncharted, es ist kein neues Gears of War. Es ist viel mehr eine Weiterentwicklung von den Ansätzen und Ideen, die Quantic Dream mit Heavy Rain und Fahrenheit verfolgt hat. The Order 1886 ist weniger ein Spiel und viel mehr eine interaktive Erfahrung, bei der eure Aktivität nicht immer an erster Stelle steht. Es ist eine Erfahrung, die trotz mancher erzählerischer Schwächen erstaunlich viel Spaß macht, wenn man sich darauf einlassen kann, dass man in der Vision von Ready at Dawn eben nicht nur Spieler, sondern auch Zuschauer ist.