Wie lange war die Hagia Sophia eine Kirche?

1000 Jahre lang war die Hagia Sophia die größte Kirche. Die Osmanen machten sie zu ihrer Hauptmoschee, unter Atatürk wurde sie Museum. Jetzt wollen Politiker der „neuen Türkei“ ein Zeichen setzen.

Veröffentlicht am 26.01.2014 | Lesedauer: 7 Minuten

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Von Berthold Seewald

Leitender Redakteur Geschichte

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Innerhalb von nur fünf Jahren, von 532 bis 537, entstand mit der Hagia Sophia die größte Kirche der Christenheit. Sie sollte es über 1000 Jahre hinweg bleiben.

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Bauherr war Kaiser Justinian I. (um 482-565), hier mit seinem Gefolge auf einem Mosaik in Ravenna.

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„Wenn einer das Heiligtum zum Beten betritt, so wird ihm alsbald bewusst, dass nicht menschliche Kraft oder Kunst, sondern Gottes Hilfe dieses Werk gestaltet hat“, schrieb der Zeit...zeuge und Historiker Prokop.

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Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen verwandelten die Sieger die Große Kirche in eine Moschee. Zugleich wurde sie zum Vorbild islamischer Gotteshäuser, zum Beispiel... der Sultan-Ahmet-Moschee in Istanbul.

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Blick von einer der Emporen in den Hauptraum der Hagia Sophia in Istanbul. In der Apsis befindet sich die goldverzierte Gebetsnische (Mihrab), links von der Apsis die Sultansloge, ...rechts die Kanzel (der Minbar). Mit der Umwandlung der Moschee in ein Museum krönte Mustafa Kemal Atatürk 1934 seine laizistische Revolution.

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Das „Hagia-Sophia-Moschee-Museum“ zählt mit mehr als drei Millionen Besuchern pro Jahr zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Metropole.

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Seit 1985 werden die Hagia Sophia und ihre muslimischen und christlichen Zeugnisse auf der Welterbeliste der Unesco geführt.

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Mosaik der Muttergottes in der Hagia Sophia.

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Seit ihrer Erbauung prägt das riesige Bauwerk das Erscheinungsbild der Stadt über Bosporus und Goldenem Horn.

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Nika!“ – „Sieg“ – skandierten die Massen im Hippodrom und auf den Straßen von Konstantinopel. Sieg über den Kaiser und seine höchsten Beamten. Zehn Tage lang brannten Kirchen, Paläste und andere öffentliche und private Gebäude der Stadt. Aber der Sieg sollte am Ende einem anderen zufallen. Loyale Elitetruppen drangen in die Pferderennbahn ein und sorgten auf ihre Weise für Ordnung. Rund 35.000 Menschen sollen ihr Leben verloren haben. Kaiser Justinian hatte in allen Belangen gesiegt.

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Von den zahlreichen Revolten im Römischen Reich nimmt der Nika-Aufstand im Jahr 532 eine Sonderrolle ein. Zum einen ist er gut dokumentiert. Zum anderen war er vermutlich eine große Verschwörung: vom Kaiser gewollt, gezielt provoziert und bewusst zum blutigen Finale getrieben. So zumindest deutet Justinians jüngster Biograf Mischa Meier das Ereignis, nach dem der Imperator in den folgenden 33 Jahren seiner Herrschaft keine Opposition mehr zu fürchten hatte.

Als Dank für Gottes Beistand und als Zeichen eigener universaler Macht (und Staatsräson) errichtete er der göttlichen Weisheit eine Kirche, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte. Die Hagia Sophia. Für fast tausend Jahre sollte sie das größte Gotteshaus der Christenheit sein – Symbol seines und des Kaisers Sieges über die Ungläubigen und Ungehorsamen sowie der ewigen Herrschaft des zweiten Rom über die Welt.

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Ein Siegesmonument ist die Hagia Sophia bis heute geblieben. Als wenige Generationen nach Justinian der lateinische Imperator vom griechischen Basileus an der Spitze des Staates abgelöst worden war, ließ der sich von da an in der Kirche der göttlichen Weisheit krönen. Nachdem die Ritter des vierten Kreuzzuges 1204 Konstantinopel erobert hatten, setzten sie „eine Dirne auf den Patriarchenthron, die vulgäre Lieder sang und den heiligen Ort entweihte“, berichtet ein Augenzeuge.

Sinnbild einer „neuen Türkei“

Und nach der Eroberung der Kaiserstadt durch die Osmanen 1453 befahlen die siegreichen Sultane nicht nur ihre Umwidmung zur Hauptmoschee ihrer neuen Hauptstadt, sondern machten sie zum Vorbild ihrer eigenen Gebetshäuser. Mit der Umwandlung der Moschee in ein Museum krönte Mustafa Kemal Atatürk 1934 schließlich seine laizistische Revolution.

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Podcast

Stadt der Spione – die 2. Staffel von „WELT History“

In diesen Tagen ertönen in der Türkei wieder laute Sieg-Rufe. Zu ihrem Sprachrohr hat sich Bülent Arinc gemacht, Stellvertreter von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Galionsfigur des konservativ bis extrem islamischen Flügels in der Regierungspartei AKP. Als Sinnbild einer „neuen Türkei“ solle die „traurige Hagia Sophia“ bald wieder ihrer göttlichen Bestimmung als Moschee dienen, proklamierte er jüngst in einer Rede auf ihrem Vorplatz. Zwei anderen Sophienkirchen – in Isnik und Trabzon – wurde dieses Schicksal bereits zuteil. Wie lange sich Erdogan für den Fall in Istanbul noch bedeckt hält, bleibt offen.

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Wie sehr die göttliche Weisheit stets von der Politik vereinnahmt worden ist, hat schon die Entstehungsgeschichte der Hagia Sophia gezeigt. Ein Indiz für die Deutung, Justinian habe den Nika-Aufstand inszeniert, um die Opposition zum offenen Losschlagen zu provozieren, hängt nicht zuletzt mit den Planungen für das Gotteshaus zusammen. So schreibt der hohe Beamte Zonaras, bereits 38 Tage nach Zerstörung der zuvor dort stehenden Sophienkirche am 15. Januar 532 sei mit dem Neubau begonnen worden. Die Pläne müssen bereits von langer Hand vorbereitet gewesen sein.

Die Vorgängerkirche war übrigens auch nach einem Aufstand entstanden, der 404 die Palastkirche in Schutt und Asche gelegt hatte, deren Grundsteinlegung noch auf den Stadtgründer Konstantin den Großen zurückging. In Sichtweite von Palast und Hippodrom und am Ausgang des zentralen Boulevards, der Mese, vervollständigte die Hagia Sophia sozusagen die steingewordene Dreifaltigkeit imperialer Macht am Goldenen Horn. Justinian trieb zudem der Ehrgeiz, die kurz zuvor eingeweihte Polyeuktoskirche zu übertreffen, von der es hieß, sie übertreffe gar den salomonischen Tempel in Jerusalem.

40.000 Pfund Silber für das Allerheiligste

Mit dem Architekten Anthemios von Tralleis und dem Mathematiker Isidor von Milet hatte Justinian beizeiten hervorragende Köpfe mit dem Bau seiner Kirche beauftragt. 340 Zentner Gold und seine eigenen Vorstellungen und Tatkraft investierte der Kaiser in das Unternehmen. Allein für die Gestaltung des Allerheiligsten sollen 40.000 Pfund Silber aufgewandt worden sein.

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Bereits am 27. Dezember 537 konnte der Rohbau eingeweiht werden. „Salomo, ich habe dich übertroffen“, soll der überwältigte Bauherr ausgerufen haben, als er mit einem Wagen durch die Kirche fuhr. Dass ihr Grundriss der typischen Form spätantiker Basiliken folgte, wird er dabei gern übersehen haben. Denn die Kuppel, die der Kirche den Charakter eines Zentralbaus verleiht, war einfach überwältigend. Mit einer Höhe von 55,6 Metern und einem Durchmesser von 33 Metern übertraf sie alles, was römische Ingenieure bis dahin mithilfe des Opus caementitium, des betonähnlichen Mörtels der Antike, geschaffen hatten.

Justinian gewann Prokop, den bedeutendsten Historiker seiner Zeit, um die Bauten des Kaisers in einem Werk zu verherrlichen. Das erste Buch ist der Hagia Sophia geweiht. Damit können wir uns eine Vorstellung von der luxuriösen Innenausstattung machen, die mittlerweile von der Zeit und Plünderern erodiert worden ist.

Das Licht, das durch zahlreiche Fenster – auch in der Kuppel – durch den Raum flutete, wurde von Goldmosaiken reflektiert. „Glanz und Harmonie der Maße schmücken sie“, schreibt Prokop. „Wenn einer das Heiligtum zum Beten betritt, so wird ihm alsbald bewusst, dass nicht menschliche Kraft oder Kunst, sondern Gottes Hilfe dieses Werk gestaltet hat; sein Sinn aber erhebt sich zu Gott und wandelt in der Höhe und glaubt daran, dass der Herr nicht ferne ist, sondern am liebsten in den Räumen weilt, die er sich selbst ausgewählt hat.“

Heidnische Helden für den Vorplatz

Das war steingewordene Reichsideologie. Denn der Stellvertreter Gottes auf Erden war nach byzantinischer Lesart nicht der Bischof von Rom, sondern der (ost)römische Kaiser, neben dem der Patriarch von Konstantinopel nur die Rolle des obersten Priesters spielte. Welche imperiale Symbolik mit der „Großen Kirche“, wie sie auch genannt wurde, verbunden war, zeigt ein anderer Auftrag, den Nachgeborene Justinian zugeschrieben haben. Danach befahl er seinen Statthaltern und Beamten in den Provinzen, „nach Säulen und Pfeilern, Platten und Schranken und Altarabgrenzungen zu suchen sowie nach Materialien, die für die Kirchenkonstruktion nützlich seien“.

Daneben wurde der Raum um die Kirche mit Hunderten von Standbildern geschmückt, die vor allem heidnische Götter und Helden darstellten. Sie alle bezeugten den Anspruch, dass Ostrom der einzige und wahre Erbe des Imperiums sei, dessen kaiserlicher Herr im Glanz der göttlichen Weisheit seine universale Macht repräsentierte. Bauforscher der TU Darmstadt haben gezeigt, wie architektonische Details und Liturgie Reichsidee, christliche Heilsvermittlung und antike Philosophie verknüpften.

Ein Wahrzeichen für seine Stadt und sein Reich war die Hagia Sophia gewiss. Denn mit der Rückeroberung Italiens, Spaniens und Afrikas stellte Justinian das Imperium beinahe in seinen ursprünglichen Dimensionen wieder her. Hundert Jahre später hatten Araber und Slawen davon nicht mehr allzu viel übrig gelassen.

Bauschäden, deren Behebung Justinian noch nebenbei finanzieren konnte, blieben bald unbehandelt. Die Kreuzfahrer waren völlig überfordert. Nach der Rückeroberung der Stadt durch die Byzantiner zogen die Kaiser und ihr Hof an die stark befestigte Landmauer und ließen die „göttliche Weisheit“ am Ufer des Bosporus zurück.

Bühne für die Kirchenspaltung

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Die Bühne für das Große Schisma, das das Band zwischen westlicher und östlicher Christenheit zerschnitt, war übrigens die Hagia Sophia gewesen. Bei seinem Besuch in Konstantinopel im Jahr 1054 hatte der römische Kardinal Humbert von Silva Candida die Bulle mit der Exkommunikation des gastgebenden Patriarchen mit „gerechtem Zorn“ auf den Altar der Kirche geknallt, weil dieser den Primat des Papstes nicht anerkennen wollte. Der Bruch sollte sich als endgültig erweisen.

Heute zählt die Hagia Sophia zu den bedeutendsten Attraktionen Istanbuls. Mehr als drei Millionen Menschen besuchen sie Jahr für Jahr. Sollte Erdogan den Forderungen nachgeben und das „Hagia-Sophia-Moschee-Museum“ wieder in eine Moschee umwandeln, wäre auch die Unesco gefordert. Auf der Welterbeliste der UN-Kulturorganisation wird die Hagia Sophia bereits seit 1985 geführt.

Würde sie zur Moschee, müsste man die zahlreichen christlichen Spuren, die freigelegt worden sind, sowie den musealen Schmuck verhängen. Eines der großen Zeugnisse menschlicher Baukunst und Weltdeutung wäre dann wieder das, was es ursprünglich einmal war: Sinnbild eines brutalen Sieges.

War die Hagia Sophia früher eine Kirche?

Die Hagia Sophia Moschee (türkisch Ayasofya-i Kebir Camii kurz Ayasofya) oder Sophienkirche ist eine ehemalige byzantinische Kirche in Eminönü, einem Stadtteil im europäischen Teil Istanbuls. Diese wurde ab 1453 bis 1935 – und wird wieder seit 2020 – als Moschee genutzt.

Wann und warum wurde die Hagia Sophia zur Moschee?

Mehr als ein Jahrtausend lang war es die Kathedrale des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Sie wurde 1204 von den Venezianern und den Kreuzrittern auf dem Vierten Kreuzzug geplündert. Nach der türkischen Eroberung Konstantinopels 1453 ließ Mehmed II. die Kirche in eine Moschee umwandeln.

Wann wurde die Hagia Sophia zu einer Moschee?

Vermutlich im 15. Jahrhundert wurde die Hagia Sophia in eine Moschee umgewandelt. 1609 diente sie als Moschee, 1850 beteten auch Christen in dem Gebäude.

Ist die Hagia Sophia ein Weltwunder?

Die Hagia Sophia ist das achte Weltwunder und gehört zu einem Istanbul Besuch einfach dazu.