Arbeitnehmer will nicht in Rente gehen

Die Deutsche Rentenversicherung empfiehlt, den Antrag auf Altersrente etwa drei Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn zu stellen. Dann bleibt für dritte Stellen wie Arbeitgeber oder Krankenkasse ausreichend Zeit, alle nötigen Informationen zu übermitteln.

Für den Fall, dass Ihr Versicherungskonto noch nicht vollständig geklärt ist, sollten Sie sich noch früher mit der Rentenversicherung in Verbindung setzen, um Lücken zu klären und Nachweise zu beschaffen.

Rentenantrag: Frist beachten

Spätestens drei Monate nach dem möglichen Rentenbeginn muss der Antrag definitiv vorliegen. Dann kann die Rentenzahlung – auch rückwirkend – noch pünktlich beginnen. Geht der Antrag später als drei Monate nach dem möglichen Rentenbeginn ein, startet die Rentenzahlung frühestens mit dem Antragsmonat.

31.07.2015. Wer als Ar­beit­neh­mer ei­ne ge­setz­li­che Al­ters­ren­te be­zie­hen könn­te, ver­liert aus die­sem Grund nicht au­to­ma­tisch bzw. von Ge­set­zes we­gen sein Ar­beits­ver­hält­nis.

Des­halb fin­den sich in vie­len Ta­rif­ver­trä­gen und Ar­beits­ver­trä­gen sog. Ren­ten­al­ter­sklau­seln. Sie be­sa­gen, dass das Ar­beits­ver­hält­nis mit Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters au­to­ma­tisch en­det.

Gibt es ei­ne sol­che Klau­sel nicht, muss der Ar­beit­neh­mer, wenn er sein Ar­beits­ver­hält­nis zu­guns­ten ei­ner Ren­te auf­ge­ben möch­te, ei­ne Kün­di­gung er­klä­ren oder ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab­schlie­ßen.

  • Dürfen Ar­beit­neh­mer we­gen ih­res An­spruchs auf Al­ters­ren­te gekündigt wer­den?
  • Der Streit­fall: Kündi­gung ei­ner 63jähri­gen me­di­zi­nisch-tech­ni­schen As­sis­ten­tin in ei­nem Klein­be­trieb
  • BAG: Kündigt der Ar­beit­ge­ber, weil der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Al­ters­ren­te hat, ist die Kündi­gung al­ters­dis­kri­mi­nie­rend und da­her un­wirk­sam - auch im Klein­be­trieb

Dürfen Ar­beit­neh­mer we­gen ih­res An­spruchs auf Al­ters­ren­te gekündigt wer­den?

Da ta­rif­li­che und ar­beits­ver­trag­li­che Ren­ten­al­ter­sklau­seln zu ei­ner au­to­ma­ti­schen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters führen, sind sie ei­ne ob­jek­ti­ve Schlech­ter­stel­lung älte­rer Beschäftig­ter im Ver­gleich zu den jünge­ren, denn die­se dürfen ih­ren Job be­hal­ten. Die­se "Zwangs­pen­sio­nie­rung" ist nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs (EuGH) und des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) aber sach­lich ge­recht­fer­tigt und da­mit im Er­geb­nis zulässig.

Denn das Ziel ei­nes Ge­ne­ra­tio­nen­wech­sels, d.h. dass die Älte­ren Platz für die Jünge­ren ma­chen sol­len, ist ei­ne aus­rei­chen­de sach­li­che Recht­fer­ti­gung für Ren­ten­al­ter­sklau­seln im Sin­ne von Art.6 Abs.1 Satz 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG so­wie im Sin­ne von § 10 Sätze 1 und 2, Satz 3 Nr.5 All­ge­mei­nes Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG).

Die ta­rif- und/oder ar­beits­ver­trag­li­che Be­fris­tung von Ar­beits­verhält­nis­sen bis zum Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters ist da­her �ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen� und durch �le­gi­ti­me Zie­le" ge­recht­fer­tigt und stellt da­her kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar (so das Grund­satz­ur­teil des EuGH vom 12.10.2010, C-45/09 (Ro­sen­bladt), wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/217 EuGH erklärt in Ta­rif­verträgen ent­hal­te­ne Ren­ten­al­ter­sklau­seln für rech­tens).

Aber gilt das auch für Kündi­gun­gen, die der Ar­beit­ge­ber ei­nem zur Al­ters­ren­te be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer erklärt? Da­ge­gen spricht, dass in § 10 Satz 3 Nr.5 AGG nur von ei­ner "Ver­ein­ba­rung" über ein ren­ten­al­ters­be­ding­te Ver­trags­be­en­di­gung "oh­ne Kündi­gung" die Re­de ist. Die­se Re­ge­le­gung deckt da­her zunächst ein­mal nur ein­zel- oder kol­lek­tiv­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ren­ten­al­ter­sklau­seln ab, aber kei­ne ein­sei­ti­ge Ver­trags­be­en­di­gung wie ei­ne vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung.

Der Streit­fall: Kündi­gung ei­ner 63jähri­gen me­di­zi­nisch-tech­ni­schen As­sis­ten­tin in ei­nem Klein­be­trieb

Der Fall des BAG be­traf ei­ne am 20.01.1950 ge­bo­re­ne me­di­zi­nisch-tech­ni­sche As­sis­ten­tin (MTA), die seit 1991 in ei­ner Ge­mein­schafts­pra­xis mit ins­ge­samt nur fünf Ar­beit­neh­me­rin­nen als Arzt­hel­fe­rin beschäftigt war. Zu­letzt wur­de die MTA über­wie­gend im La­bor ein­ge­setzt.

We­gen ge­plan­ter Verände­run­gen im La­bor­be­reich und da­mit ver­bun­de­ner Um­struk­tu­rie­run­gen kündig­te die Pra­xis das Ar­beits­verhält­nis im Mai 2013 or­dent­lich zum Jah­res­en­de 2013. Im Kündi­gungs­schrei­ben war da­von die Re­de, dass die 63jähri­ge MTA �in­zwi­schen pen­si­ons­be­rech­tigt� sei. Die an­de­ren, al­le­samt deut­lich jünge­ren An­ge­stell­ten be­ka­men kei­ne Kündi­gung.

Dar­auf­hin er­hob die MTA Kündi­gungs­schutz­kla­ge und Kla­ge auf Zah­lung ei­ner Gel­dentschädi­gung we­gen der er­lit­te­nen Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung auf der Grund­la­ge von § 15 AGG. Da­bei be­rief sich auf die Erwähnung der Pen­si­ons­be­rech­ti­gung im Kündi­gungs­schrei­ben, die sie als In­diz für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ih­res Al­ters im Sin­ne von § 22 AGG an­sah. Auf den all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz nach dem Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) konn­te sie sich nicht be­ru­fen, da der Be­trieb mit nur fünf Ar­beit­neh­me­rin­nen ein Klein­be­trieb im Sin­ne von § 23 Abs.1 KSchG war.

Die ver­klag­te Arzt­pra­xis hielt dem ent­ge­gen, man ha­be die Kündi­gung doch nur "freund­lich und ver­bind­lich" for­mu­lie­ren wol­len. Außer­dem sei die Kündi­gung sach­lich be­gründet, denn es sei da­mit zu rech­nen, dass 70 bis 80 Pro­zent der ab­re­chen­ba­ren La­bor­leis­tun­gen ent­fal­len würden. Und da die MTA schlech­ter als die übri­gen Arzt­hel­fe­rin­nen qua­li­fi­ziert sei, sei eben ihr gekündigt wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt Leip­zig (Ur­teil vom 01.10.2013, 9 Ca 2137/13) und das Säch­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) wie­sen die Kla­ge ab (Ur­teil vom 09.05.2014, 3 Sa 695/13). Das LAG mein­te, die Kündi­gung sei zwar ei­ne ob­jek­ti­ve al­ters­be­ding­te Schlech­ter­stel­lung der Kläge­rin, doch war die­se Schlech­ter­stel­lung nach An­sicht des LAG sach­lich ge­recht­fer­tigt, da die Kündi­gung die Kläge­rin in­fol­ge ih­res An­spruchs auf Al­ters­ren­te nicht so hart tref­fe wie ih­re Kol­le­gin­nen.

BAG: Kündigt der Ar­beit­ge­ber, weil der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Al­ters­ren­te hat, ist die Kündi­gung al­ters­dis­kri­mi­nie­rend und da­her un­wirk­sam - auch im Klein­be­trieb

Vor dem BAG hat­te die Kläge­rin mit ih­rer Re­vi­si­on Er­folg. So­weit dies der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des Ge­richts ent­nom­men wer­den kann, stützt sich das BAG auf fol­gen­de Über­le­gun­gen:

Das BAG hielt die Kündi­gung für un­wirk­sam, weil hier ein Ver­s­toß ge­gen das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von § 7 Abs.1 AGG vor­lag. Denn die be­klag­te Pra­xis hat­te nach An­sicht der Er­fur­ter Rich­ter "kei­nen aus­rei­chen­den Be­weis dafür an­ge­bo­ten, dass die we­gen der Erwähnung der >Pen­si­ons­be­rech­ti­gung< zu ver­mu­ten­de Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung nicht vor­liegt". Un­ter sol­chen Umständen ist ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Kündi­gung, so das BAG, "auch im Klein­be­trieb un­wirk­sam".

Da das LAG jetzt noch über die Höhe des Entschädi­gungs­an­spruchs ent­schei­den muss, wur­de der Pro­zess in die­sem Um­fang an das LAG zurück­ver­wie­sen.

Fa­zit: We­gen ei­nes al­ters­be­dingt ein­ge­tre­te­nen Ren­ten­an­spruchs kann nur der Ar­beit­neh­mer das Ar­beits­verhält­nis kündi­gen, nicht aber der Ar­beit­ge­ber. Denn ei­ne Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers auf­grund ei­ner Be­rech­ti­gung zum Be­zug von Al­ters­ren­te ist al­ters­dis­kri­mi­nie­rend. Und ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Kündi­gung ist (trotz § 2 Abs.4 AGG) so­wohl un­wirk­sam als auch entschädi­gungs­pflich­tig gemäß § 15 Abs.2 AGG.

Die­se Grundsätze gel­ten auch in Klein­be­trie­ben im Sin­ne von § 23 Abs.1 KSchG, denn der Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz ist vom Kündi­gungs­schutz nach dem KSchG un­abhängig.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

  • Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14 (Pres­se­mit­tei­lung des BAG)
  • Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14
  • Säch­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 09.05.2014, 3 Sa 695/13
  • Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 12.12.2013, 8 AZR 838/12
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags (be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag, Zeit­ver­trag)
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Dis­kri­mi­nie­rung - An­wen­dungs­be­reich des ge­setz­li­chen Schut­zes
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Dis­kri­mi­nie­rung - Rech­te Be­trof­fe­ner
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te - Al­ter
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Kündi­gung des Ar­beits­ver­trags (Über­blick)
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Kündi­gungs­schutz
  • Hand­buch Ar­beits­recht: Kündi­gungs­schutz­kla­ge
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 19/136 Geschäftsführer als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des AGG
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 18/312 Al­ters­be­fris­tung bei Ar­beits­verträgen mit Rent­nern rech­tens
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 18/072 Wei­ter­beschäfti­gung nach Ren­ten­ein­tritts­al­ter
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/207 Al­ters­gren­ze 60 für Geschäftsführer?
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/177 So­zi­al­aus­wahl und Al­ters­ren­te
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/143 Hin­aus­schie­ben der Al­ters­gren­ze ge­mäß § 41 Satz 3 SGB VI
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/208 Wie­der­hol­te Kündi­gung als Dis­kri­mi­nie­rung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/052 Kündi­gung im Klein­be­trieb we­gen Krank­heit
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 15/044 Be­fris­te­te Beschäfti­gung im Ren­ten­al­ter
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/374 Kündi­gung auf­grund HIV-In­fek­ti­on ist Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Be­hin­de­rung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/367 Dis­kri­mi­nie­rung we­gen Kündi­gung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/299 Kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung durch Kündi­gung bei Schwan­ger­schaft
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/008 Frist zur Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/242 Kündi­gung und Dis­kri­mi­nie­rung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/066 Ta­rif­li­che Ren­ten­al­ter­sklau­sel in der Re­gel zulässig
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/217 EuGH erklärt in Ta­rif­verträgen ent­hal­te­ne Ren­ten­al­ter­sklau­seln für rech­tens
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/161 Gel­dentschädi­gung für dis­kri­mi­nie­ren­de Kündi­gung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/215 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung im Klein­be­trieb nach 40 Jah­ren
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/179 Vor­aus­set­zung ei­ner Entschädi­gung bei Dis­kri­mi­nie­rung
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 08/116 Kündi­gungs­schutz und Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung - Re­vi­si­ons­ent­schei­dung in Sa­chen Kar­mann
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 06/16 Kündi­gungs­schutz oder Klein­be­trieb?
  • Ar­beits­recht ak­tu­ell: 01/02 Kündi­gungs­schutz im Klein­be­trieb

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

  • Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.07.2015, 6 AZR 457/14

Letzte Überarbeitung: 11. Juni 2019

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