Warum liefert Russland kein Gas mehr an Deutschland?

Der russische Staatskonzern Gazprom hat eine weitere Wartung der Ostseepipeline Nord Stream 1 angekündigt. Ende August soll drei Tage lang kein Gas nach Deutschland fließen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Weil die einzige funktionierende Turbine der Kompressorstation Portowaja überprüft und überholt werden müsse, werde vom 31. August bis zum 2. September kein Gas nach Deutschland fließen, teilte Gazprom am Freitag mit.

Ist die Abschaltung der Pipeline wirklich notwendig?

Bisher gibt es nur die Ankündigung von Gazprom. Laut dem russischen Staatskonzern ist die Wartung notwendig. Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur haben bisher keine Einschätzung dazu abgegeben, ob die Wartung wirklich erforderlich ist oder nicht - man habe die Ankündigung zur Kenntnis genommen, schrieb Bundesnetzagentur-Chef Müller bei Twitter lediglich.

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Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Russlands Präsident Putin die Reduzierung von Gaslieferungen als Druckmittel einsetzt. Bereits im Juni hatte Russland seine Gaslieferungen über Nord Stream 1 auf 40 Prozent verringert – ohne erkennbare technische Gründe, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) damals.

Im Juli wurde die Pipeline einer intensiven technischen Wartung unterzogen. Diese Wartung im Sommer ist üblich und dauerte zehn Tage, an denen gar kein Gas floss. Danach reduzierte sich die Liefermenge aber erneut, auf jetzt 20 Prozent. Auch diese Reduzierung wurde aus Sicht der Bundesregierung mit vorgeschobenen technischen Argumenten begründet.

Jetzt eine weitere Wartung in so kurzem Abstand ist ungewöhnlich. Die Grünenpolitikerin Lisa Badum sieht darin ein politisches Manöver von Russlands Präsident Putin. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit nehme ich das an", sagte Badum im Deutschlandfunk. Sie ist Mitglied im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie.

Was bezweckt Russland mit dem Lieferstopp?

Je weniger Gas nach Deutschland fließt, desto größer der politische Druck. Deutschland ist weiterhin abhängig von russischen Gaslieferungen. Eine Mangellage hätte im Winter schwerwiegende Folgen für die Industrie und damit die deutsche Wirtschaft. Denn Unternehmen würden entsprechend des Gas-Notfallplans der Regierung als erste kein Gas mehr bekommen, wenn die Lieferungen nicht für alle reichen.

Das russische Kalkül ist, durch möglichst geringe Lieferungen für Widerstand in Deutschland gegen die westlichen Sanktionen gegen Russland zu sorgen. Russland nutze seine Macht am Energiemarkt, um Europa und Deutschland zu erpressen, sagte Wirtschaftsminister Habeck mehrfach.

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Wie wichtig ist Nord Stream 1 noch für Deutschland?

Russisches Gas ist nach wie vor sehr wichtig für Deutschland. Auch in den nächsten Jahren ist Deutschland noch abhängig von russischem Gas. Es wird aber an Alternativen gearbeitet. Auch Norwegen liefert beispielsweise Gas nach Deutschland. Solche Lieferungen wurden und werden ausgebaut.

Zum Jahreswechsel werden zudem Schiffe flüssiges Erdgas nach Deutschland liefern. Diese Lieferungen gab es bisher nicht und machen künftig etwa ein Viertel der Kapazität von Nord Stream 1 aus. Das bringt also etwas Entspannung, aber noch keine vollständige Unabhängigkeit von Russland.

Durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt aktuell kein Gas. Der Betreiber Gazprom spricht von einem technischen Defekt, die Bundesregierung glaubt eher an einen politischen Hintergrund. Was bedeutet das nun für die Gasversorgung in Deutschland?

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Warum liefert Russland kein Gas mehr an Deutschland?
BR24 Redaktion

Erst gab es eine lange Wartungspause - und dann wieder Gas aus Nord Stream 1, allen Befürchtungen zum Trotz. Dann folgten kurze Wartungsarbeiten - doch diesmal fließt danach vorerst kein Gas mehr. Angeblich wegen eines technischen Defekts bleibt der Gasfluss durch die Ostseepipeline zunächst unterbrochen. Trotzdem ist die Gasversorgung in Deutschland weiter gesichert, sagen Behörden und Regierung. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Was ist passiert?

Am Freitagabend teilte der russische Staatskonzern Gazprom überraschend mit, dass der Gasdurchfluss durch Nord Stream 1 bis auf weiteres gestoppt bleibe - und nicht, wie geplant, nach Abschluss der dreitägigen Wartungsarbeiten wieder aufgenommen werde. Grund für den Stopp sei ein Ölaustritt in der Kompressorstation Portowaja, teilte Gazprom mit. Bis dieser gestoppt sei, könne kein Gas mehr fließen.

Stimmt das?

Die Bundesnetzagentur bezweifelt das. "Die von russischer Seite behaupteten Mängel sind nach Einschätzung der Bundesnetzagentur technisch kein Grund für die Einstellung des Betriebs", schreibt die Behörde in ihrem am Samstag veröffentlichten Lagebericht zur Gasversorgung. Ähnlich äußerte sich auch Siemens Energy als Hersteller der angeblich betroffenen Turbine. Die Abdichtung solcher Leckagen sei ein Routinevorgang im Rahmen von Wartungsarbeiten.

Könnte ein Leck den Gasfluss wirklich so ausbremsen?

Ja, sagt Russland - aus Mangel an Alternativen. Es gebe keine technischen Reserven, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow bereits am Freitagmittag gesagt. "Es läuft nur eine Turbine." Auch dieser Darstellung widerspricht Siemens Energy: In der Verdichterstation Portowaja stünden genug Turbinen für einen Betrieb der Pipeline zur Verfügung, so das Unternehmen. Bereits Ende Juli hatte Russland die Lieferung durch Nord Stream 1 mit Verweis auf eine defekte Turbine zurückgefahren. Gleichzeitig steht in Mülheim weiter eine reparierte Turbine für Nord Stream 1, die auf Weitertransport wartet.

Kommt nun gar kein Gas mehr aus Russland nach Deutschland?

Praktisch ja - über Waidhaus in Bayern kann aber zumindest theoretisch russisches Pipeline-Gas nach Deutschland gelangen. Waidhaus ist unter anderem Anlaufpunkt für Transgas, ein über die Ukraine und die Slowakei laufendes Leitungssystem nach Österreich und Deutschland, gleichzeitig aber auch für Nord-Stream-1-Gas über Tschechien. Laut Bundesnetzagentur kamen in Waidhaus allerdings zuletzt ohnehin nur noch geringe oder gar keine Mengen an.

Woher kommt dann Gas nach Deutschland?

Vor allem aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden - und zwar deutlich mehr als zuletzt aus Russland. Am Donnerstag flossen nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 2.900 Gigawattstunden Erdgas aus diesen Ländern nach Deutschland. Zum Vergleich: Am Montag, noch vor der angekündigten Lieferreduktion, transportierte Nord Stream 1 rund 348 Gigawattstunden russisches Erdgas. Anlaufstellen für zukünftige Importe sind zudem die Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) an Nord- und Ostsee, die gerade im Eiltempo geplant und gebaut werden. Zum Jahreswechsel sollen die ersten Anlagen den Betrieb aufnehmen.

Wird weiter Gas eingespeichert?

Ja - und das soll auch so bleiben, sagt der Geschäftsführer des Branchenverbandes Initiative Energien Speichern (INES), Sebastian Bleschke. Der vergangene Mittwoch als erster Tag der Lieferunterbrechung habe bereits gezeigt, dass dies möglich sei. Aktuelle Zahlen der europäischen Gasspeicher-Betreiber zeigen allerdings auch, dass seit Beginn der Nord-Stream-Unterbrechung tendenziell weniger eingespeichert und mehr entnommen wird als zuvor. Die Füllstände steigen trotzdem, nach den aktuellsten Daten auf 84,53 Prozent am 1. September.

Kommen wir mit den Speicher-Füllständen durch den Winter?

Eine Verordnung sieht vor, dass die deutschen Speicher am 1. Oktober zu mindestens 85 Prozent gefüllt sein müssen, am 1. November dann zu 95 Prozent. INES-Chef Bleschke geht davon aus, dass die 85-Prozent-Marke schon in wenigen Tagen erreicht wird. "Sollte der komplette Ausfall russischer Gastransporte sich bis in den November fortsetzen, wird ein Erreichen des 95-Prozent-Ziels allerdings große Anstrengungen erfordern."

Droht jetzt ein Gasmangel?

Klar war immer: Die bei einem Füllstand von 95 Prozent gespeicherte Gasmenge entspricht etwa dem bundesweiten Verbrauch der beiden Monate Januar und Februar 2022. Sie reicht also nicht für eine komplette Heizperiode. Gleichzeitig läuft der Gasimport in Herbst und Winter aber weiter, das dann verbrauchte Gas wird also nicht oder nicht nur aus Speichern kommen. Und Ziel der Gasspeicher-Verordnung war und ist es ja gerade, Deutschland besser gegen einen Totalausfall russischer Lieferungen zu wappnen. Trotzdem betont die Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Lagebericht noch einmal die Bedeutung eines sparsamen Gasverbrauchs.

Wird Gas nun noch teurer?

Das ist schwer vorherzusagen. Der Preis des Terminkontrakts TTF für niederländisches Erdgas, der als richtungsweisend für Gaspreise in Europa angesehen wird, war Ende August zunächst deutlich in die Höhe gegangen. Danach ging es allerdings ebenso steil bergab auf wieder etwas über 200 Euro. Die letzte Preiserhebung vor dem Wochenende datiert allerdings auf 15.59 Uhr am Freitag, also noch vor der Gazprom-Mitteilung zur weiteren Unterbrechung der Gasversorgung.

Mit Material der dpa

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Warum liefert Russland kein Gas mehr nach Deutschland?

Seit September kommt auch kein Gas mehr aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 in Deutschland an. Bereits im Sommer hat Russland die Lieferungen durch Nord Stream 1 gedrosselt. Erst wegen angeblicher technischer Probleme auf 40 Prozent, später nach einer routinemäßigen Wartung auf 20 Prozent, mittlerweile auf 0 Prozent.

Wird Gas aus Russland gestoppt?

Bei Nord Stream 2 war dies bereits gestern der Fall. Russland hält es für möglich, die Pipelines zu reparieren. Nach dänischen Angaben ist offenbar auch der Gasaustritt aus der beschädigten Pipeline Nord Stream 1 zum Stillstand gekommen. Damit würde kein Erdgas mehr aus den Lecks der beiden Leitungen entweichen.

Was macht Russland mit dem nicht gelieferten Gas?

Russland hat die größten Gasspeicher weltweit, ausgediente Gaslagerstätten oder Kavernenspeicher, in denen das überschüssige Gas gelagert werden könnte, ergänzt Carsten Braun.

Warum liefert Gazprom weniger Gas?

Zeitpunkt für Gas-Lieferstopp brisant Nach der Verhängung westlicher Sanktionen gegen Moskau wegen des Ukraine-Kriegs hatte Russland bereits mehrfach seine Gaslieferungen nach Europa reduziert. Grund für die Drosselung seien Reparaturarbeiten, versichert der russische Staatskonzern.