Wer behauptet ein mädchen ist mehr wert als 20 jungen

München. Dass sich reife Männer des Öfteren zu jungen Frauen hingezogen fühlen, ist nichts Neues. Prominente wie Politiker Franz Müntefering (41 Jahre Altersunterschied zu Frau Michelle) oder Schauspieler Til Schweiger (zwischen ihm und Freundin Francesca Dutton liegen 23 Jahre) haben das bereits deutlich veranschaulicht. Schnell entstehen Zuordnungen und Urteile im Kopf, von wegen: er alt und reich, sie jung und sexy. Zusammen eine wunderbare Zweckgemeinschaft.

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Dass junge Frauen sich ernsthaft nach reifen Männern im Alter ihrer Väter und Großväter sehnen, weckt hingegen eher Zweifel, ebenso wie die Vorstellung, ältere Männer könnten ernsthaft glauben, mit einer deutlich jüngeren Gefährtin eine zweite Jugend zu erleben. Und dennoch leben nicht nur Prominente das Modell vor. Was ist so attraktiv am Altersunterschied? Und vor allem: Taugt so eine Beziehung für eine möglichst lange gemeinsame Zukunft?

Moralische Verurteilung vermeiden

Der Kölner Psychologe Ulrich Schmitz legt Wert darauf, eine moralische Verurteilung erst einmal völlig außer Acht zu lassen. Natürlich gebe es im menschlichen Dasein viele Spielarten, wie man sich finden könne. Dazu zähle eben auch die Anziehungskraft zwischen Menschen mit sehr großem Alterstabstand, meint Schmitz.

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Für ihn wäre es vermessen, „alles, was im ersten Moment ungewöhnlich fürs Auge ist, zu pathologisieren. Wenn zwei Menschen eine gleichberechtigte Beziehung führen, und sei sie nur sexuell, in der keiner ungerecht ausgenutzt wird, dann gehört das halt zu den Variationsformen in unserem Leben. Es ist aber sicher eher ungewöhnlich.“

Ins Kippen gerät ein solches Verhältnis zwischen Jung und Alt für Psychologe Schmitz erst dann, wenn sich die Rollenbilder stark überspitzen: „Wenn die jungen Frauen sich sehr klein machen und die Männer sich im Gegenzug sehr dominant, reif und erfahrener geben, kommt eine Note rein, die meiner Ansicht nach Anflüge von Inzest hat.“ Zu sehr erinnerten solche Verhaltensmuster an Vater-Tochter-Beziehungen.

Derlei Ausformungen seien aber keineswegs ein Automatismus in Partnerschaften mit großem Altersunterschied.

Aussehen spielt eine große Rolle

Auch der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger sieht keinen Grund, bei einer Bindung zwischen einer jungen Frau und einem Mann, der älter als ihr Vater sein könnte, gleich Alarm zu schlagen: „Mittlerweile haben wir eine große Toleranz, was alles an Beziehungsformen möglich ist.“

So ganz kann Krüger aber nicht verhehlen, dass ihn der Gedanke an eine rein sexuelle Anziehung zwischen einer 20-Jährigen und einem 60-Jährigen stutzig macht. „Das Aussehen spielt im Alter von 20 naturgemäß eine große Rolle. Für junge Frauen muss ein attraktiver Mann in der Regel schlank und kräftig sein“, behauptet Krüger. Die Tatsache, dass Frauen dann einen wesentlich älteren Mann wählten, der vom Alter einfach Spuren des Lebens trage, falle nach Einordnung des Psychotherapeuten definitiv aus dem gängigen Raster: „Die Frau ist am Aufblühen, der alte Mann hat das Ende des Lebens in Sichtweite. Das birgt eine große Gefahr des Sich-fremd-Seins und -Bleibens.“ Also keine Chance auf ein Happy End? Zumindest wohl nicht, wenn nur die körperliche Liebe im Vordergrund steht.

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Junge Männer gelten oft als kindisch

Was beide Experten deutlich nachvollziehbarer finden als eine überwiegend sexuell geprägte Beziehung, ist eine Partnerschaft, die auf Liebe, Vertrauen und Sicherheit basiert. Ältere Männer zeichneten sich häufig durch ein ausgewogenes Verhältnis von Selbstwert, Weltgewandtheit und Ansehen aus. Das kommt offenbar bei jüngeren Frauen an. Zumal aus psychologischer Sicht junge Männer oft eitler, selbstbezogener und eifersüchtiger seien – Eigenschaften, die gleichaltrige Frauen oft als kindisch empfinden.

Der große Altersabstand funktioniert in der Regel solange gut, wie der ältere Mann gesund und stark ist. Krankheit und der Abschied aus der aktiven Arbeitswelt sind Krüger zufolge meist die Knackpunkte, an denen viele Beziehungen scheitern. Denn dann schiebt sich in den Fokus, was zuvor von beiden Partnern häufig verdrängt wurde: Virilität weicht körperlicher Gebrechlichkeit, ein souveräner Businessmann wird in die altersbedingte Auszeit geschickt – und langweilt sich entweder oder stürzt sich in Hobbys und Reisen, die die Partnerin aber nicht teilen oder mitgenießen kann, weil sie vermutlich fest im Beruf verwurzelt ist. Die Unterschiede zwischen Jung und Alt werden auf diese Weise verschärft. Es ist schwer für beide, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Das birgt eine große Gefahr des Entfremdens. Ein bisschen ist es wohl so wie im Songtext „Auf anderen Wegen“ von Andreas Bourani. Dort heißt es „Mein Herz schlägt schneller als deins. / Sie schlagen nicht mehr wie eins.“ Dabei ist das genau das Entscheidende für eine langlebige Partnerschaft, wie Wissenschaftler herausgefunden haben.

Gleichaltrigkeit ist ideal

Demnach ist die Dauer von Beziehungen mit großem Altersunterschied nach aktuellem Stand der Forschung vor allem deshalb übersichtlich, weil die Lebenswelten zu unterschiedlich sind. Krüger nennt diesbezüglich zwei Grenzlinien: Bei Partnerschaften mit einem Altersabstand von neun Jahren steige das Trennungsrisiko bereits deutlich. Bei einem Altersabstand von 20 Jahren liege das Trennungsrisiko bei 95 Prozent. Das bestätigt auch eine Studie der Emory University im US-Bundesstaat Atlanta zum perfekten Altersunterschied: Reduziert auf Zahlen, habe eine Beziehung tatsächlich dann die höchste Chance auf Haltbarkeit, wenn beide Liebenden gleichaltrig sind oder maximal vier Jahre zwischen ihnen liegen, fanden die Forscher heraus. Das hat viel mit dem gleich schwingenden Lebensstil und vor allem mit der Sexualität zu tun.

In die Sexualität gehe unsere ganze Lebenserfahrung mit ein, erklärt Krüger: „Und deshalb ist es gut, wenn derjenige, mit dem ich schlafe, ähnlich alt ist. Hier spielt ja nicht nur das Körperliche eine Rolle, sondern unsere gesamte Persönlichkeit, also das, was ich denke, das, was ich fühle, wer ich bin, wie weit ich bin. Gleichaltrige vibrieren ähnlich, teilen dieselben Unsicherheiten. Und das ist gut so, weil beide eine ähnliche Sprache sprechen – im Leben und im Bett.“ Das Alter spielt zumindest in der Liebe doch eine Rolle.

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"Es wäre gut, wenn Partner länger umeinander kämpfen würden"

Von RND/Andrea Mayer-Halm