Wer die Sehnsucht nicht kennt Goethe?

Wer die Sehnsucht nicht kennt Goethe?

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Poems in Translation

Johann Wolfgang von Goethe


Nur Wer Die Sehnsucht Kennt...
Johann Wolfgang von Goethe

Nur wer die Sehnsucht kennt,
Wei� was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
Nach jener Seite.
Ach! Der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide
Nur wer die Sehnsucht kennt
Wei� was ich leide!

Only My Yearning Shows
Johann Wolfgang von Goethe
(Singable to the Tchaikovsky Melody)

Only my yearning shows
How much I suffer.
Alone and set apart
From every pleasure,
I see the sky at night
That all embraces.
But he who knows my love
Is so far distant.
My senses reel and burn
In such commotion.
Only my yearning shows
How much I suffer.

Translation: � David Paley


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Text

Gedicht: Nur wer die Sehnsucht kennt (1795)

Autor/in: Johann Wolfgang von Goethe
Epoche: Romantik
Strophen: 1, Verse: 12
Verse pro Strophe: 1-12
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh' ich ans Firmament
Nach jener Seite.
Ach! der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!

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Epoche

Autor/in


Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation

Die Liebe nimmt eine zentrale Rolle im Leben eines jeden Menschen ein. Diese Thematik wird von Johann Wolfgang von Goethe im Gedicht „Nur wer die Sehnsucht kennt” aufgegriffen.
Veröffentlicht wurde die Ballade 1795. Das lyrische Ich leidet massiv durch den Verlust seines Geliebten, der sich in unerreichbarer Ferne befindet. Daher besitzt der lyrische Ich Sprecher einen starken Wunsch, diesen Geliebten wiederzusehen.

In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich zunächst sein Leid und erzählt dann davon, wie es einsam den Himmel betrachtet. Die zweite Strophe handelt von der Entfernung zwischen dem lyrischen Ich und seinem Geliebten. Am Ende der zweiten Strophe stellt das lyrische Ich erneuert sein Leid dar.

Das Gedicht besteht aus 2 Strophen mit jeweils 6 Versen und ist in einem durchgängigen Jambus verfasst. Außerdem zieht sich ein Kreuzreim durch das gesamte Gedicht, womit es nur zwei Endsilben im Gedicht gibt. Die Kadenzen1 sind abwechselnd männlich und weiblich. Insgesamt besitzt das Gedicht damit eine regelmäßige Form, die im Kontrast zur Verzweiflung des lyrischen Ichs steht. Mit seiner drängenden Wirkung unterstützt der Jambus jedoch die starke „Sehnsucht” (vgl. V. 1 und 11) des lyrischen Ichs. Auch die abwechselnden Kadenzen, der Kreuzreim und die Enjambements2 (vgl. V. 1-2, V. 3-6. V. 7-8. V. 9-10, V. 11-12) betonen die Sehnsucht. Gleichzeitig spielen der Jambus mit den abwechselnden Hebungen und Senkungen, der Kreuzreim und die abwechselnden Kadenzen auf den Herzschlag an: Damit wird das Motiv des lyrischen Ichs, das sich durch das gesamte Gedicht zieht, hervorgehoben: Die Liebe.

In einer bildhaften Sprache vermittelt das Gedicht die starken Gefühle des lyrischen Ichs. Die ersten beiden Verse des Gedichtes wiederholen sich am Ende des Gedichtes und umklammern damit das Gedicht. Damit wirkt das Gedicht ähnlich isoliert wie das lyrische Ich. Dieses berichtet nämlich davon, dass es „[a]llein und abgetrennt” (V. 3) sei. Die Einsamkeit des lyrischen Ichs wird durch die Alliteration3 (vgl. V. 3) verstärkt. Der Mangel an „Freude” (V. 4), die Trauer und die Einsamkeit werden weiterhin durch die Hyperbel4 „aller“ (V. 4) betont. Das lyrische Ich betrachtet das „Firmament“ (V. 5). Dieses lässt sich als Bild der Unendlichkeit und Unerreichbarkeit interpretieren, da es scheinbar unendlich hoch ist. Damit wird der starke Liebeswunsch des lyrischen Ichs herausgestellt. Durch das Demonstrativpronomen „jener“ (V. 6) wird nochmals die große Entfernung betont.

Die zweite Strophe wird durch Interjektion5 „Ach!“ (V. 7) eingeleitet. Dieser emotionale Ausruf stellt das Leid und die Verzweiflung des lyrischen Ichs heraus. Deutlich wird in Vers 7, dass das lyrische Ich weiblich ist, da es sich nach einem Mann sehnt (vgl. V. 7: „der“). Dieser Mann empfindet für das lyrische Ich ebenfalls starke Gefühle (vgl. V. 7). Das lyrische Ich betont erneuert, dass der Geliebte in der „Weite“ (V. 8) ist. Dies weist darauf hin, dass das lyrische Ich, geleitet von der Liebe, nur an seinen Geliebten denken kann. Der Parallelismus (vgl. V. 9) in Kombination mit Verben, die Unwohlsein und Schmerz ausdrücken, deuten auf das Gefühlschaos und die Verzweiflung des lyrischen Ichs hin. Dieser Schmerz ist so stark, dass er sogar die „Eingeweide“ (V. 10) des lyrischen Ichs betrifft. Diese Metapher6 weist einerseits auf das starke Leid hin, andererseits spielt sie auf einen „Herzschmerz“ an. Damit wird auf den Verlust des Geliebten angespielt. Das lyrische Ich besitzt zu seinem Geliebten eine tiefe Verbindung, was an der Epipher „kennt“ (V. 1, V. 7, V. 11) erkennbar wird. Vers 11 und 12 sind eine Wiederholung der ersten beiden Verse des Gedichtes.

Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Deutungshypothese bestätigt wurde. Diese lässt sich jedoch ein wenig erweitern: Durch den Verlust seines Geliebten empfindet das lyrische Ich eine starke „[...] Sehnsucht“ (Titel) und Liebeskummer. Von der Liebe als Taktgeber im menschlichen Leben geleitet, wünscht es sich seine Nähe zurück. Ausgelöst durch die Trennung, kann das lyrische Ich nur noch an sein eigenes Leid und an den Geliebten denken.




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