Wer war Hermann mit dem hackebeilchen?

Fritz Haarmann ("Der Vampir von Hannover", "Der Schlächter von Hannover") ermordete vermutlich zwischen 1918 und 1924 mindestens 24 Jungen und junge Männer. Offenbar beging er die Morde aus sexuellen Motiven. Das volle Ausmaß seiner Taten offenbarte sich, als sich nach Absenken des Wasserstandes der Leine 300 menschliche Knochenteile im Flussbett fanden. Haarmann, zeitweise als Polizeispitzel aktiv, wurde 1925 durch das Fallbeil hingerichtet. Der Kopf wurde der Wissenschaft zur Verfügung gestellt und erst 2014 eingeäschert. Berühmt wurde das Haarmann-Lied nach der Operettenmelodie "Warte, warte nur ein Weilchen": Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Schabefleisch aus dir.

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1924 werden in Hannover 500 Leichenteile aus der Leine geborgen. Als Täter verdächtigt die Polizei den vorbestraften Fritz Haarmann. Unter Druck gesteht er. Am 15. April 1925 wird er hingerichtet.

von Levke Heed, NDR.de

Eine Stadt hält den Atem an: Im Frühjahr 1924 entdecken Kinder in Hannover beim Spielen am Fluss Leine einen menschlichen Schädel. In den Tagen darauf werden weitere gefunden. 500 Leichenteile von mindestens 22 Personen sind es schließlich. Die Menschen in der Stadt sind schockiert. Was steckt hinter diesen grausigen Funden? Die Untersuchungen ergeben, dass die Schädel alle von jungen Männern stammen. Handelt es sich möglicherweise um einen homosexuellen Serientäter?

Zahlreiche junge Männer vermisst

Seit 1918 hatte die Polizei in Hannover immer wieder Vermisstenmeldungen von besorgten Eltern aufgenommen, deren Söhne verschwunden waren. In den Wirren der Nachkriegszeit ist der Bahnhof von Hannover Sammelbecken für Heimatlose, Hehler und Prostituierte. Hier gerät Fritz Haarmann 1918 in das Visier der Ermittler. Er ist kein Unbekannter: Geboren am 25. Oktober 1879 in Hannover, wird Friedrich "Fritz" Heinrich Karl Haarmann bereits in jungen Jahren wegen "Unzucht an Knaben" angeklagt. Immer wieder hat er mit psychischen Problemen zu kämpfen und wird daraufhin aus dem Militärdienst entlassen. Wegen Kleinkriminalität und sexuellem Missbrauch von Kindern landet er mehrfach im Gefängnis.

Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung finden die Beamten keine Beweise. Weitere Hinweise werden von der Polizei nicht ernst genommen - wohl auch, weil Haarmann seit 1918 für die Polizei als Spitzel arbeitet. Um finanziell über die Runden zu kommen, handelt er mit Fleisch und Altkleidern - zusammen mit Hans Grans, den er 1919 als 17-Jährigen kennenlernt und mit dem er zusammenlebt.

Zufällige Begegnung führt zu Haarmanns Verhaftung

Im Juni 1924 ist Haarmann mal wieder am Bahnhof von Hannover unterwegs. Dort gerät er mit einem jungen Mann namens Kurt Fromm in einen Streit. Beide werden von der Polizei verhaftet. Ein Beamter des Sittendezernats, der sich gerade mit den Schädelfunden an der Leine beschäftigt, erkennt Haarmann und erlässt kurzerhand Haftbefehl, denn Haarmann gehört zu den rund 80 bekannten Männern der Stadt, die aufgrund von Unzucht mit Männern bereits des öfteren mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind.

Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in der Roten Reihe 2 finden die Ermittler Bekleidungsstücke junger Männer. Die Polizei ruft daraufhin die Bevölkerung auf, die Fundsachen zu besichtigen, und hofft so auf weitere Indizien. Bei einer Zeugenvernehmung gibt es dann einen konkreten Hinweis: Eine Frau erkennt die Jacke ihres vermissten Sohnes bei einem jungen Mann. Zuvor hatte dieser das Kleidungsstück bei Haarmann gekauft. Auch Hans Grans gerät unter Verdacht. Während Grans bei der Polizei auf seine Vernehmung wartet, erkennt eine Mutter den Anzug, den Grans trägt, als den ihres vermissten Sohnes. Grans behauptet daraufhin, die Kleidung gegen Quittung von Haarmann erstanden zu haben.

Zweifelhafte Methoden der Polizei

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Der 1879 in Hannover geborene Haarmann gehört neben Ted Bundy, Charles Manson, Alexander Pitschuschkin und Jack the Ripper zu den prominentesten Serienkillern der modernen Kriminalgeschichte. Zwischen 1918 und 1924 brachte Haarmann mindestens 24 Jungen und Männer um, mit denen er zumeist vorher sexuell verkehrte. Weitere Morde sind wahrscheinlich, da mindestens sieben weitere Personen aus seinem Beuteschema in dieser Zeit verschwanden und nie gefunden wurden. Beweisen konnte man ihm das freilich nicht.


Haarmann, von Haus aus Schlachter, lockte die „Puppenjungs“, wie er sie nannte, unter verschiedenen Vorwänden in seine Wohnung, trieb sich teilweise wochenlang mit ihnen herum, bevor er sie durch einen vampirischen Biss in den Hals tötete und anschließend fachgerecht zerstückelte. Angeblich verarbeitete er Teile der Leichen zu Wurst und Sülze, die er an ein neben seiner Wohnung gelegenes Restaurant verkaufte. Diese Spekulationen konnten jedoch nie verifiziert werden. Den Rest der Leichen jedenfalls ließ Haarmann in der Leine verschwinden.

Der Schlächter von Hannover

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Die Art des Tötens brachte ihm gleich mehrere Spitznamen ein: Manche nannten ihn den Schlächter oder den Metzger, für die anderen war er der Werwolf oder eben der Vampir von Hannover. Und irgendwie passt all das auch zu Haarmann, einem Menschen, der die Medien nicht nur deswegen schon damals so sehr beschäftigte, weil seine Taten nie ganz aufgeklärt werden konnten. Sondern vor allem, weil nie ein einleuchtendes Charakterbild von ihm gezeichnet wurde. Am nächsten kam Haarmann sicherlich der Prozessbeobachter und Philosoph Theodor Lessing. In seinen „Haarmann-Protokollen“ drang Lessing in die Seele des Massenmörders ein. Er beschrieb Haarmann als einen hochsensiblen, auf den ersten Blick unsicher wirkenden Mann, der Probleme hatte, sich auszudrücken.

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Auf der anderen Seite erschien er ihm als ungemein bauernschlau, clever irgendwie, zielorientiert, vor allem aber auf der Suche nach Geborgenheit, Zuneigung, männlicher Liebe. Haarmann konnte sehr empfindsam sein, wurde nie offensichtlich wütend, innerlich aber brodelte es in ihm, er war wie zerrissen. Der einzige Mensch, der ihn erdete, war Hans Grans, 22 Jahre jünger als der Killer, hübsch, jungenhaft, aus gutem Hause. Er war so etwas wie seine große Liebe: „Wenn der Hans mich küsste", berichtete Haarmann, "wenn er mich so lieb in den Arm nahm und mich streichelte, dann war ich weg, dann konnte der mit mir machen, was er wollte."

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Aber Grans war nicht nur sein Geliebter, sondern auch sein Mitbewohner, sein „Geschäftspartner“. Gemeinsam hielten sich die beiden mit kleinkriminellen Diebstählen, Altkleiderverkäufen und anderen Minibeschäftigungen über Wasser. Über ein Jahr lang schliefen sie im gleichen Bett, waren sich gegenseitig hörig. „Man denke sich", schrieb Theodor Lessing über diese Abhängigkeit, „in den Tiefen der Untersee einen zähen, klugen Taschenkrebs, welcher nistet auf dem Höhlenhaus eines im Dunkel sich vollsaugenden, schleimigen Quallentieres, etwa eines pflanzenhaften Riesenpolypen, so hat man ein ungefähres Bild für die merkwürdige ,Symbiose'." Und doch, trotz aller Nähe und gemeinsamer Zeit, will Grans in den Jahren ihrer Beziehung nie etwas von den Gräueltaten mitbekommen haben.

"Köppen, und damit fertig"

In den Prozessen jedoch belastete Haarmann Grans schwer der Beihilfe, der daraufhin als erster zum Tode verurteilt wurde. Kurz vor der Vollstreckung des Urteils aber tauchte ein über 30 Seiten umfassender Entlastungsbrief Haarmanns auf, in dem er nicht nur Grans von jeglicher Mitwisserschaft freisprach, sondern auch erklärte, warum er im Gericht gelogen hatte: Er habe sich verraten gefühlt von dem einzigen Menschen, der ihm je etwas bedeutet habe. Grans habe nicht zu ihm gestanden und so wollte er es ihm heimzahlen, aber vor Gott könne er diese Lüge nicht rechtfertigen. Grans wurde trotzdem verurteilt – allerdings „nur“ zu zwölf Jahren Zuchthaus, die er in Celle absaß.

Dass es bei den vermeintlich 24 Opfern blieb, ist einem Zufall zu verdanken. Haarmann, der irrwitziger Weise ab und an als Polizeispitzel eingesetzt und daher oft trotz klarer Verdachtsmomente verschont worden war, wurde am 22. Juni 1924 verhaftet, als es am Hauptbahnhof zu einer Auseinandersetzung mit dem Jungen Kurt Fromm kam. Ausgerechnet also an jenem Ort, deren Wartesäle Haarmann beinahe täglich durchkämmte – nach Jungen, die er mit nach Hause nehmen konnte – verlassenen, unsicheren, unschuldigen Jungen.

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Wenige Tage zuvor hatten spielende Kinder am Ufer der Leine Schädel und Knochen entdeckt; die Polizei war dazu angehalten, in diesen Tagen jeden Kleinkriminellen erst einmal in Gewahrsam zu nehmen. Ein Beamter des Sittendezernats, der die Akten der gefundenen Leichenteile studiert hatte, setzte Haarmann fest und brachte ihn aufs Revier. Schnell konnte ihm zumindest der Kontakt mit einigen der vermissten Jungen nachgewiesen werden. Konkrete Beweise für die Morde jedoch gab es keine, so dass, wie erst Anfang der 60er-Jahre bekannt wurde, Haarmann zu einem Geständnis gezwungen wurde: Er wurde in eine kleine Zelle gepfercht, die durch die Polizei präpariert worden war. In den Ecken hingen echte Schädel, die von innen rot ausgeleuchtet waren, neben ihm stand ein Sack mit Gebeinen.


Man redete Haarmann ein, dass die Seelen der Toten ihn holen würden, wenn er nicht endlich zugebe, die Jungen umgebracht zu haben. Er wurde mit Faustschlägen und Tritten malträtiert, mit Gummischläuchen immer wieder in die Genitalien geschlagen. Haarmann gestand schließlich und wurde in einem Aufsehen erregenden Prozess unter Anwesenheit zahlreicher Medienvertreter am Landgericht Hannover verurteilt. Bereits am 15. April 1925 wurde er im Innenhof des Landgerichts geköpft – nur vier Monate nach der Urteilsverkündung. Auf die Frage des Psychiaters, der ihn zur Guillotine begleitete, ob er noch etwas zu sagen habe, antwortete Haarmann lapidar: "Köppen, und damit fertig."

Schlächter samt Hackebeil auf einem Adventskalender

Der Vampir von Hannover hinterließ an diesem Tage nicht nur große Erleichterung in der Hannoveraner Bevölkerung, die den damals bekannten Operetten-Schlager „Warte, warte nur eine Weilchen, bald kommt auch das Glück zu dir“ von Walter Kollo auf die Worte „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Schabefleisch aus dir“ umdichtete, sondern auch ein kulturelles Erbe: Filme wie Fritz Langs Klassiker „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ von 1931 oder Romuald Karmakars „Der Totmacher“ (1995) mit einem wie besessen spielenden Götz George in der Rolle des Fritz Haarmann rekurrieren auf die Serienmorde des Werwolfs.


Bands wie Macabre, Wumpscut oder Yeti’s Skiffle Men widmeten Haarmann Songs, der berühmte österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka erschuf in den 70er-Jahren eine Marmorfigur, die Haarmann zeigt, wie er gerade eines seiner Opfer an sich presst und blutgierig umschlingt. Der Cartoonist Rainer Ehrt lässt in einem 2002 erschienenen Band Fritz Haarmann und Jack the Ripper aufeinander treffen. Noch 2007 druckte die Hannoversche Tourismus-Gesellschaft den Schlächter samt Hackebeil auf einem Adventskalender ab.


Haarmanns Taten sind nie endgültig aufgeklärt worden, auch deshalb geht von seiner schaurigen Persönlichkeit noch heute eine derartige Faszination aus. Wie Theodor Lessing schon nach Prozessende 1924 wusste: „Man musste sich von vornherein eingestehen, dass eine gleichsam das Weltgewissen befriedigende Auflösung des ungeheuren Falles nicht möglich war.“

Was wurde aus Hans Grans?

Hans Grans galt als "Haarmanns Gehilfe", als sein Vertrauter und als wohl einziger Mensch, der ausgerechnet Haarmann sein Leben zu verdanken hatte. Nach Haarmanns Mordserie wurde auch Grans im Jahr 1924 zum Tode verurteilt, wegen Anstiftung zum Mord.

Wie ist Fritz Haarmann gestorben?

Bereits am 19. Dezember wird Fritz Haarmann, der "Schlächter von Hannover", wegen 24-fachen Mordes zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Am 15. April 1925 wird er hingerichtet.

Wie wurde Fritz Haarmann erwischt?

Am 22. Juni 1924 wurde Haarmann verhaftet, als es am Hauptbahnhof zu einer Auseinandersetzung mit dem Jungen Kurt Fromm kam. Genau an jenem Hauptbahnhof, dessen Wartesäle Haarmann, manchmal auch mit Grans, beinahe täglich durchkämmte.

Wo ist das Grab von Fritz Haarmann?

Seine letzte Ruhestätte soll die Urne auf dem Junkerberg-Friedhof gefunden haben. Über Jahrzehnte hatte der präparierte Kopf Haarmanns in der Göttinger Rechtsmedizin gelagert.