Wie hoch ist der unterschied zwischen ost und westrenten

Die Schlagzeile war unübersehbar: ganz oben auf Seite 1, in großen Lettern: "Ost-Rente bis zu 234 Euro höher als West-Rente", titelte die Bild-Zeitung am Samstag und verweist auf neue Zahlen der Rentenversicherung. Einmal mehr strapaziert das Boulevardblatt das Märchen vom reichen Ostrentner.

Doch was BILD verschweigt: Beim Rentenvergleich Ost/West werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das sollte BILD mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eigentlich wissen.

Was schreibt BILD konkret?

Das Blatt beruft sich auf eine neue Auswertung der Rentenversicherung, wonach in Sachsen im Durchschnitt 1.301 Euro/Monat ausgezahlt werden, gefolgt von weiteren ostdeutschen Bundesländern wie Brandenburg 1.293 Euro, Sachsen-Anhalt 1.284 Euro, Thüringen 1.278 Euro, Mecklenburg-Vorpommern 1.255 Euro und Berlin 1.184 Euro. Mit 1.145 Euro/Monat folgt dann auf Platz 6 das erste westdeutsche Bundesland, nämlich Baden-Württemberg.

Es folgen alle anderen West-Bundesländer, Schlusslicht ist Rheinland-Pfalz, wo Rentner laut Statistik 1.067 Euro im Monat beziehen. Die Differenz zwischen Sachsen und Rheinland-Pfalz beträgt 234 Euro. Als Begründung für die hohen Renten im Osten gibt Bild die hohe Erwerbsquote von Frauen in der DDR an, was zweifellos stimmt und – speziell in Sachsen – die hohe Zahl von vielen Industriejobs zu DDR-Zeiten. 

Lügt BILD?

Ein klares Nein! BILD lügt nicht, die Statistik ist korrekt. Auf Nachfrage erklärt die Deutsche Rentenversicherung, dass die Zahlen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP im Bundestag stammen. Die dabei verwendete Statistik stammt wiederum von der Deutschen Rentenversicherung.

Interessant dabei ist, dass es sich bei den Zahlen um die Nettozahlbeträge von Frauen und Männern handelt, so dass aufgrund der höheren Frauenrenten im Osten die fünf neuen Länder und Berlin auf den vorderen Plätzen landen mussten. Was aber BILD verschweigt ist, dass die Renten in Ost und West nicht miteinander vergleichbar sind. Eigentlich hätte BILD auch schreiben können "Ost-Äpfel sind größer als West-Birnen" oder – um es noch klarer auszudrücken – "Ost-Pflaumen sind größer als Westkirschen".

Zusatzrenten – im Osten in der Statistik,  im Westen nicht

Ein weiteres Problem des Äpfel-Birnen-Vergleichs der Renten ist die Einbeziehung der DDR-Zusatzrenten in die gesetzliche Rentenstatistik. Alle in der ehemaligen DDR erworbenen Zusatzrentenansprüche sind nämlich heute Teil der gesetzlichen Rente. Das betrifft die Zusatzrenten des Staatsapparates, die sogenannte Intelligenzrente aber auch Systeme wie die Freiwillige Zusatzrente FZR oder anders gesagt – die Zusatzrenten gibt es nicht zusätzlich zur gesetzlichen Rente, sie stecken bereits drin.

 Was das bedeutet, lässt sich am besten am Beispiel von angestellten Lehrern verdeutlichen. Ein angestellter Lehrer bekommt im Westen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Zusatzrente VBL, das ist die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Für die offizielle Rentenstatistik zählt aber nur die Höhe der gesetzlichen Rente, die Zusatzrente (VBL) bleibt unberücksichtigt.

Auch in der DDR hatten Lehrer eine Zusatzversicherung. Diese ist heute Teil der gesetzlichen Rente und fließt somit in die Statistik ein. Übrigens: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es natürlich auch im Osten eine Zusatzrente für den öffentlichen Dienst, die nur für Beschäftigungszeiten im vereinten Deutschland gilt. Hier beziehen Ost-Senioren im Durchschnitt 180 Euro brutto im Monat. Im Westen sind es 396 Euro, also mehr als das Doppelte. Beide Werte gehen nicht in die Statistik ein.

Reiche Westsenioren drücken Rentendurchschnitt West

Kaum zu glauben, aber ausgerechnet die Renten gutsituierter Westsenioren lassen die Renten-Durchschnittswerte im Westen sinken. Um das zu verstehen, müssen wir uns in die Tiefen der Rentenstatistik begeben, die übrigens auch für BILD zugänglich ist. Danach haben zum Stichtag 31.12.2019 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor), in den alten Bundesländern 1.650.996 Männer eine gesetzliche Rente von unter 600 Euro im Monat bezogen. Das sind sage und schreibe 22,8% aller Männer, die eine gesetzliche Rente beziehen, also jeder fünfte Mann. In den neuen Bundesländern sind es nur 6%.

Sind also Westmänner massiv von Altersarmut betroffen? Bei nur 600 Euro Rente im Monat müsste Vater Staat mit der Grundsicherung zur Hilfe eilen. Aber davon kann seine Rede. Offiziell beziehen auch nur ca. 2,4% aller Senioren in Deutschland eine Grundsicherung. Wie also ist diese hohe Zahl von Männern mit Minirenten zu erklären? Ganz einfach: Viele Berufstätige, die sich später als Beamte, Selbständige oder Freiberufler aus der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung verabschieden, sind am Anfang ihres Berufslebens noch gesetzlich rentenversichert. Mitunter sind es nur wenige Jahre. Die Rentenansprüche dafür verfallen aber nicht. Sobald das gesetzliche Rentenalter erreicht ist, haben diese Senioren Anspruch auf diese nur geringen Rentenansprüche. Die Folge sind dann Minirenten von wenigen hundert Euro. Und diese Renten fließen in die offizielle Statistik.Tatsächlich aber haben diese meist gutverdienenden Berufsgruppen sehr hohe Alterseinkünfte – aber eben nicht aus der gesetzlichen Rente. Und diese hohen Alterseinkünfte gehen dann nicht die Statistik ein. Bei Beamten werden die Mini-Renten mit der Pension verrechnet, bei Selbständigen und Freiberuflern gibt es die Beträge extra zu ihrer privat angesparten Rente. Diese Minirenten drücken damit den Durchschnittswert im Westen.

Statistik richtig lesen

Die Rentenhöhen in Ost und West sind als nicht miteinander vergleichbar und schon gar nicht sagen die Zahlen der BILD etwas über den tatsächlichen Wohlstand von Senioren aus. In den neuen Bundesländern bestehen alle Alterseinkünfte zu 94% allein aus der gesetzlichen Rente. In den alten Ländern sind es nur 68%. Das heißt, knapp ein Drittel entfällt auf andere Zahlungen. Das betrifft die Beamtenversorgung (Pensionen), die im Westen zu 18% zur Absicherung des Alters beiträgt – im Osten nur zu 3%. Das betrifft die betriebliche Altersversorgung, wo die im Westen mit 11% mehr zum Lebensstandard beiträgt als im Osten (3%). Und es betrifft auch die private Vorsorge.

Was aber heißt das unterm Strich? Wie viel haben denn nun die Rentnerhaushalte in Ost und West tatsächlich zum Leben? Bei Ehepaaren sind es im Monat: 2.989 Euro im Westen und 2.577 Euro im Osten.Bei alleinstehenden Frauen 1617 Euro im Westen und 1567 Euro im Osten. Bei alleinstehenden Männern 1.875 Euro im Westen und 1.563 Euro im Osten.

Die Nettoeinkommen der Senioren sind im Westen also höher. Die Zahlen stehen im aktuellen Alterssicherungsbericht der Bundesregierung. Sie sind leicht zu finden – auch für BILD.

Man muss es nur wollen!   

Wie hoch sind die Renten in Ost und Westdeutschland?

Gesetzliche Renten sind bei gleichen Versicherungszeiten im Osten deutlich niedriger als im Westen. 2020 lag der durchschnittliche Zahlbetrag in den östlichen Bundesländern nach mindestens 40 Versicherungsjahren bei 1252 Euro im Monat. Im Westen waren es 1428 Euro. Bundesweit war der Durchschnitt 1371 Euro.

Wie hoch ist die Durchschnittsrente im Osten und im Westen?

Im Jahr 2020 lag der durchschnittliche monatliche Rentenzahlbetrag für Männer und Frauen in Ost und West bei insgesamt etwa 979 Euro, Frauen in Westdeutschland erhielten im Schnitt ca. 741 Euro.

Was bekommt ein Rentner im Osten?

Rentenerhöhung zum 1. Juli Das Gesetz, das auf einen Entwurf der Bundesregierung zurückgeht, hebt zum 1.7.2022 den aktuellen Rentenwert auf 36,02 Euro und den aktuellen Rentenwert (Ost) auf 35,52 Euro an. Damit steigen die Renten im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent.

Warum sind die ostrenten höher als westrenten?

Die Renten im Osten sind im Durchschnitt höher als die Westrenten. Diese Tatsache hat viele Ursachen. Unter anderem auch, dass die Frauen in der ehemaligen DDR, im Rentenrecht Beitrittsgebiet genannt, eine viel längere Erwerbsbiografie nachweisen können, als die Frauen in den alten Bundesländern.