Wir Kinder vom Bahnhof Zoo DJ erklärung

des weiteren, jedoch nicht unproblematisch: die darstellung der freier, insbesondere die des „günthers“. stotter-max gab es nur kurz im film, hier ausführlicher und sogar tatsachengetreu, da (geht es nach dem buch) sowohl christiane als auch detlef zeit mit ihm verbrachten. da lässt sich über den fakt hinwegsehen, dass er sie nicht mit heroin, sondern in bar bezahlte – im gegensatz zu günther, der die rolle des heinz aus dem buch einnimmt. das ist der problematische teil: gerade günther wird als eifer- und sehnsüchtiger pädophiler dargestellt, der sich die mädchen mit heroin gefügig machen will und gewalttätig wird, als er herausfindet, dass die erkauften mädchen sich auch über andere freier versorgen. bis es soweit kommt, schrammt seine darstellung durch fürsorge und die heiratsanträge gefährlich nahe an der grenze zum mitgefühl vorbei (und überschreitet am ende auch die zur fremdscham).

der positive aspekt ist also der versuch, die längere spieldauer dafür zu nutzen, die geschichte nicht ausschließlich auf christiane, sondern auf das gefüge der clique und deren familiäres sowie das umfeld der freier zu fokussieren. ebenfalls gut: das misstrauen innerhalb der clique bekommt seinen raum und stimmt dadurch mit buch und film überein.
generell: mehr versuche zur detailtreue und damit eine steilvorlage für detailversessene wie mich. jedoch bleibt es bei diesen versuchen eben viel zu häufig.

negative aspekte

dem einfachsten und einem der mittlerweile am häufigsten vorgebrachten hauptkritikpunkte schließe ich mich an: es ist wenig sinnvoll, eine produktion mit so einem titel und entsprechend vorgeschalteten erwartungen in der ersten reihe mit schauspieler*innen zu besetzen, die um die 20 jahre alt sind. schön, wenn bereits einiges an erfahrungen in die waagschale geworfen werden kann. der film konnte durch die konsequente besetzung mit teenagern mit authentizität punkten, wobei das nicht der einzige grund ist, weshalb dies der serie so gut wie komplett abgeht.
erstmal hierzu: die serien-christiane geht als 16/17-jährige durch und deren vater könnte ihr großer bruder oder cousin sein (gut, mental ist er das in der serie auch). sicher, ihre mutter (also die aus dem buch) wurde früh schwanger, um der enge des elternhauses zu entfliehen. aber zur verdeutlichung nur mal etwas mathematik mit den geburtsjahren der seriendarsteller*innen: angelina häntsch (spielt hier christianes mutter) ist jahrgang 1984, sebastian urzendowsky (spielt christianes vater) 1985, jana mckinnon (also christiane) 1999. früh übt sich.
mal abgesehen vom alter ist christianes vater der jugendlich wirkende tölpel, der keine antworten auf die finanziellen nöte parat hat. das entlädt sich zu weihnachten gegenüber ihrer mutter in handgreiflichkeiten. und ja, das ist (bis auf weihnachten, vielmehr war christiane eine maus abhanden gekommen) so im buch passiert, jedoch war das der traurige höhepunkt einer langen reihe von misshandlungen, denen sich die familie ausgesetzt sah und der letztendlich zur scheidung und auszug der mutter mitsamt christiane und ihrer schwester führte. apropos: wo ist ihre schwester in der serie eigentlich?
mit etwas gutem willen kann mensch das jedoch noch als passabel umgesetzte einführung in die gemütslage sehen, die christiane mitsame ihrer clique zum sound und zum ersten drogenkonsum verführt. das sound ist hier wiederum ein ziemlich hipper club, in dem die lichtanlage den exponiert positionierten dj mit einer art heiligenschein versieht. überhaupt ist die welt dort schön bunt, die meute feiert zu mal mehr und mal minder poppigem techhouse. die brücke zur jetztzeit sollte damit wohl geschlagen werden, ist aber für meine begriffe sehr wacklig. die serien-christiane ist sofort angetan von dieser welt. da wird nicht mal ansatzweise daran gedacht, dass die erste nacht im sound die erwartungen der buch-christiane eigentlich so gar nicht erfüllt hat und sie sich stattdessen erst – auch zuliebe der anerkennung ihrer freund*innen – an den laden gewöhnen musste. stattdessen dominiert in der serie eine gewisse naivität, die teenagern sicherlich zueigen ist. aber wenn selbst die 16-jährige christiane ihre skepsis gegenüber dem sound im buch so benennen und ihren drogenkonsum auch kritisch spiegeln kann, hätte dies berücksichtigt werden können, gar müssen.

durch die musikauswahl wird die inkonsequenz nochmal deutlicher: die musik david bowies ist zentral für buch und film, fungiert in der serie jedoch als vehikel, beim luftgitarrewettbewerb im sound karten für’s konzert abgreifen zu können, das nun wiederum die gesamte clique besucht, bzw. besuchen will. für’s protokoll: auch wenn der cameo-auftritt bowies im film hätte zusammengekürzt werden können (obgleich ich verstehe, dass seine präsenz dem streifen mehr aufmerksam- und glaubwürdigkeit beschert hat), orientierte sich das drumherum immerhin ziemlich genau an den erlebnissen aus dem buch. christianes mutter hatte zwei tickets und christiane ging mit „hühnchen“ zum konzert, weil detlef zu der zeit bereits erfahrungen mit heroin sammelte. sie hatte also genug mit einer gefühlten distanz in ihrer beziehung und der angst vor mangelnder anerkennung in der clique zu kämpfen – gleichzeitig gaben ihr die trips und andere rauschmittel immer weniger. in der gemengelage griff sie (im buch und im film) zum ersten snief, nicht unter zuhilfenahme von mystery-elementen als metapher der verführung zur spritze auf dem silbertablett wie in der serie. danach konsumiert sie erstmal nasal weiter, bis wieder die spritze aktuell wird. da wurde die genauigkeit einer ästhetik geopfert, die nur vermeintlich drastisch sein will, aber durch die verlagerung ins mysteriöse, nebulöse entschärft. bitte immer im hinterkopf behalten: wir haben es ja hier mit einer neuinterpretation zu tun.

es gibt also die ungenauigkeiten, die sich jedoch nicht kritisieren lassen, weil: siehe disclaimer zu beginn jeder folge. also weiter im dilemma, wenn dieser pfad für den rezensenten versperrt ist und die serie als eigenständiges werk gesehen werden muss. dann bleibt noch genug absurd-hanebüchenes: der dj des sounds scheint ein vielbeschäftigter mann zu sein. erst opfer von sexparties nach art der cosa nostra im wald verscharren, dann läuft babette / babsi ihm in dahlem fast vor’s auto, in dem sie direkt übernachten darf. in weiteren folgen himmelt sie ihn inner- und außerhalb des sounds an und sehnt sich nach dessen beachtung. ich habe das erst als eine art vaterersatz gesehen. aber da es mir gerne mal an interpretationsfähigkeiten mangelt, bin ich für die amazon-rezension dankbar, die ihn als personifizierten tod benannt hat. es mag aber auch diskutabel sein, ob es solche metaphorisch, beinahe märchenhaft aufgeladenen bilder wirklich braucht, was sowohl zur thematik und erst recht zum ausgangsmaterial für mich partout nicht passen will.

dann noch die angedeutete hexenverbrennung von christianes tante auf dem land, die vielleicht die konservative strenge untermalen soll, aber für mich nicht zur handlung beiträgt und damit ein aus der luft gegriffenes schockelement bleibt.

der momente zum stutzen damit jedoch nicht genug. auswahl:
christiane stürzt gleich in der ersten folge zehn stockwerke mit dem fahrstuhl in die tiefe und schildert das vor der klasse unter allgemeinem gelächter. wenn zuschauer*innen dort bereits auf den bevorstehenden gesundheitlichen, moralischen absturz vorbereitet werden sollen: ganz schön plump, das ganze. zumal ich mir bei niemenschem vorstellen kann, nach so einem unfall noch relativ gerade vor einer klasse stehen zu können.
axels paranoia, von der stasi abgehört zu werden, wird nach seinem tod bekräftigt.

grotesk wird es mit den angesprochenen sexparties oder dem, was stella als zuhälterin zum schluss angedichtet wird. moralische verrohung hin oder her, aber da hätte es gereicht, nahe am buch zu bleiben.
komischerweise passiert das auch in details, um die nerds zufriedenzustellen: so ist die buch-stella im gefängnis tatsächlich monika berberich von der raf begegnet, aber benannt wird sie in der serie auch nicht. und deren grundlagen der kapitalismuskritik münzt stella fortan in der form um, jüngere mädchen für sich anschaffen gehen zu lassen. kann mensch als zeichen abgestumpfter nutzung von intelligenz und einer weiteren stufe richtung moralischen verfall sehen. dafür ist das mir nicht nur eine ecke zu billig und außerdem passt dieser geschäftssinn nicht so recht zu den um die ecke lauernden entzugserscheinungen.

der turkey scheint auch kein thema zu sein, wenn die drei jungen damen modisch gestylt mit einem lächeln auf den lippen auf dem catwalk unter freien himmel (gemeint ist eigentlich der babystrich) zu den klängen von santigold die herren in den autos heiß machen. die unangenehmen seiten bekommt mensch nur mit, wenn christiane alleine dargestellt wird – oder die spuren in babsis gesicht nach angedeuteter gruppenvergewaltigung (die im buch tatsächlich erwähnt wird), wo der dj, totengräber, vaterfigur und tod in personalunion die wunden reinigt bzw. babsi ins jenseits holt.

zurück zu den entzügen: die dauern nicht mal ansatzweise so lange wie die für den film zentrale szene. leicht verschwitzte haare sowie oberteile und menschen übergeben sich ein klein wenig – schon ist das ganze überstanden. erscheint jedes mal nicht viel schlimmer als ein ordentlicher kater, insofern sind rückfälle durchaus in kauf zu nehmen. überhaupt bemerkenswert, dass zwischen babystrich, schule sowie der mehrmals am tag erfolgenden injektion von unreinem heroin noch so ein makelloses styling möglich ist, so dass allerhöchstens der teint etwas blasser wird.

in all dem (besetzung, absurditäten, verklärende bilder, die sich nur dann etwas schockeffekt trauen, wenn es echt nicht mehr anders geht, aber auch dann nur in homöopathischen dosen) spiegelt sich das wider, unter dem die serie für mich zu leiden hat: sie nimmt die neuinterpretation in den fokus, verharrt dabei im szenenbild der 1970er/1980er mit der musik von heute, bleibt dabei also für mich inkohärent. über vielen szenen scheint der kelvin-filter aus instagram zu liegen, so dass ich bei den streifzügen der clique durch berlin schon darauf wartete, etwas wie „a chorus line“ oder wenigstens reminiszenzen an „saturday night fever“ zu sehen.
alles, was mit dem (intravenösen) heroin-konsum und dessen begleiterscheinungen zu tun hat, ist hier im gegensatz zum film für mich erschreckend verharmlosend. trotz der bereits genannten defizite des films war der immerhin in seiner schonungslosigkeit konsequent. auch wenn ihm seinerzeit der vorwurf der glorifizierung gemacht worden ist, konnte ich am entzug, den bildern aus dem u-bahnhof kurfürstendamm, die mit david bowies „sense of doubt“ unterlegt waren und allem was danach folgte, beim besten willen nichts erstrebenswertes finden.

in der serie sitzt hingegen bei wind und wetter und entzug die frisur sowie das make-up. abszesse, unreine, fahle haut, abmagern: fehlanzeige. wenn dem stoff ein zeitloserer anstrich gegeben werden sollte: warum nicht neben hepatitis auch hiv erwähnen oder wollte mensch sich hier nicht über die beginnenden 1980er hinaustrauen?
bei der serie bleibt alles verklärend. selbst die anteilnahme am tod axels wird durch einen gemeinsamen gang zum friedhof fast schon karikiert, indem der rest der clique sich vor dem tor in einem outfit trifft, als ob sie ins berghain möchte (und dabei dem irrglauben aufsitzen, dass die chancen mit schwarzen anziehsachen am besten stehen). noch etwas koketterie mit sex-appeal gefällig? klar, gibt es auch, wenn die serien-christiane ihrem vater die letzten reste des heroins in schwarzem body und netzstrümpfen überreicht.
das herbeikonstruierte ende, bei dem sich christiane und bennodetlef nochmal im gefängnis sehen, setzt der ganzen misere hier noch die krone auf und hinterlässt bei zuschauer*innen die illusion, dass mensch mit dem h-konsum zwar schon irgendwie aufpassen muss, aber letztlich doch glimpflich davonkommen kann. christiane ist da auf einmal viertbeste in ihrer klasse, wohingegen die buch-christiane aufgrund der vorgeschichte auf die hauptschule versetzt worden ist. neben der allgemeinen weichspülung der thematik hat sich die serie auch hier nicht getraut, den damals (und zuweilen auch heute noch) fehlenden willen einer gesellschaft zu benennen, mit dieser problematik umzugehen.

wie hätte es besser laufen können?

nun, es sind seit buch und film rund vier jahrzehnte ins land gegangen. es gibt mit „trainspotting“ sowie „requiem for a dream“ hervorragende beispiele, wie eine seitdem bekannte drogenproblematik ästhetisch anspruchsvoll, aber dennoch passend für den zeitgeist inszeniert werden kann. alleine die entzugsszene zu „dark & long“ von underworld in „trainspotting“ zeigt doch sehr gut, dass sich dance-musik und eindringliche bilder im halbwahn nicht ausschließen müssen. das liegt hier auch an einer hervorragenden dramaturgischen vorbereitung.
„requiem for a dream“ ist fast noch besser vergleichbar: das buch erschien im gleichen jahr wie „wir kinder vom bahnhof zoo“, der film kam jedoch erst gut 20 jahre später. geht es nach dem szenenbild, ist der zumindest so zeitlos, dass er in den 1980er-, aber auch in den 1990er-jahren hätte spielen können. was hier vor allem richtig läuft und mich am ende auch schlaflos zurückgelassen hat: er stellt das streben nach anerkennung als suchtmotiv ins zentrum. gleichzeitig nutzt er den belohnungseffekt durch substanzkonsum, der diese temporäre erfüllung vorzugeben scheint, hervorragend dafür aus, bei zuschauer*innen genau wie bei den konsument*innen die erwartungen zu wecken, dass dies alles durchaus so weitergehen kann. und schlägt dann doch erbarmungslos, jedoch nicht ohne vorwarnung zu.

angesichts dieser beiden nicht mal zweistündigen filme ärgert es mich umso mehr, dass bei dieser serie trotz aller vermeintlichen neuanalysen des audiomaterials von den interviews sowie des buches das augenmerk auf die produktion leicht verdaulicher bilder gelegt worden ist. die kolportierte „inhaltliche neuinterpretation“ bedeutet für mich hier in so gut wie jeder hinsicht absurdes, verharmlosendes und im besten falle redundantes. alles wirft die frage auf, ob die produzent*innen dem amazon-publikum nicht mehr zumuten wollten. hat sich aber auch seit letzter woche erledigt, da der film zeitgleich zum serienstart ebenfalls für prime-kunden freigeschaltet worden ist.

Welche Rolle spielt der DJ in Wir Kinder vom Bahnhof Zoo?

In der Amazon-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoospielt Lea Drinda (18) die drogensüchtige Schülerin Babsi. Nicht nur wegen des Themas ist die Serie für sie besonders. Mit ihren 18 Jahren ist Lea Drinda das jüngste Mitglied der Schauspieler von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“.

Warum Benno und nicht Detlef?

► Stichwort Personen. Christianes Heroin-Freund heißt in der Serie nicht Detlef, sondern Benno. Auch die Vornamen von Christianes Eltern wurden aus Persönlichkeitsrechtsgründen zu Karin und Robert verändert.

Wie ist Babsi döge gestorben?

19. Juli 1977Babette Döge / Sterbedatumnull

Was ist aus Stella geworden?

Heute ist die 52-Jährige eine erfolgreiche Drehbuchautorin. 2001 bekam sie für das Skript zu der DDR-Punkgeschichte "Wie Feuer und Flamme" den Deutschen Filmpreis. Bei der diesjährigen Lola-Vergabe wurde das ebenfalls von ihr geschriebene Drama "Amelie rennt" als bester Kinderfilm ausgezeichnet.