Am abend wenn die glocken frieden läuten

Analysiere und interpretiere das Sonett „Verfall“ von Georg Trakl und gehe dabei auf Inhalt, Form und Sprache ein. Berücksichtige insbesondere, dass es sich bei „Verfall“ um ein Gedicht aus dem Expressionismus handelt und gehe in deiner Analyse auf typische Merkmale der Epoche ein.

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Verfall

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart [1], gleich frommen Pilgerzügen [2],
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser [3] kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen [4]
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern [5],
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern [6] neigen.

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des Einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann:
Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn [7] den blauen Fluss hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Rondel

Verflossen ist das Gold der Tage,
Des Abends braun und blaue Farben:
Des Hirten sanfte Flöten starben
Des Abends blau und braune Farben
Verflossen ist das Gold der Tage.

Ein Winterabend

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt [8].

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden [9].
Golden blüht der Baum der Gnaden [10]
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle [11].
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein. [12]

Menschheit

Menschheit vor Feuerschlünden aufgestellt,
Ein Trommelwirbel, dunkler Krieger Stirnen,
Schritte durch Blutnebel; schwarzes Eisen schellt,
Verzweiflung, Nacht in traurigen Gehirnen:
Hier Evas Schatten, Jagd und rotes Geld.
Gewölk, das Licht durchbricht, das Abendmahl.
Es wohnt in Brot und Wein ein sanftes Schweigen
Und jene sind versammelt zwölf an Zahl.
Nachts schrein im Schlaf sie unter Ölbaumzweigen;
Sankt Thomas taucht die Hand ins Wundenmal.

Am abend wenn die glocken frieden läuten
mehr über Georg Trackl

[1] scharen: um jmd. versammeln
[2] der Pilger: jemand, der eine (weite) Reise zu einem heiligen Ort macht, um dort zu beten – Wallfahrer
[3] der Weiser: veraltet für Uhrzeiger
[4] der Reigen: ein Tanz im Kreis mit Gesang
[5] verwittern: durch den Einfluss des Wetters seinen Zustand verändern und allmählich zerfallen
[6] die Aster: eine Blume, die besonders im Herbst in vielen Farben blüht
[7] der Kahn: ein kleines, offenes, flaches Boot (zum Rudern)
[8] bestellen: (hier) ordnen, einrichten
[9] der Pfad: ein schmaler Weg
[10] die Gnade: (hier) die Verzeihung der Sünden durch Gott [Baum der Gnaden = das Kreuz, an dem Jesus Christus starb, verankert im Irdischen. Es ist Zeichen der Einladung zur Einkehr, ja zur Heimkehr.]
[11] die Schwelle: der leicht erhöhte Teil des Fußbodens an der Türöffnung
[12] Brot und Wein: Symbol für das Abendmahl, das auch heute noch in den Kirchen gefeiert wird

„Ein Vogel saß einst auf dem Wall von Tûs, // Vor ihm der Schädel König Keykawûs // Und klagte immerfort: Afssûss, afssûss! // Wo bleibt der Glocken und der Pauken Gruß?“

—  Omar Khayyam persischer Mathematiker, Astronom, Philosoph und Dichter 1048 - 1131

Robâîyât-e-Khayyâm (Übersetzt von Friedrich Rosen)
Original Farsi: "مرغی دیدم نشسته بر باره طـوس // در پیش نهاده کله کیکاووس // با کله همی گفت که افسوس افسـوس // کو بانگ جرسها و کجا ناله کـوس"

Am abend wenn die glocken frieden läuten

„Ein literarischer Text ist wie eine Glocke. Wir lesen den Text – aus der Glocke erklingt der Ton. Wir sind mit dem Lesen fertig – und in der Glocke bleibt ein Tönen: Ein Summen nach dem Ton. Und ich bin überzeugt: einen literarischen Text ohne ein solches Summen gibt es überhaupt nicht, egal ob der Autor davon weiß oder nicht ….“

—  Micho Mossulischwili georgischer Schriftsteller 1962

Suggestive Elemente: Fünf Miniaturen von Micho Mosulischwili, Übersetzung: Joachim Britze, Matrix - Zeitschrift für Literatur und Kunst, 3/2016 (45)
Original georgisch: „ლიტერატურული ტექსტი - ეს არის ზარი. ჩვენ ვკითხულობთ ტექსტს - ზარი რეკავს. ვამთავრებთ კითხვას და ზარი აღარ რეკავს, მაგრამ მის შიგნით მსუბუქი გუგუნი ისმის. და მე დარწმუნებული ვარ, ამ მსუბუქი გუგუნის გარეშე ლიტერატურული ტექსტი არ არსებობს, მიუხედავად იმისა, იცის თუ არა ავტორმა ეს..." - „სუგესტიური პლასტები“ წიგნიდან „გედები თოვლქვეშ“, 2004, ISBN 99940-29-30-4
Schwäne Unter dem Schnee (Miniaturen)

Am abend wenn die glocken frieden läuten

„Und stündlich mit den schnellen Schwingen // Berühr' im Fluge sie [Anm: die Glocke] die Zeit, // Dem Schicksal leihe sie die Zunge, // Selbst herzlos, ohne Mitgefühl, // Begleite sie mit ihrem Schwunge // Des Lebens wechselvolles Spiel. // Und wie der Klang im Ohr vergehet, // Der mächtig tönend ihr entschallt, // So lehre sie, daß nichts bestehet // Daß alles Irdische verhallt.“