Bedeutung schwibbogen erzgebirge

"Dieser Bogen stellt das wieder geöffnete Himmelstor dar", da ist sich Harald Teller beim Blick nach oben sicher. So müssen es sich die Bergleute und ihre Angehörigen in früheren Jahrhunderten vorgestellt haben. Einen solchen Lichterbogen gibt es auch weiter östlich im Erzgebirge in der Scheibenberger Kirche. Eine Rechnung von 1716 belegt, dass er dort zur Christmette aufgestellt wurde - das früheste Zeugnis dieser erzgebirgischen Besonderheit. Und ein lange Vergessenes, aber nicht bei Tellers.

Ältesten Schwibbogen zieren nackte Menschen

Es gibt eine Legende über die Entstehung des Schwibbogens: dass er das Mundloch eines Stolln darstelle, an das die Bergleute ihr Geleucht hingen. Doch es war wohl anders. Den Beweis holt Harald Teller vorsichtig aus einem Pappkarton. "Das ist der älteste erhaltene Schwibbogen, er stammt aus dem Jahr 1740 und einer meiner Vorfahren, der auch Teller hieß, hat ihn geschmiedet."

Bedeutung schwibbogen erzgebirge

Der älteste erhaltene Schwibbogen ist ein Schmiedekunstwerk aus dem Jahr 1740. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Das ist der älteste erhaltene Schwibbogen, er stammt aus dem Jahr 1740 und einer meiner Vorfahren, der auch Teller hieß, hat ihn geschmiedet.

Es war ein Geschenk für eine Weihnachtsfeier der Johanngeorgenstädter Bergleute. Am 24. Dezember trafen sie sich zur Mettenschicht in ihrem Huthaus. Es wurde viel gesungen, Hochprozentiges machte die Runde, Kerzen rußten. Und da war dieser Lichterbogen des Bergschmieds Teller. Auf ihm Engel, Bergleute - aber auch zwei nackte Menschen.

"Der 24. Dezember war nach alter Tradition der Tag von Adam und Eva", erklärt Harald Teller das biblische Rätsel. "Deshalb ist hier auf der einen Seite der Sündenfall dargestellt, wo Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen. Von den beiden Erzengeln werden sie deswegen aus dem Paradies vertrieben." Auch das ist auf dem eisernen Lichterbogen zu sehen. Die Farben leuchten noch.

Schmiedewerk steckt voller symbolhafter Rätsel

Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende, weiß Harald Teller. Er führt die alte Schmiede seiner Vorfahren in Johanngeorgenstadt noch immer weiter - heute als Autowerkstatt. Die Menschen lebten - damals wie heute - weiß Gott nicht in paradiesischen Zuständen. Doch in der Bibel, wie auf dem ersten Schwibbogen in Johanngeorgenstadt, ist das nur die Vorgeschichte von Weihnachten.

Bedeutung schwibbogen erzgebirge

Da darf der Lichterbogen im Fenster natürlich nicht fehlen: Wo früher der Lichterbogen geschmiedet worden sein soll, legen heute KfZ-Mechatroniker Hand an. Bildrechte: Andreas Roth

Harald Teller zeigt auf einen eisernen Schlüssel zwischen zwei Bergleuten. "Weihnachten wird Jesus geboren. Weil er sein Leben für die Menschen opfert, kann mit dem Schlüssel hier das Tor zum Paradies wieder geöffnet werden." All das ist auf dem ältesten erhaltenen Schwibbogen zu sehen, als wäre er selbst dieses Tor. Ganz so wie die Lichterbögen in den Kirchen von Johanngeorgenstadt und Scheibenberg. Sie waren das Vorbild für den Tischleuchter, glaubt Harald Teller. Er erforscht und sammelt Schwibbögen wie sein Vater und sein Bruder seit vielen Jahren.

Lichterbogen als Schutzschirm in kalter Jahreszeit

Wenn der Johanngeorgenstädter heute durch seine Stadt geht und in die Fenster blickt, dann sieht er, welchen Zauber diese Lichterbögen noch immer haben. Und wie sie sich ausbreiten über das Erzgebirge und über Sachsen hinaus. "Vielleicht ist er so etwas wie ein Schutzschirm", überlegt er, "wie eine Henne, die ihre Küken behütet. Dass er aufgemacht wird und in die kalte Winternacht hineinleuchtet."

Vielleicht suchen heute auch Menschen, die sich gar nicht für gläubig halten, ein Tor zum Paradies. So wie die Bergleute einst - gerade zu Weihnachten.

Gahr for Gahr gieht’s zun Advent off‘n Bud‘n nauf: Wenn der erste Schnee fällt, die Fenster hell erleuchtet sind und köstlicher Weihrauchduft den Raum erfüllt, ist sie endlich da – die wunderbare Adventszeit. Bei uns im Erzgebirge sind die Wochen vor dem Weihnachtsfest eine ganz besondere Zeit mit zahlreichen Bräuchen. Zu den bedeutendsten Traditionen zählt das alljährliche Mannle Wecken vor dem ersten Advent. Dabei werden Schwibbögen, Pyramiden, Bergmänner, Engel und natürlich auch das eine oder andere Raachermannl aus der Kiste geholt, um damit Fenster und Wohnung zu dekorieren.

Beim diesjährigen Aufstellen des Weihnachtsschmucks gingen uns ein paar Fragen durch den Kopf. Warum sieht ein Schwibbogen eigentlich so aus, wie er aussieht? Wer hat die Pyramide ins Erzgebirge gebracht? Und wieso stehen in manchen Fenstern gleich drei Bergmänner? Wir vom Erzgebirgshaus haben uns die Geschichte der Erzgebirgischen Volkskunst einmal genauer angeschaut – und dabei allerhand Wissenswertes herausgefunden.

Lichterglanz erhellt die Welt: Der Schwibbogen und seine Entstehung

Bedeutung schwibbogen erzgebirge

Beinahe alle Traditionen des Erzgebirges lassen sich mit der Geschichte des Bergbaus in Verbindung bringen – so auch der Brauch, einen Schwibbogen ins Fenster zu stellen. Weil die Bergleute nämlich den Großteil ihrer Zeit unter Tage verbrachten, bekamen sie insbesondere in den Wintermonaten kaum Licht zu Gesicht. Deshalb erhellten die Menschen in den erzgebirgischen Dörfern ihre Fenster, um die Bergmänner auf ihrem Arbeitsweg mit dem warmen Glanz des Lichtes zu erfreuen und ihnen den Weg nach Hause zu weisen.

Das Wort Schwibb stammt aus dem Bereich der Architektur. Der Begriff Schwibbogen bezeichnet dort Bauelemente, die ein bogenförmiges Strebewerk bilden. Für die Entstehung der namensgebenden Form des Schwibbogens gibt es verschiedene Theorien. Im Halbrund kann einerseits das Mundloch eines Stollens gesehen werden. Andererseits legen die vorwiegend christlichen Motive der ersten Schwibbögen nahe, dass die Form den Himmelsbogen symbolisieren soll.

Übrigens: Der älteste erhaltene Schwibbogen stammt aus dem Jahr 1740 und wurde (wie beinahe alle vor dem 20. Jahrhundert entstandenen Schwibbogen) aus Metall gefertigt. Heute bestehen Schwibbögen für den Innenraum in der Regel aus Holz und sind nicht mit Kerzen, sondern elektrisch beleuchtet.

360° Weihnachtsglück: Die Pyramide

Sie leuchtet hell, dreht sich um sich selbst und bringt nicht nur Kinderaugen zum Leuchten – die kunstvoll verzierte Weihnachtspyramide gehört in die Adventszeit wie griene Kließ zur Schwammebrieh. Ihre Basis ist eine vier- bis achteckige Grundplatte aus Holz, im Inneren befinden sich geschnitzte oder gedrechselte Figuren. Angetrieben wird die märchenhafte Konstruktion durch an den Außenseiten angebrachte Kerzen, die die umgebende Luft erwärmen. Steigt diese auf, wird das Flügelrad der Pyramide in Bewegung versetzt – und die Faszination beginnt.

Bedeutung schwibbogen erzgebirge
Pyramide auf dem Weihnachtsmarkt in Annaberg-Buchholz

Ihren Ursprung findet die traditionelle erzgebirgische Holzpyramide in den Lichtergestellen des 18. Jahrhunderts. Dabei handelte es sich um vier zusammengebundenen Stäbe, die mit Zweigen umwunden und mit Lichtern geschmückt wurden. Und wieder einmal waren es die Bergleute aus dem Erzgebirge, die die Form weiterentwickelten. Sie fühlten sich an den Pferdegöpel (= Schachtförderanlage) erinnert und stellten geschnitzte Holzfiguren in das Stabgestell.

Ihren großen Durchbruch erlebte die Pyramide mit der Entdeckung des Paraffins und der daraus resultierenden Massenfertigung von Kerzen. Mit ihnen war endlich ein günstiger Antrieb für die Weihnachtspyramide gefunden.

Heute gibt es Pyramiden in allen erdenklichen Größen – von der einstöckigen Pyramide für den Weihnachtstisch über mehrstöckige Modelle bis hin zur Großpyramide auf dem Marktplatz.

Bergmann und Weihnachtsengel: Symbolfiguren des Erzgebirges

Bedeutung schwibbogen erzgebirge
Engel & Bergmann mit Beleuchtung

Der Steiger kommt – und er hat sein helles Licht bei der Nacht schon angezünd’t. Der Bergmann ist die zentrale Symbolfigur der Erzgebirgischen Volkskunst und findet sich deshalb auf Pyramiden, Schwibbögen und als geschnitzte/gedrechselte Holzfigur. Üblicherweise trägt er weiße Hosen, einen schwarzen Kittel, Latz und Hut. In seinen Händen hält er ein Licht – für die erzgebirgischen Bergleute ein Sinnbild des Lebens.

Eine nicht minder große Symbolkraft besitzt der Lichterengel. Obgleich sein Ursprung religiöser Natur ist, findet man ihn häufig als weibliches Pendant an der Seite des Bergmanns. In seinen Händen hält der Engel zumeist ein oder zwei Lichter, seine Flügel sind kunstvoll verziert.

Süße Tradition: Gibt es bei einer Familie im Erzgebirge Nachwuchs, so erhält das Neugeborene als erste Gabe (je nach Geschlecht) entweder einen Bergmann oder einen Engel. Dieser wird dann ins Fenster gestellt – so kann man im Vorbeigehen sehen, wie viele Kinder eine Familie hat – und wie viele davon Mädchen und Jungen sind.

Erzgebirgische Volkskunst online kaufen: Natürlich im Erzgebirgshaus

Wir wissen jetzt, welche Traditionen sich hinter dem erzgebirgischen Weihnachtsschmuck verstecken – und freuen uns gleich noch viel mehr aufs Dekorieren der Räume und Fenster. Wer beim diesjährigen Schmücken bemerkt hat, dass hier und dort noch echt erzgebirgische Weihnachtsdeko fehlt, der sollte unbedingt in unserem Online-Shop vorbeischauen. Hier wartet eine große Auswahl klassischer und moderner Holzkunst von Wendt & Kühn, Björn Köhler, Blank und Günter Reichel darauf, ihre Umgebung mit ihrem märchenhaften Charme zu verzaubern.

Warum stellt man einen Schwibbogen auf?

In Österreich, vor allem in Oberösterreich und Niederösterreich, bezeichnet der Schwibbogen einen aus Tannenreisig gewundenen und mit Blumen verzierten Bogen, der von den Nachbarn vor dem Haus eines Brautpaares aufgestellt wird. Der Bogen soll Glück bringen.

Warum sind auf dem Schwibbogen 7 Kerzen?

Im Jahr 1810 tauchte erstmals ein Schwibbogen mit sieben Lichtertüllen auf. Dieser Schwibbogen ist deutlich kleiner als seine Vorgänger. Vielleicht fehlte daher einfach der Platz für mehr Lichtertüllen oder jede einzelne Lichtertülle stand für die sieben Tage der Schöpfung in der Bibel.

Wann werden im Erzgebirge die Schwibbogen angemacht?

Fazit: Die Weihnachtsbeleuchtung am Freitag vor dem 1. Advent einschalten und am 6. oder 7. Januar ausschalten.

Was ist Teil des traditionellen Weihnachtsschmuck aus dem Erzgebirge?

Zu den bedeutendsten Traditionen zählt das alljährliche Mannle Wecken vor dem ersten Advent. Dabei werden Schwibbögen, Pyramiden, Bergmänner, Engel und natürlich auch das eine oder andere Raachermannl aus der Kiste geholt, um damit Fenster und Wohnung zu dekorieren.