Unterschied krämpfe und spasmen der muskulatur

Die MS-Spastik ist ein häufiges Symptom, ca. 80 Prozent1 aller MS-Erkrankten leiden daran. Typisch für eine Spastik sind die erhöhte Muskelanspannung und dadurch u. a. ausgelöste schmerzhafte Muskelkrämpfe. Die Beschwerden können dabei unterschiedlich stark ausfallen. Und doch schränken sie den Alltag und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich ein. Was eine Spastik bei MS ist, wie Sie eine solche erkennen können und wie sie behandelt wird, erfahren Sie in diesem Übersichtsartikel.

Inhalt

  • Was ist eine Spastik?
  • Wie entsteht eine Spastik?
  • Wie fühlt sich eine Spastik an?
  • Spastik behandeln
  • Häufige Fragen zu Spastik bei MS

Spastik bei Multipler Sklerose – Definition

Eine gewisse Muskelspannung brauchen Menschen, um sich bewegen und aufrecht gehen zu können. Zu viel Muskelspannung, wie bei einer MS-Spastik, führt hingegen dazu, dass Muskeln verkrampfen und sich nicht mehr gezielt steuern lassen. Auf diese Weise wird es immer schwieriger, alltägliche Aktivitäten auszuführen.

Inhalt

  • Was ist eine Spastik?
  • Wie entsteht eine Spastik?
  • Wie fühlt sich eine Spastik an?
  • Spastik behandeln
  • Häufige Fragen zu Spastik bei MS

Erhöhter Muskeltonus: Symptome

Oft lässt wegen der hohen Verspannung (hoher Muskeltonus) die Funktion der Muskeln bei einer MS-Spastik nach, z. B.:

  • Gehen oder Aufstehen fallen schwerer
  • zielgerichtetes Greifen ist eingeschränkt
  • Muskeln bewegen sich unwillkürlich (etwa Muskelzucken, wippender Fuß)

Eine MS-Spastik kann sich auch über Bewegungen, die willentlich nicht zu beeinflussen sind, zeigen. Beispiele sind: Eine Hand verkrampft und lässt sich nicht mehr lösen, ein Auge zuckt oder ein Fuß lässt sich nicht mehr in seine übliche Stellung bringen.2, 3

Zusammenhang zwischen MS-Spastik und -Schub

Eine Spastik kann Ausdruck eines Schubs sein. In einem Schub entzünden sich akut Bereiche des zentralen Nervensystems. Sind Teile betroffen, die die Aktivität der Muskeln steuern, kann sich als Symptom des Schubs eine MS-Spastik zeigen. Tritt eine Spastik im Schub auf, kann sie nach der Behandlung des Schubs wieder nachlassen.

MS-Spastik: Nachts ist sie plötzlich da

Viele Menschen, die eine MS-Spastik entwickelt haben, berichten darüber, dass sie nachts plötzliche einschießende Spastiken verspüren. Das können Wadenkrämpfe, Zehenkrämpfe, Muskelzucken oder auch steife Beine sein. An einen erholsamen Schlaf ist dann nicht mehr zu denken. Als Grund für das nächtliche Auftreten von MS-Spastik wird vermutet, dass wir uns im Schlaf nicht so sorgsam und bewusst wie im wachen Zustand bewegen. Diese unbewusste Bewegung kann eine Spastik auslösen.4

Unterschied krämpfe und spasmen der muskulatur

Wie entsteht MS-Spastik?

Wer seine Hand bewegen möchte, bei dem formt sich der Gedanke, manchmal auch unbewusst, oder diese Absicht im Gehirn. Das Gehirn leitet den Befehl zur Bewegung über die Nervenbahnen weiter in die Muskeln. Die Nervenbahnen sind gewissermaßen die Daten-Autobahnen der Kommunikation zwischen den Nerven (medizinisch: Axon). Die Entzündungen, die eine MS hervorruft, schädigen diese Autobahnen.

Hintergrund: Um die Nerven zu schützen, sind die Axone von einer fetthaltigen, schützenden Schicht umgeben (Myelinschicht). Das Myelin wirkt wie eine isolierende Schicht und lenkt die elektrischen Impulse aus dem Gehirn hinein in den Körper (siehe Abbildung 1).

Ist die Myelinschicht geschädigt, können Informationen nicht mehr korrekt übermittelt werden. Das kann auch zur Folge haben, dass sich Muskeln dauerhaft anspannen, unwillkürlich anspannen oder ihre Kraft verlieren (siehe Abbildung 2).1

Was geschieht genau zwischen Nerv und Muskel?

Werden die Impulse vom Gehirn nicht mehr geordnet übergeleitet, kann Folgendes passieren:

  • Bei einer MS-Spastik kommen zu viele Impulse am Muskel an. Dann steht er gewissermaßen unter Dauerbeschuss und zieht sich dauerhaft zusammen (Klonus). Dadurch wird der Muskel unbeweglich und steif.
  • Es kommen zu wenige Impulse am Muskel an: Dann erhält der Muskel zu wenig Information darüber, dass er sich zusammenziehen soll und er wird schlaffer – das kann sich als Lähmungserscheinung zeigen.

Unterschied krämpfe und spasmen der muskulatur
Abbildung 1

Unterschied krämpfe und spasmen der muskulatur
Abbildung 2

Wie fühlt sich eine Spastik an?

Eine Spastik kann sich anfühlen wie ein Muskelkrampf. Sie kann sich aber auch darüber zeigen, dass sich Muskeln oder Muskelgruppen unwillkürlich bewegen. Eine MS-Spastik kann ganz verschieden ausgeprägt sein, von daher ist eine eindeutige Definition schwierig.

Mögliche Formen sind:

  • Dauerhafte Verspannung (tonische Spastik). Beispiele sind: Eine Hand ist wie zur Faust geballt, ein Fuß nach innen gedreht.
  • Plötzlich auftretende, eher kurze einschießende Spastik (intermittierend/phasisch). Beispiele sind: Der große Zeh krümmt sich plötzlich nach oben, der Unterschenkel schlägt nach vorne aus.

Darüber hinaus ist es sehr unterschiedlich, zu welchen Anlässen oder unter welchen äußeren Umständen MS-Spastiken auftreten.5

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Diagnose Spastik

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Auslöser einer MS-Spastik

Manchmal kommt die Spastik, wenn man einen Fuß auf den Boden aufsetzt. Manchmal bei einer unwillkürlichen Bewegung, manchmal nach zu wenig Schlaf. Sie kann auf unterschiedlichste Weise ausgelöst werden. Auslöser werden auch als Trigger bezeichnet.

Weitere, oft genannte Trigger einer MS-Spastik sindu. a.:

  • Schmerzen
  • Wärme oder Kälte
  • Stress
  • Harnwegsinfekte
  • Verdauungsstörungen
  • Schlafstörungen
  • Müdigkeit
  • schlecht angepasste Hilfsmittel
  • zu enge Kleidung
  • hoher Restharn

Können steife Finger bei MS Anzeichen einer Spastik sein?

Steife Finger bei einer MS müssen nicht immer Zeichen für eine MS-Spastik sein. Andere mögliche Ursachen sind z. B. entzündete Sehnen oder Nerven in der Hand (unabhängig von den MS-bedingten Entzündungsprozessen) oder, dass ein Teil des Nervensystems von der MS betroffen ist, der die Finger steuert. Das Symptom erinnert dann an eine MS-Spastik, erfüllt aber nicht die typischen Kennzeichen für eine Spastik.4

MS-Spastik: Therapie

Was also können Sie tun bei MS-Spastik? Zunächst: Sprechen Sie Ihre Neurologin bzw. Ihren Neurologen an, wenn Sie Anzeichen einer Spastik bei sich bemerken. Sie werden dann eingehend untersucht und eine Therapie wird vorgeschlagen.

Die Ziele der Spastik-Therapie sind:10

  • Verbesserung motorischer Funktionen unter Berücksichtigung einer möglichen Stützfunktion der Spastik
  • Reduktion spastikbedingter Schmerzen
  • Steigerung von Mobilität und Alltagsaktivitäten
  • Erleichterung pflegerischer Maßnahmen
  • Vermeidung von Komplikationen (Kontrakturen, Dekubitalulzera)
  • Verbesserung der Lebensqualität

Um diese Behandlungsziele zu erreichen, wird sich ein interdisziplinäres Team um Sie kümmern. Ein Team besteht meist aus:

  • ärztlichen und pflegerischen Fachkräften
  • Psycholog:innen
  • Physiotherapeut:innen
  • Logopäd:innen

Die Therapie startet meist mit Physiotherapie. Gezielte Übungen können MS-Spastiken lindern – beispielsweise über regelmäßige Dehnübungen oder eine geeignete, die Spastik reduzierende Lagerung. Auch mit der Bobath-Methode (ein behandlungstherapeutisches Modell) lassen sich MS-Spastiken besser kontrollieren. Ebenfalls im Fokus der Therapie steht, durch Training die Körperkraft zu verbessern.

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Welche Medikamente gibt es gegen Spastik bei MS?

Reicht die physiotherapeutische Behandlung allein nicht mehr aus, kommt eventuell eine medikamentöse Therapie hinzu. Medikamente, die eingesetzt werden, sind z. B.: 1, 6, 7, 8

  • Muskelentspanner (Muskelrelaxantien). Diese werden meist als Tabletten gegeben, selten auch in den Raum um das Rückenmark (Liquorraum) gespritzt.
  • Botulinumtoxin, das meist lokal gespritzt wird, etwa um einen Muskel zu behandeln.
  • Arzneimittel auf Cannabinoidbasis

Therapie bei spastikbedingten Schmerzen

Schmerzen bei MS-Spastik können als Folge der Spastik auftreten. Beispiel: Eine Muskelpartie ist dauerhaft angespannt und hat zu einer Fehlhaltung im Rücken geführt, die schmerzhaft ist. Aber eine MS-Spastik kann auch direkte Ursache von Schmerzen sein. Und zwar dann, wenn sie so intensiv ist, dass sich Schmerzen zeigen wie bei einem Muskelkrampf.

Helfen können auch hier physiotherapeutische Maßnahmen. Darüber hinaus gibt es verschiedene medikamentöse Ansätze für eine Therapie bei MS-Spastik. Wichtig ist herauszufinden, wieso und wo der Schmerz entsteht.

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Therapie Spastik

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Gibt es Hausmittel gegen Spastik?

Ein im wissenschaftlichen Sinne beschriebenes Hausmittel gibt es gegen MS-Spastik nicht. Spastiken sind wie die MS selbst – sehr verschieden und bei jedem Menschen anders ausgeprägt.

Jeder Betroffene wird seinen eigenen Umgang mit der Spastik bei MS finden. Oft hilft auch ein Blick in Foren im Internet oder die Kontaktaufnahme zu einer Selbsthilfegruppe. Viele dieser Menschen sind Experten darin, mit einer MS-Spastik gut zu leben. Sie haben oft individuelle Lösungen, Tipps und Tricks dafür, wie sie mit Spastiken umgehen und was sie dagegen tun.

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Alltag Spastik

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Häufige Fragen zu Spastik bei MS

Was sind die Symptome einer Spastik?

Da die Ursache für Spastik starre Muskeln sind, kann sie sich äußern als:

  • steife oder verspannte Muskeln und Gelenke
  • unwillkürliches Muskelzucken oder Verkrampfen
  • nächtliches Erwachen wegen verspannter Muskeln oder Schmerzen
  • Schwierigkeiten beim Gehen, Liegen, Sitzen oder Aufstehen1

Was tun bei MS-Spastik?

Wenn Sie den Eindruck haben, Sie haben eine Spastik oder sind dabei, eine zu entwickeln – bitte wenden Sie sich unverzüglich an Ihr Behandlungsteam. Es gibt nicht die eine Behandlung der MS-Spastik – für ein gutes Therapiekonzept werden alle Expert:innen im Team das MS-Symptom beurteilen und mit Ihnen zusammen überlegen, was am besten zu tun ist.1,3

Ist die Spastik schmerzhaft?

Ist eine Spastik dauerhaft vorhanden oder besonders stark ausgeprägt, kann das Schmerzen verursachen. Ein möglicher Grund: Eine Spastik kann einen Muskel dauerhaft anspannen und das führt in der Folge – gewissermaßen – zu einem Muskelkater wie nach einer Überanstrengung. Auch kann es durch die dauerhafte Anspannung (hoher Muskeltonus) zu Fehlhaltungen oder Fehlstellungen von Gelenken kommen, die sich schmerzhaft äußern.

Die Behandlung erfolgt durch Medikamente, Physio- und Verhaltenstherapie. Ein letztes Mittel sind Operationen.7

Was tun bei Krämpfen in den Händen bei MS?

Eine MS kann auch Spastiken in den Fingern und Händen verursachen. Allerdings gibt es für dieses Symptom viele weitere mögliche Ursachen (z. B. Karpaltunnel-Syndrom – eine entzündete Sehne). Bitte wenden Sie sich an das Behandlungsteam und lassen Sie die Ursache für die Krämpfe in den Händen gründlich untersuchen.

„Ohne Tränen hätte die Seele keinen Regenbogen“ (unbekannt)

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„Ohne Tränen hätte die Seele keinen Regenbogen.“

unbekannt

Disclaimer

Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.

Was ist der Unterschied zwischen Spastik und Krampf?

Spastik, auch bekannt als Spasmus oder Spastizität, leitet sich vom griechischen Wort „Spasmos“ ab und bedeutet Krampf. Hierbei ist aber nicht ein normaler Muskelkrampf gemeint, sondern eine krankhafte Erhöhung der Muskelspannung (spastische Tonuserhöhung).

Sind Spasmen Krämpfe?

1 Definition. Als Spasmus bzw. Krampf bezeichnet man eine nicht willkürlich herbeigeführte, starke, andauernde Kontraktion einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, die mit Schmerzen verbunden sein kann.

Was sind muskelspasmen?

Ein Muskelkrampf ist die plötzlich einsetzende, kurze, unbeabsichtigte und meist schmerzhafte Anspannung eines Muskels oder einer Muskelgruppe. Muskelkrämpfe können ein Symptom einer Fehlfunktion des Nervensystems. Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und der Nerven Störungen bzw.

Welche Krankheit steckt hinter Muskelkrämpfen?

Beinkrämpfe kommen häufig vor. Die gängigen Ursachen sind benigne idiopathische Beinkrämpfe und trainingsassoziierte Muskelkrämpfe. Krämpfe sind von der Schaufensterkrankheit und von Dystonien zu unterscheiden; eine klinische Abklärung ist in der Regel angezeigt. Dehnen kann Krämpfe lindern und verhindern helfen.