Die Berücksichtigung lebensgeschichtlicher Aspekte in der alltäglichen Pflege hält für die Bewohner wie auch für die Pflegenden eine Fülle von positiven Aspekten bereit. Über biografieorientierte Gespräche werden zusätzliche Erkenntnisse gewonnen, die für die Begleitung und Pflege positiv genutzt werden können. Show Wenn man sich mit der Lebensgeschichte eines Menschen im Sinne der Biografiearbeit befasst, gibt es unterschiedliche Zugänge. Zum einen besteht die Möglichkeit, sich von „außen" zu nähern und an sogenannten „harten" Daten zu orientieren, wie etwa Geburtsdatum, Schuleintritt, Berufsfindung, Eheschließung oder Ähnliches. Diese Daten geben aber nicht immer den persönlichen Kern des jeweiligen Menschen wieder. Um einen ganz persönlichen und individuellen Eindruck zu erhalten, sind zum anderen ausgiebige Gespräche in entspannter Atmosphäre und eine Hinwendung zum inneren Erlebten notwendig. Erleben ältere Menschen sich und ihre Erinnerungen als ernst genommen, wächst ihr Selbstvertrauen. Sie wagen, sich auf Unvertrautes einzulassen, eignen sich neue Fähigkeiten an, um ihr Erinnerungsvermögen zu stärken und ihre Geschichte weiterzugeben. Erinnerungen, sofern sie nicht zu Monologen verfestigt sind, schlagen Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen und Kulturen. Die „Biografiearbeit" gehört zum wichtigen Repertoire der modernen Altenpflege, um auf der persönlichen Ebene würdig begegnen zu können. Erinnerungspflege macht in der Regel auch sehr viel Spaß, kann vielfältige Befriedigung schaffen und alltägliche Betreuungssituationen spürbar entlasten. Zuhören, Aufnehmen und Verarbeiten gehören ebenso wie das aktive Erzählen und das „Sprechen über die Dinge des Lebens" zu jedem Menschen. Eigene Erzählungen sind ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeit und leisten bei der Pflegearbeit als ganzheitlicher Zugang zum Menschen gute Dienste. Die aktuelle Lebenssituation kann dadurch umfassender begriffen und verbessert werden. Einige Methoden zur Ermittlung der persönlichen Erinnerungen und Lebenswünsche
Oft spielen wir sogenannte Erinnerungsspiele. Dabei geht es um Kommunikation zu Themen aus der Kinder- und Jugendzeit, z. B. „Was haben Sie früher sonntags gegessen, was essen Sie heute sonntags?" oder „Was gab es bei Ihnen zum Frühstück, als Sie Kind waren?" „Was essen Sie heute zum Frühstück?" „Womit haben Sie als Kind gespielt – womit spielen die Kinder heute?" Teilweise ist es schwierig, überhaupt etwas über die Biografie eines Menschen zu erfahren, besonders, wenn er dement ist und keine
Angehörigen mehr hat. Dies kommt öfter vor, als man denkt. Ich erlebe es nicht selten, dass ich auf dem Friedhof bei der Beerdigung erstmalig die Kinder kennen lerne. Diese haben dann den Drang, mir zu erzählen, warum sie zu ihrem Angehörigen keinen Kontakt mehr hatten. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass es auf beiden Seiten Schuldgefühle gab/gibt und die Verständigung auf Grund der gegenseitigen Verletzungen einfach nicht möglich war. Tanzen bringt „Barrieren zum Einsturz" Bewegung ist wichtig und, wie ich gestern erst wieder in einem Vortrag eines Arztes hörte, Tanzen ist eine der besten Bewegungsformen im Alter. Wer in jungen Jahren gerne und viel getanzt hat, verlernt dies auch bei einer Demenz nicht. Vor zwei Jahren war ich mit Bewohnern auf einem „Seniorenball für Menschen mit und ohne Demenz", der von einer Tanzschule in Kooperation mit einigen
Seniorenheimen veranstaltet wurde. Dort tanzte zwei Stunden lang unermüdlich ein hochbetagter Herr mit einer zehn Jahre jüngeren Dame im Ballkleid. Wie ich später hörte, war er 93 Jahre alt. Ich kam mit der Dame ins Gespräch und sie teilte mir mit, ihr Mann sei sehr dement, aber sie beide hätten früher regelmäßig auf Turnieren getanzt und wenn sie ihr Ballkleid anziehe, wüsste er, es geht wieder zu einem Turnier und dann frage er jedes Mal, ob sie wieder einen Pokal gewonnen hätten. Ich habe
lange kein so elegant tanzendes Paar gesehen! Biografiearbeit bei Menschen mit Demenz Es ist nicht immer einfach, die wichtigen Informationen zu erhalten. Leider kommt es gelegentlich dazu, dass das beruflich geforderte Interesse mit Neugierde verwechselt wird. Manchmal sind sich die Menschen in einer Familie doch so fremd, dass sie uns die Auskünfte nicht geben können. In einigen Fällen gelingt es, gemeinsam mit weiteren Angehörigen die Biografie aufzunehmen. So kommen wir alle ins Gespräch und es ergeben sich Anknüpfungspunkte. Viele sind froh, mal jemanden zu haben, der ihnen zuhört. Manche Angehörige lehnen solche Gespräche auch ab. Am liebsten ist es mir, wenn ich einen neuen Bewohner selbst fragen kann, was er früher gemacht hat, wo er gelebt hat und welche Erfahrungen er gesammelt hat in seinem Leben. Ich persönlich finde es sehr schade, dass ich bei so mancher Beerdigung, an der ich teilnehme, vieles über den verstorbenen Bewohner höre, was ich gerne viel früher gewusst hätte, um entsprechend mit ihm in Kontakt zu kommen. Schon aus diesem Grund ist es mir wichtig, nicht nur mit dem Bewohner, sondern möglichst auch mit den Angehörigen im Gespräch zu sein. G. Lämmerhirt-Seibert Mit freundlicher Genehmigung aus: Welche Bedeutung hat die Biografie in der Pflege?Die biografie-orientierte Pflege befasst sich grundsätzlich mit der Lebensgeschichte und den damit verbundenen lebensgeschichtlichen Hintergründen eines Menschen. Mithilfe dieses biografischen Wissens sind Pflegekräfte folglich in der Lage, Patienten und deren Handeln besser verstehen zu können.
Welche Funktion hat die Biografiearbeit in der Pflege?Biografiearbeit ist die Beschäftigung mit der Lebensgeschichte eines Menschen. Sie beinhaltet die Felder der Sozialarbeit und der Psychologie. In der Pflege trägt sie zu einem besseren Verständnis und somit zu einer individuelleren Pflege des Menschen bei.
Warum ist die Biografie so wichtig?Biografiearbeit verbessert die Beziehung zwischen Erkrankten, Angehörigen und den Pflege- und Betreuungspersonen. Das Kennen der persönlichen Lebensgeschichte und der Vergangenheit Ihres zu Pflegenden hilft Ihnen, den Erkrankten ganzheitlich wahrzunehmen und ein vielschichtiges Bild von ihm zu bekommen.
Was ist das Ziel von Biografiearbeit?Das Ziel von Biografiearbeit ist, sich selbst und das eigene Leben besser zu verstehen. Es wird jedoch nicht nur eine Person als einzelner Mensch betrachtet, sondern auch das Umfeld und die gesellschaftlichen Bedingungen.
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