Deutsch-französische Beziehungen
Die heutigen deutsch-französischen Beziehungen sind das Ergebnis der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Jahrhunderten zuvor gab es mehrere (teils jahrzehntelange) Phasen, in denen diese Beziehungen versteckt oder offen feindselig waren. Im Blick auf diese Vergangenheit wurde und wird oft der Begriff „deutsch-französische Erbfeindschaft“ verwendet. Show
Sie war geprägt von revolutionären Unruhen (1830, 1848), von der Frage der Deutschen Einigung, der Einverleibung von Elsaß-Lothringen in den 1871 gegründeten ersten deutschen Nationalstaat sowie von Phasen heftiger Konkurrenz um die Hegemonie in Kontinentaleuropa während der Zeitspanne vom Krieg 1870/71 über den Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg. Erst nach diesem verheerenden letzten Krieg konnte die „Erbfeindschaft“ überwunden werden. Sie wich der deutsch-französischen Freundschaft und der europäischen Integration, welche einen neuen Krieg unnötig und unmöglich machen soll. Bis heute finden sich die europäischen Kernstaaten Frankreich und Deutschland unter den engagiertesten Befürwortern einer weiteren EU-Integration, weshalb sie manchmal als „deutsch-französischer Motor“ bezeichnet werden. Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gebiete beider heutiger Staaten waren im 9. Jahrhundert Teil des Fränkischen Reichs Karls des Großen. Nach der späteren Teilung wurde aus seinem östlichen Teil (Ostfrankenreich) das mittelalterliche deutsche Reich (Heilige Römische Reich Deutscher Nation) und aus dem westlichen Teil Frankreich. Das Mittelreich Lothars I., Ursprung des späteren Lothringen, wurde noch im 9. Jahrhundert unter den beiden anderen Reichen aufgeteilt. Der Streit zwischen dem Heiligen Römischen Reich und Frankreich um Teile des Mittelreichs dauerte als sogenannte Deutsch-französische Erbfeindschaft bis ins 20. Jahrhundert an. So führte der habsburgisch-französische Gegensatz wiederholt zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen, zum Beispiel im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648), im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697), im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1703) und den ersten beiden Schlesischen Kriegen (1740–1745). Nach Beendigung dieses Gegensatzes wurde er seit dem Siebenjährigen Krieg als französisch-preußischer Gegensatz fortgeführt. Zur Zeit des Absolutismus ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts betrieb der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. eine expansive Außenpolitik. Französische Truppen eroberten Teile des Heiligen Römischen Reiches, insbesondere im Elsass und in Lothringen, die in den folgenden Jahrhunderten mehrfach die Zugehörigkeit wechselten. Der größte Teil dieses Gebietes wurde im Zuge der Reunionspolitik nach und nach annektiert. Straßburg wurde 1681 von Truppen Ludwigs XIV. besetzt. Trotz dieser feindlichen Handlungen gegenüber den deutschen Staaten beeinflusste die damals in Europa führende französische Kultur auch den benachbarten deutschen Kulturkreis enorm. Die deutschen Fürstenhöfe orientierten sich am französischen Vorbild von Versailles. Nachdem Ludwig XIV. mit dem Edikt von Fontainebleau die protestantischen Hugenotten des Landes verwiesen hatte, fanden mehrere Zehntausend in deutschen Territorien, zum Beispiel Brandenburg oder Hessen-Kassel, Zuflucht und wurden in diesen Gebieten zu einem wichtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Faktor. Von der rigorosen Ausweisung waren nur die neu erworbenen Gebiete im Elsass ausgenommen, in denen die protestantische Kirche weiterhin verbreitet blieb. 1789 begann die Französische Revolution, die auch erhebliche Auswirkungen auf die deutschen Staaten hatte. Bereits 1792 schlossen sich Preußen und Österreich in einer Koalition gegen das revolutionäre Frankreich zur Verteidigung der Monarchie zusammen (Pillnitzer Deklaration). Die Kriegserklärung ging allerdings von Frankreich aus. 1794 besetzten französische Truppen das linke Rheinufer („Franzosenzeit“). Nachdem Frankreich aus diesem Ersten Koalitionskrieg erfolgreich hervorgegangen war, wurden die linksrheinischen Gebiete schließlich durch den Frieden von Campo Formio 1797 annektiert. Mit dem Frieden von Lunéville 1801 nach dem Zweiten Koalitionskrieg wurde diese Annexion bestätigt. Napoleon, der seit 1799 regierte, entschädigte jedoch mit Hilfe des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 die Fürsten, die durch die Friedensbestimmungen Gebiete verloren hatten, mit geistlichen Gebieten, die nunmehr verweltlicht (Säkularisation) wurden. Weiterhin wurden zahlreiche reichsunmittelbare Reichsstände, d. h. Gebiete, die unmittelbar dem Kaiser unterstanden, darunter fast alle Reichsstädte, mediatisiert und damit den Gebieten anderer Fürsten zugeschlagen (Mediatisierung). Auf diese Weise entstanden sogenannte Mittelstaaten wie Bayern, Baden und Württemberg und der „Flickenteppich“ des Heiligen Römischen Reiches wurde geordnet. 1806 wurde auf Initiative Napoleons der Rheinbund gegründet: 16 süd- und mitteldeutsche Staaten schlossen sich unter dem Schutz Frankreichs zusammen und traten aus dem Heiligen Römischen Reich aus, das damit sein Ende fand; dementsprechend legte Kaiser Franz II. die Krone nieder. Es entstanden einige Territorien als Vasallenstaaten wie das Großherzogtum Berg oder das Königreich Westphalen. Im Jahre 1810 verleibte Napoleon einen großen Teil Nordwestdeutschlands in das Kaiserreich Frankreich ein. Die Umwälzungen dieser Jahre hatten neben den territorialen Veränderungen auch nachhaltige Auswirkungen auf das Rechtssystem, die Verwaltung und die Mentalität der Deutschen. „Neue Ideen“ drangen in das öffentliche Bewusstsein. 1794 kam es mit Ausrufung der Mainzer Republik zur ersten Republik auf deutschem Boden, wenngleich diese keinen dauerhaften Bestand hatte. Einige deutsche Fürsten, die das Überspringen des revolutionären Funken befürchteten, reagierten mit grundlegenden Reformen des eigenen Staatswesens und einer Veränderung der Herrschaftsausübung in Richtung auf eine Konstitutionelle Monarchie. In den unter französischer Herrschaft stehenden deutschen Gebieten sowie den französischen Vasallenstaaten wurde ab 1806 der Code civil eingeführt. Preußen reagierte nach der Niederlage im Vierten Koalitionskrieg und großen Verlusten im Frieden von Tilsit 1807 mit einem weitreichenden Reformwerk, das in seinen Kernbereichen Bauernbefreiung, Gewerbereform, Judenemanzipation, Bildungsreform auch Ideen aus dem Umfeld der französischen Revolution einbezog. 1812 startete Napoleon seinen Russlandfeldzug. Für seine über 500.000 Mann starke Grande Armée wurden Truppen aus allen von Frankreich besetzten und kontrollierten Staaten zusammengezogen. Das Resultat des Feldzugs war jedoch verheerend: Zwar errang Frankreich einen Sieg, jedoch kehrten nur wenige Tausend Soldaten zurück, nachdem Hunger und Kälte große Teile der Armee dahingerafft hatten. Unter dem Eindruck dieser Verluste und der napoleonischen Fremdherrschaft entwickelte sich zunehmend ein deutsches Nationalbewusstsein und ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen. Die Folge waren die Befreiungskriege, die Napoleons Herrschaft über große Teile Europas beendeten. Anfang 1813 kündigte Preußen als erstes deutsches Land die Allianz mit Frankreich auf und verbündete sich mit Russland und Schweden. Im Sommer trat Österreich diesem Bündnis bei, das Napoleons Armee vom 16. bis 19. Oktober 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig entscheidend besiegte. Noch während der Schlacht wechselte auch Sachsen die Seiten. Nach dem Einmarsch der Alliierten in Frankreich sah Napoleon sich im März 1814 gezwungen, abzudanken und auf die Insel Elba ins Exil zu gehen. Nach seiner Rückkehr und der Herrschaft der 100 Tage wurde er in der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 endgültig besiegt und auf die Insel St. Helena im Atlantik verbannt. Unterdessen begannen die Sieger auf dem Wiener Kongress mit der Neuordnung Europas. Zar Alexander I., Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen bildeten eine Allianz zwischen Russland, Österreich und Preußen (Heilige Allianz) mit dem Ziel, diese Neuordnung zu garantieren. In Frankreich, das die Grenzen von 1792 erhielt, kehrten mit Ludwig XVIII. die Bourbonen auf den Thron zurück. Die Julirevolution von 1830 und die Februarrevolution 1848 führten in Deutschland, wie auch im übrigen Europa, zu erheblichen politischen Verwerfungen, durch die langfristig liberale Kräfte gestärkt wurden. Nach 1830 wurden auch zahlreiche Deutsche vom liberalen geistigen Klima Frankreichs angezogen, wie zum Beispiel Heinrich Heine und Ludwig Börne. Nach dem Sturz des letzten Bourbonen 1848 wurde Louis Napoléon zum Präsidenten der Zweiten Republik gewählt, der sich jedoch 1852 zum Kaiser Napoleon III. ernannte (Zweites Kaiserreich 1852–1870). Das Verhältnis zwischen Preußen und Frankreich verschlechterte sich während der Zeit der deutschen Reichseinigung. An der Frage der spanischen Thronfolge entzündete sich ein Konflikt, der 1870 zur französischen Kriegserklärung führte. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Sedan während des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) wurde Napoleon III. abgesetzt und machte der Dritten Republik Platz. Im Friede von Frankfurt wurde Elsass-Lothringen gegen den überwiegenden Willen der Bevölkerung an Deutschland abgetreten, das als einziges Gebiet kein Bundesstaat des Deutschen Reiches wurde, sondern durch einen vom Kaiser ernannten Statthalter verwaltet wurde. Der latente Widerstand der Bevölkerung wurde durch Ereignisse wie die Zabern-Affäre 1913 verstärkt. Nach diesem Krieg verbreitete sich in Frankreich ein Revanchismus gegen die Sieger, die im Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles demonstrativ den preußischen König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser ausriefen, was von den Besiegten als eine tiefe Schmach aufgefasst wurde. Das Ziel des neuen Reichskanzlers Otto von Bismarck war es Frankreich außenpolitisch zu isolieren, um somit einen erneuten Krieg gegen Deutschland zu verhindern. Bis zu seiner Entlassung durch den neuen Kaiser Wilhelm II. 1890 war die Bismarck’sche Bündnispolitik erfolgreich. Die Außenpolitik Wilhelms II. führte jedoch zur Bildung von zwei neuen Machtblöcken: auf der einen Seite der Dreibund von Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien, auf der anderen Seite die Triple-Entente aus Frankreich, Großbritannien und Russland. Diese Konstellation führte zum Ersten Weltkrieg (1914–1918). Deutsche und französische Truppen kämpften erbittert; an der Westfront gab es in einem vierjährigen Stellungskrieg auf beiden Seiten Millionen Tote. Vor allem die Schlacht um Verdun 1916 wurde zum Symbol für die Schrecken des Krieges. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges durch die Kapitulation Deutschlands am 11. November 1918 verhandelten die Siegermächte den Versailler Vertrag. Vor allem Frankreich war daran interessiert Deutschland einen möglichst harten Frieden aufzuerlegen und es so zu schwächen, dass von den Deutschen nie wieder eine Gefahr ausgehen sollte. Deutschland selbst war an den Verhandlungen nicht beteiligt. Zum Inhalt des Vertrages gehörten u. a. die Rückkehr Elsass-Lothringens zu Frankreich sowie die Verpflichtung zu Reparationsleistungen. Als diese 1923 nicht pünktlich erfolgte, nahmen französische und belgische Truppen dies zum Anlass zur Ruhrbesetzung. Unter der Ära des Außenministers Gustav Stresemann entspannte sich das deutsch-französische Verhältnis merklich. In den Verträgen von Locarno einigte er sich 1925 mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand über die Anerkennung der deutsch-französischen Grenze, wie sie im Versailler Vertrag festgelegt worden war. Beide Politiker erhielten daraufhin den Friedensnobelpreis. Ein Deutsch-Französisches Studienkomitee, überwiegend aus Wirtschaftskreisen, bemühte sich um eine Verbesserung der Beziehungen, auch auf kulturellem Gebiet durch geistigen Austausch. Hitler am 23. Juni 1940 in Paris Im Versailler Vertrag wurde das Saargebiet gegen den Willen der Bevölkerung vom Deutschen Reich abgetrennt und für 15 Jahre unter die Verwaltung des Völkerbunds gestellt. 1935 entschied sich die Bevölkerung mit großer Mehrheit für die Rückkehr zum Deutschen Reich trotz der seit 1933 begonnenen NS-Diktatur. Nach der Machtübernahme Hitlers verschlechterte sich das Verhältnis wieder. 1938 gehörte Frankreich zu den Signatarmächten des Münchner Abkommens, mit dem Hitler die Abtrennung des Sudetenlands von der Tschechoslowakei ermöglicht wurde. Nachdem Nazi-Deutschland am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg begonnen hatte, erklärte das mit Polen verbündete Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg, vermied aber zunächst alle Kampfhandlungen. Hitler gelang im Westfeldzug (10. Mai bis 22. Juni 1940) ein unerwartet schneller Sieg über Frankreich; die in der Zwischenkriegszeit aufwendig gestaltete Grenzsicherung (Maginot-Linie) erwies sich als unwirksam. Das Deutsche Reich besetzte Nordfrankreich und die Atlantikküste. Im südlichen Teil Frankreichs, der erst 1942 besetzt wurde, etablierte sich das mit dem Reich kollaborierende Vichy-Regime, während Charles de Gaulle in Großbritannien eine Exilregierung bildete. Als Reaktion auf die Besetzung entstand die Résistance. Mit der Landung alliierter Truppen in der Normandie im Juni 1944 wurde Frankreich zu einem Hauptkampfgebiet des Zweiten Weltkriegs. Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs im Mai 1945 gab es zunächst drei Besatzungszonen; gemäß Berliner Erklärung vom 5. Juni 1945 wurde aus Gebieten der britischen und amerikanischen Besatzungszone die Französische Besatzungszone als vierte gebildet. Aus dieser wurde 1946 das Saarland als französisches Protektorat mit eigener Staatsbürgerschaft abgetrennt. Nach einer Volksabstimmung schloss sich das Saarland zum 1. Januar 1957 der Bundesrepublik Deutschland an. Die 448 km lange gemeinsame Grenze zwischen Deutschland und Frankreich blieb nach dem Zweiten Weltkrieg unverändert. Europäische Integration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland und Frankreich sind die beiden EU-Staaten, die in Medien häufig als der „Motor“ der europäischen Einigung bezeichnet wurden. Staatsmänner beider Länder haben teilweise weitreichende Ideen zur europäischen Einigung vorgelegt. Seit der Europa-Erklärung von Jean Monnet und Robert Schuman am 9. Mai 1950 sind Frankreich und Deutschland treibende Kräfte der europäischen Integration. Als Orte, die die wichtigsten europäischen Institutionen beherbergen, wurden mit Brüssel, Luxemburg und Straßburg Städte ausgewählt, die nahe an der französisch-germanischen Sprachgrenze liegen. Als nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland von ihr ein verteidigungspolitischer Beitrag erwartet wurde, wollte Adenauer nur unter der Bedingung Streitkräfte schaffen, dass diese nicht der alleinigen nationalen deutschen Kontrolle unterstehen. Auf Vorschlag des französischen Ministerpräsidenten wurde 1952 die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) gegründet, in welcher es eine europäische Armee mit einem deutschen Kontingent gegeben hätte. Nachdem der deutsche Bundestag wie auch andere Staaten den Vertrag ratifiziert hatten, scheiterte dieser letztendlich an der französischen Nationalversammlung. Die Folge war die Aufstellung einer rein deutschen Bundeswehr und der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO 1955. Durch die starke Stellung des französischen Staatspräsidenten in der Fünften Republik seit 1958, insbesondere seine Richtlinienkompetenz in der Außenpolitik, ist dieser der natürliche politische Gesprächspartner des deutschen Bundeskanzlers. Seit dem Beginn der deutsch-französischen Kooperation haben sich jeweils „Paare“ aus den Staats- bzw. Regierungschefs der beiden Länder gebildet, die zum Teil große Fortschritte für Europa sowie die deutsch-französischen Beziehungen durchgesetzt haben. Gemeinsam mit Italien und den Benelux-Staaten gründeten Deutschland und Frankreich 1952 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS oder Montanunion). Weitere Integrationsschritte gehen wesentlich auf deutsch-französische Initiativen zurück. Deutsch-Französische Freundschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland schlug Bundeskanzler Konrad Adenauer einen klaren Kurs der Westintegration ein und bemühte sich um eine Annäherung an Frankreich. Sein Ziel war die Rehabilitierung Deutschlands und die Wiedererlangung von Souveränität. Dazu dienten auch vertrauensbildende Maßnahmen wie die Gründung der EGKS und der EWG. Im Schulterschluss mit dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle verbesserten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten zusehends und führten schließlich zum Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963, der die guten Beziehungen und die „Freundschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich institutionalisierte. Die politische Ausgestaltung des Vertrages sieht regelmäßige Konsultationen der deutschen und französischen Regierung vor. De Gaulle sah in Deutschland ein Mittel zum Zweck ein vereintes Europa unter französischer Führung zu schaffen und den Einfluss der USA in Europa zu mindern. Das Amt des Bevollmächtigten für die deutsch-französischen kulturellen Beziehungen wurde geschaffen. Da die Kontakte zwischen dem Kanzler Ludwig Erhard (1963–1966) und Präsident de Gaulle (1958–1969) sowie zwischen Kanzler Willy Brandt (1969–1974) und Präsident Georges Pompidou (1969–1974) eher frostig blieben, beschränkte sich die Zusammenarbeit hauptsächlich auf schulpolitische Maßnahmen. Grund für diese Zurückhaltung war zum einen das wirtschaftliche Erstarken Deutschlands und zum anderen die neue Ostpolitik Willy Brandts. Auf französischer Seite fürchtete man das neue Selbstbewusstsein und hatte Sorgen vor „deutschen Unwägbarkeiten“.[1] Mit dem Amtsantritt von Helmut Schmidt (1974–1982) und Valéry Giscard d’Estaing (1974–1981) im Jahr 1974 wurden die deutsch-französischen Beziehungen wieder herzlicher und produktiver: Zusammen regten die beiden die Bildung des Europäischen Währungssystems sowie die Direktwahl des Europäischen Parlaments 1979 an. Mitterrand und Kohl (1987) Ähnlich verhielt es sich bei Helmut Kohl (1982–1998) und François Mitterrand (1981–1995), obwohl sie politisch unterschiedlichen Lagern angehörten. 1984 besuchten sie gemeinsam das symbolträchtige Schlachtfeld von Verdun, auf dem beide Länder einst gegeneinander gekämpft hatten. Des Weiteren wirkten beide auf die Gründung des deutsch-französischen Sicherheits- und Verteidigungsrats sowie des Wirtschafts- und Finanzrats hin und plädierten für eine einheitliche europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Auch für die Entstehung der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 mit dem Ziel eines europäischen Binnenmarktes bis 1993 und die Gründung der EU mit dem Vertrag von Maastricht 1993 leisteten Kohl und Mitterrand einen wichtigen Beitrag. Jacques Chirac (1995–2007) und Gerhard Schröder (1998–2005) führten das Begonnene fort. Am 29. November 1999 sprach Schröder als erster Bundeskanzler vor der französischen Nationalversammlung. Die Treffen der beiden Staats- und Regierungschefs wurden häufiger – die informellen sogenannten Blaesheim-Treffen finden seit 2001 zunächst etwa alle sechs bis acht Wochen statt (später wesentlich seltener). Im Rahmen des Irakkriegs positionierten sich beide gegen die amerikanische Politik; im Oktober 2003 ließ sich Gerhard Schröder sogar von Chirac bei einer Sitzung im Europäischen Rat vertreten.
Merkel und Sarkozy (2009) Die Zusammenarbeit der beiden Nachfolger Angela Merkel (2005–2021) und Nicolas Sarkozy (2007–2012) zeichnete sich insbesondere durch die gemeinsame Koordinierung des weiteren Vorgehens der europäischen Staats- und Regierungschefs während der Eurokrise aus. Die in den gemeinsamen Treffen von Merkel und Sarkozy gefassten Beschlüsse mussten von den anderen Staats- und Regierungschefs meist nur noch abgesegnet werden. Während der Berichterstattung kreierten die Medien das aus den beiden Namen bestehende Kofferwort Merkozy. Im Mai 2012 folgte François Hollande Sarkozy nach. Im Zuge der Eurokrise gilt die Zusammenarbeit als besonders eng. Noch am Tag seiner Amtseinführung besuchte der neue französische Staatspräsident François Hollande Berlin.[2] Im Juli 2012 gedachte man der 50 Jahre zurückliegenden Versöhnungsmesse, die 1962 in Reims gefeiert wurde.[3] Merkel und Hollande trafen sich ebenfalls in Reims.[4] Am 22. September 2012 eröffneten die beiden in Ludwigsburg ein „deutsch-französisches Jahr“.[5] Seit 2021 setzt Olaf Scholz als Nachfolger Merkels als deutscher Bundeskanzler die Arbeit mit Emmanuel Macron fort. Versöhnungsgesten der Staatsoberhäupter und Regierungschefs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Übersicht der französischen Präsidenten und deutschen Bundeskanzler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Élysée-Vertrag: Die Entstehung und die Entwicklung bis heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unterzeichnung des Elysée-Vertrags 1963 In dem am 22. Januar 1963 unterschriebenen „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“, bekannt als Élysée-Vertrag, wurden zwischen beiden Vertragspartnern intensive Konsultationen und Absprachen auf den Gebieten der Außen-, Verteidigungs-, Bildungs- und Jugendpolitik vereinbart. Insbesondere einigte man sich auf halbjährliche persönliche Begegnungen des Bundeskanzlers und des Staatspräsidenten. Im Hintergrund des Vertrages standen Befürchtungen Frankreichs, die Bundesrepublik Deutschland könne in den Sog der Sowjetunion geraten, und der Bundesrepublik Deutschland, es könne eine französische Entspannungspolitik zu Lasten Deutschlands geben. Frankreich wurde unterstellt, Deutschland mit der Zusammenarbeit aus dem Machtbereich der USA herausholen und sich selbst wieder als „Grande Nation“ etablieren zu wollen. Die Zustimmung Deutschlands zum Vertrag führte zu starker Kritik der Opposition im deutschen Bundestag, aber auch durch die USA. Der Grund dafür war die gleichzeitige Ablehnung eines britischen Beitritts zur EWG durch die französische Regierung. Auf deutschen Wunsch wurde dem Vertrag eine Präambel vorangestellt, in der als Ziel die Verpflichtung zu engen politischen, wirtschaftlichen und verteidigungspolitischen Beziehungen zu den USA, Großbritannien und der NATO sowie die Wiederherstellung der deutschen Einheit genannt wurde. Die Konsultationen betreffen im Wesentlichen vier Punkte. Man will:
Der Gesetzestext wurde ein einziges Mal (am 22. Januar 1988) revidiert, als zwei neue Räte geschaffen wurden: der Deutsch-Französische Finanz- und Wirtschaftsrat (DFFWR) und der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat.(DFVSR). Der Vertrag führte zu einem Aufschwung der deutsch-französischen Beziehungen und stärkte im Rahmen der Europapolitik die Verhandlungsposition gegenüber den USA. Erfolge konnten zum Beispiel bei der Einigung auf einen gemeinsamen Binnenmarkt verzeichnen. Viele Punkte des Vertrages werden mittlerweile durch die EU geregelt. Im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gab es anfangs nur sehr zögerlich eine Zusammenarbeit, da De Gaulle eine betont nationale, NATO-kritische Verteidigungspolitik verfolgte, während Adenauer und seine Nachfolger die Annäherung an die USA beibehalten wollten. Später intensivierten die Franzosen jedoch die Zusammenarbeit, da sie eine Hinwendung Deutschlands nach Osteuropa befürchteten. Heute ist die Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland auf dem Gebiet der Verteidigung sehr eng und mit der Deutsch-Französischen Brigade und dem Eurokorps institutionalisiert. Am 22. Januar 2019, dem 56. Jahrestag des Élysée-Vertrags unterzeichnen Bundeskanzlerin Merkel und Staatspräsident Macron im Krönungssaal des historischen Aachener Rathaus den Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration, kurz als Vertrag von Aachen bezeichnet. Ziel des Vertrages ist es unter anderem, die kulturelle Vielfalt zu stärken sowie die Sicherheitsinteressen beider Staaten anzugleichen. Außerdem intensiviere man die Zusammenarbeit der Verteidigungspolitik beider Staaten inklusive der gegenseitigen Hilfe in Krisenlagen. Weitere Punkte sind die Schaffung einer deutsch-französischen digitalen Plattform für audiovisuelle Inhalte und Informationsangebote sowie die Verbesserung grenzüberschreitender Bahnverbindungen. Schulpolitische Maßnahmen und Hochschulpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das seit 1963 bestehende Deutsch-Französische Jugendwerk ermöglichte bis 2011 mehr als acht Millionen jungen Deutschen und Franzosen die Teilnahme an rund 270.000 Austauschprogrammen.[10] Schulpartnerschaften ermöglichen Auslandsaufenthalte. Die Einführung von Französisch als Fremdsprache schon in den Grundschulen ist sehr bedeutend. Insbesondere in den grenznahen Gebieten, also im Saarland, in Rheinland-Pfalz in den Regionen Trier und der südlichen Pfalz[11] sowie in Baden-Württemberg am südlichen Oberrhein zwischen Karlsruhe und Lörrach,[12] aber auch an einigen Grundschulen in Berlin[13] wird Französisch in den Grundschulen unterrichtet. In Frankreich ist Deutsch nach Englisch und Spanisch die meistgewählte Fremdsprache. Dem gegenüber steht jedoch die restriktive Politik Frankreichs gegenüber Minderheitssprachen und damit auch dem Deutschen, die trotz der Aussöhnung nach dem Krieg entschieden vorangetrieben wurde. Das Erasmus-Programm fördert den Studentenaustausch zwischen beiden Ländern. Deutsch-französische Institutionen und Projekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Yann Wehrling: transfrontalier2 (2010), Illustration zum Thema „deutsch-französische Beziehungen“ Bereits seit langem stellt die politische Presse größere Abweichungen zwischen dem Ideal der deutsch-französischen Freundschaft und der Realität heftiger Konkurrenz zwischen beiden Ländern fest. Die Staatenkartelltheorie der Internationalen Beziehungen leitet hieraus den Befund ab, es handele sich bei der deutsch-französischen Freundschaft um ein strategisches Bündnis, um eine kalkulierte Machtallianz: Sie sei „wesentlich eine ideologisch unterfütterte Kartellbeherrschungsstrategie“ innerhalb der Europäischen Union.[18] Diplomatische Beziehungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Frankreich verfügt über eine Botschaft in Berlin und Generalkonsulate in Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt am Main, München, Saarbrücken und Stuttgart. Honorarkonsuln residieren in Aachen, Bremen, Freiburg im Breisgau, Fürth, Hannover, Köln, Mannheim und Saarlouis.[19] Deutschland unterhält eine Botschaft in Paris und Generalkonsulate in Bordeaux, Lyon, Marseille und Straßburg. Honorarkonsuln sind in Avignon, Bastia, Brest, Dijon, Baie-Mahault (Guadeloupe), Grenoble, Lamentin (Martinique), Lille, Matoury (Französisch-Guyana), Montpellier, Nantes, Nizza, Nouméa (Neukaledonien), Papeete (Tahiti), Perpignan, Reims, Rennes, Rouen, Saint-Denis (Réunion), Toulouse und Tours tätig.[20] Beide Staaten sind Mitglieder zahlreicher supranationaler (Europäischen Union, inkl. Eurozone) und internationaler Organisationen (z. B. NATO, OSZE, OECD, Europarat). Darüber hinaus gehören beide der G7 bzw. der G20 an. Gemeinsam mit Polen bilden sie die Staaten des Weimarer Dreiecks. Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelne Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zeitschriften, Reihenwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bilder von bekannten Politikergesten:
Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Was sind die Aufgaben des französischen Präsidenten?Er ernennt den Premierminister und führt den Vorsitz im Ministerrat. Er fertigt die Gesetze vor ihrem Inkrafttreten aus und kann weitere Beratungen über bereits verabschiedete Gesetze erzwingen sowie Volksentscheide durchführen lassen. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Wie heißen die französischen Präsidenten?Der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, wurde am 14. Mai 2017 für fünf Jahre in sein Amt eingeführt. Er ist Nachfolger von François Hollande und der achte gewählte Präsident der Fünften Französischen Republik.
Wie funktioniert die französische Regierung?Die Regierung ist dem Parlament direkt verantwortlich für Verwaltung und Streitkräfte. Die Regierung wird durch den Staatspräsidenten ernannt, die Minister und weiteren Regierungsmitglieder (beigeordnete Minister, Staatssekretäre) dabei auf Vorschlag des zuvor ernannten Premierministers.
Wie lange darf man in Frankreich Präsident sein?Die französische Präsidentschaftswahl (französisch élection présidentielle) bestimmt für eine Amtszeit von fünf Jahren (Quinquennat) den Staatspräsidenten der Französischen Republik. Eine Wiederwahl ist beliebig oft möglich. Allerdings dürfen höchstens zwei Amtszeiten direkt aufeinander folgen.
|