Was ist schlimmer Krebs oder Tumor?

Die Krebsforschung der letzten Jahre hat uns dem Verständnis der genetischen und molekularen Ursachen dieser Erkrankung sehr nahe gebracht. Jedoch wurde die Euphorie gedämpft: Krebs ist eine vielschichtige Erkrankung mit unerwarteter Flexibilität in der Entstehung und in der Entwicklung von Therapieresistenz.

Als Krebs werden gewöhnlich bösartige Tumore, also Gewebeneubildungen (Neoplasien), bezeichnet, die durch das Einwachsen in Organe oder die Veränderung von Organfunktionen und die Streuung von Tochtergeschwulsten (Metastasen) im ganzen Körper den Tod verursachen können. Grundsätzlich kann jedes Organ im Körper befallen werden, und je nach Gewebeursprung unterscheidet man bösartige (maligne) epitheliale Karzinome – die häufigsten Krebsarten wie Krebs der Brust, der Prostata, der Lunge, der Bauchspeicheldrüse und der Leber – und seltenere maligne mesenchymale Tumore (Sarkome). Bösartige Tumore der Blutzellen werden oft als «Blutkrebs» bezeichnet und von Experten in spezielle Leukämien, Lymphome und andere eingeteilt. Krebs ist also eine Erkrankung, bei der sich Körperzellen unkontrolliert vermehren sowie gesundes Gewebe verdrängen und zerstören.

Hefe, Fliege, Mensch

Leben in jeder Form wird durch das Erbmaterial und seine Umsetzung bestimmt. Es gibt also auch in unserem Erbmaterial festgelegte genetische Programme, die das Wachstum und die Teilung von Zellen regulieren. Ihre strikte Kontrolle wird am besten sichtbar bei der Entwicklung einer befruchteten Eizelle zum ausgewachsenen Organismus. Die Vervielfältigung der Zellen durch Zellteilung (Proliferation) geht dabei einher mit ihrer Spezialisierung, also dem Ausüben bestimmter Funktionen, der Zelldifferenzierung. Genetische Programme sorgen dafür, dass sich Zellen an einem bestimmten Ort so teilen und sich in ihrer Funktion so differenzieren, dass ein funktionsfähiges Organ entsteht: etwa Epithelzellen des Darms zur Nahrungsaufnahme, Leberzellen für Stoffwechselfunktionen oder Nervenzellen zur Reizleitung.

Es ist faszinierend zu sehen, dass sich die Regulationskreise und Mechanismen, welche die Zellteilung kontrollieren, sehr ähnlich sind – von der Bierhefe über Fadenwürmer und die Fruchtfliege bis zur Maus und dem Menschen. Neben der Entstehung von neuen Zellen muss auch vom Zelltod gesprochen werden. Zellen, die nicht mehr gebraucht werden, weil sie zu alt sind oder ihre natürliche Funktion nicht mehr ausüben können, werden durch den sogenannten programmierten Zelltod (Apoptose) beseitigt, einem weiteren in unserem Erbmaterial verzeichneten genetischen Programm. Dabei bauen sich die Zellen selbst ab und werden durch im Körper patrouillierende Fress- oder Nachbarzellen aufgenommen. Programmierter Zelltod ist also eine natürliche Sache, die in unserem Körper laufend stattfindet, etwa beim Ersetzen von alten Haut-, Darm- oder Blutzellen.

Die Prozesse von Zellteilung und -tod werden durch hochkomplizierte Regulationsmechanismen ausgeführt. Die eigentlichen Kontrollen üben Gene aus, die einerseits die Zellteilung anregen (Wachstums- oder Protoonkogene) oder anderseits die Zellteilung hemmen (Tumorsuppressorgene). Zudem gibt es Gene, die den programmierten Zelltod hemmen, also Wachstumsgene, und Gene, die den Zelltod stimulieren, also Tumorsuppressorgene. Wird nun eine Zelle durch ein Wachstumssignal zur Teilung angeregt, wird die Kombination aus der Aktivität der Wachstums- und der Tumorsuppresssorgene die Zellteilung und den Zelltod so steuern, dass bei einem starken Wachstumssignal die Zelle in den Zellzyklus eintreten und sich teilen wird, ohne dass Zellen absterben. Die entstehenden Tochterzellen können sich selbst weiter teilen oder durch Differenzierung ihre endgültige Organfunktion übernehmen.

Wenn all diese Gene und Regelkreise ordnungsgemäss funktionieren, entstehen die Gewebe und Organe in der vorgesehenen Grösse und mit der erwarteten Funktion. Wird nun in einer Zelle ein Protoonkogen, das normalerweise Wachstumssignale in Zellteilung umsetzt, ohne ein Wachstumssignal aktiviert, so werden Zellen zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zur Teilung angeregt. Dies kann durch aktivierende Mutationen, Vervielfältigung des Gens im Erbmaterial oder eine Fehlregulierung der Nutzung des Gens verursacht werden. Dadurch wird ein normales Wachstumsgen (Protoonkogen) zu einem Krebsgen (Onkogen). Derselbe Effekt entsteht natürlich auch durch den Verlust von Tumorsuppressoren: Hier wird die Genfunktion durch eine inaktivierende Mutation, den Verlust eines Chromosomenstücks oder eine fehlende Aktivierung des Tumorsuppressorgens beeinträchtigt.

Die unkontrollierte Zellvermehrung kann auch durch Defekte in der Regulation des Zelltods geschehen: Fehlt die Funktion von Genen, die den Zelltod einleiten, oder gibt es ein Zuviel an Funktion von Genen, die den Zelltod verhindern, werden zu viele Zellen gebildet. Es ist nun tatsächlich so, dass bei den meisten Krebsarten eine Kombination all dieser genetischen Veränderungen zu finden ist. Veränderungen in der Genfunktion durch Mutation oder andere Schädigungen im Erbmaterial bedeuten eine genetische Ursache für Krebs. Die Anzahl und Art der Mutationen von Onko- und Tumorsuppressorgenen unterscheidet sich dabei zwischen verschiedenen Krebsarten. Es gibt bestimmte Formen von Leukämien, bei denen nur ein genetisches Ereignis, die Aktivierung eines Onkogens, den Krebs verursacht. Dagegen scheint etwa Dickdarmkrebs bis zu sieben genetische Veränderungen aufzuweisen. Selbst innerhalb einer Krebsart findet man unterschiedlichste Defekte in den genetischen Programmen. So lässt sich zum Beispiel Brustkrebs aufgrund der genetischen Veränderungen in mindestens fünf unterschiedliche Arten unterscheiden.

Alterskrankheit

Krebs ist auch eine Erkrankung des Alterns. Normalerweise werden Schäden am Erbmaterial, die durch Fehler in der Duplikation bei der Zellteilung oder durch Stoffwechseleinflüsse oder Umweltfaktoren entstehen, sofort repariert. Leider aber nimmt die Schädigung des Erbmaterials mit dem Alter zu, während die Reparaturmechanismen im Körper weniger effektiv arbeiten. Dies führt mit dem Altern zwangsläufig dazu, dass sich Körperzellen der Wachstumskontrolle entziehen können und die Häufigkeit von Krebserkrankungen mit zunehmendem Durchschnittsalter der Bevölkerung weiter zunehmen wird.

Dies gibt auch eine Antwort auf die Frage, ob Krebs schon immer existiert hat oder eine «Erfindung» der Neuzeit ist: Schon die alten Ägypter benutzten Hieroglyphen für Brustkrebs, jedoch mussten damals die Menschen erst einmal alt genug werden, um Krebs zu erleben. Eine weitere Frage ist, warum es Kinder und junge Menschen mit Krebs gibt. Solche Krebserkrankungen werden oft durch defekte Programme in der Embryonalentwicklung verursacht. Krebs kann aber auch vererbt werden: Eine Mutation in einem Tumorsuppressorgen kann von einem Elternteil weitergegeben werden, worauf die Nachkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit in relativ jungen Jahren Krebs entwickeln. So gibt es Familien, in denen einige weibliche Mitglieder eine Mutation des BRCA-1-Tumorsuppressorgens tragen und jung Brustkrebs entwickeln. Weitere Beispiele sind Defekte im p53-Tumorsuppressorgen oder in andern Genen, die für die Reparatur des Erbmaterials verantwortlich sind. Defekte im Erbmaterial, etwa durch die UV-Strahlung der Sonne, können in diesen Patienten nicht mehr angemessen repariert werden, wodurch sich Hautkrebs und andere Krebsarten entwickeln.

Auch gibt es im Erbmaterial der Menschen individuelle Unterschiede in der Genstruktur (Polymorphismen), die nicht einer Mutation gleichkommen. Bestimmte Konstellationen davon machen ein Individuum mehr oder auch weniger anfällig für Krebs. Alle kennen ja den berühmten Grossvater, der trotz intensiven Rauchens 90 Jahre alt geworden ist (obwohl erwiesenermassen die Mehrzahl der Raucher ihr Leben massiv verkürzt). Wir leben also mit einem genetischen Make-up, das uns unterschiedlich anfällig für Krebs macht. Es gibt noch andere Ursachen für die Entstehung von Krebs. Bestimmte Formen werden durch Virusinfektionen hervorgerufen, etwa die unbehandelte Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus, die zu Leberkrebs führen kann, oder der Humane Papillomvirus (HPV), der Gebärmutterhalskrebs verursacht, eine Entdeckung, die relativ schnell zu einer klinischen Anwendung, nämlich der HPV-Impfung bei jungen Mädchen, geführt hat.

Die krebserregende Wirkung des Tabaks bedarf heute keiner besonderen Erklärung mehr. Andere Umweltgifte, die das Erbmaterial schädigen, gibt es leider zuhauf: Dioxine und Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind noch immer in Hydraulikflüssigkeiten, Kühlmitteln und Plastikweichmachern zu finden. Leider werden wir auch durch die Ernährung mit krebserregenden Substanzen konfrontiert: zum Beispiel durch das das Erbmaterial schädigende Gift Aflatoxin in schimmelpilzverseuchten Erdnüssen und durch das Benzpyren im verkohlten Grillfleisch.

Vielstufige Entstehung

Wir haben bisher nur vom ersten, aber vielleicht dem wichtigsten Schritt der Krebsentstehung gesprochen: vom normalen Gewebe zu ersten «präneoplastischen Läsionen», also Haufen von Zellen, die sich unkontrolliert teilen. Die Bildung von schnell wachsenden, bösartigen Tumoren, die Metastasen bilden, benötigt jedoch weitere Schritte: die Bildung neuer Blutgefässe zur Versorgung des wachsenden Tumors mit Sauerstoff und Nährstoffen («Tumorangiogenese») sowie den Übergang vom gutartigen Tumor zum bösartigen Krebs, dessen Zellen in das umliegende Gewebe einwachsen und sich schliesslich durch Eindringen in das Lymph- oder Blutgefässsystem im Körper verteilen können, um in entfernten Organen Tochtergeschwulste («Metastasen») zu bilden.

Etwa 90% aller Todesfälle durch Krebs sind auf die Metastasenbildung zurückzuführen.

Prof. Dr. Gerhard M. Christofori

Etwa 90% aller Todesfälle durch Krebs sind auf die Metastasenbildung zurückzuführen. Ein neoplastischer Zellhaufen kann nur bis zu einer Grösse von etwa zwei bis drei Millimeter Durchmesser heranwachsen, bevor die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen vom nächsten Blutgefäss limitiert wird. Deshalb ist die Neubildung von Blutgefässen (Angiogenese) bei der Entstehung von Tumoren entscheidend. Wenn Krebszellen einem Sauerstoffmangel ausgesetzt sind, stellen sie bestimmte Wachstumsfaktoren her, die sie in die Umgebung abgeben. Wenn diese Faktoren auf ihre Rezeptoren auf Blutgefässzellen (Endothelzellen) treffen, regen sie diese dazu an, von den Blutgefässen auszuknospen sowie neue Verzweigungen und damit neue Blutgefässe zu bilden. Dieser Vorgang der Tumorangiogenese wird in allen soliden Tumoren gefunden.

Die Unterdrückung dieses Prozesses bietet daher die Möglichkeit, Tumorwachstum durch eine Verhinderung der Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen zu hemmen. Die meisten der angiogenen Faktoren und ihre Signaltätigkeit in der Stimulierung der Tumorangiogenese sind relativ gut erforscht worden. So sind erste Therapieansätze gegen diese angiogenen Signalwege schon in der klinischen Anwendung. Die Bildung von zusätzlichen Blutgefässen und Lymphgefässen (Lymphangiogenese) in der Tumorumgebung trägt auch zur metastatischen Verbreitung von Krebszellen bei. Eine erhöhte Dichte an Lymph- oder Blutgefässen im Tumor macht es wahrscheinlicher, dass Krebszellen durch das lymphatische System in den nächsten Lymphknoten wandern und dort erste Metastasen bilden oder in die Blutbahn gelangen und sich im ganzen Körper verteilen können. Dieser Zusammenhang macht eine Verhinderung der Blutgefässangiogenese und der Lymphangiogenese zu einem attraktiven Angriffspunkt der Krebstherapie.

Eine wichtige Voraussetzung für die Bildung von Metastasen ist auch, dass sich die Krebszelle von ihren Nachbarzellen lösen und aktiv aus dem Tumorgewebe auswandern kann, um überhaupt in das Gefässsystem zu gelangen. Im gesunden Gewebe «kleben» die Zellen mittels Adhäsionsmolekülen aneinander. Deren Produktion oder Funktion ist in den meisten gutartigen Tumoren noch vorhanden, geht aber beim Übergang zu einem invasiven und metastatischen Tumor verloren und macht damit den Weg zur Loslösung der Krebszellen frei. Welche Faktoren dazu führen, wird derzeit untersucht. Sind Krebszellen erst einmal im Blutkreislauf, können sie sich im Körper verteilen. Jedoch überleben nur die wenigsten. Das Immunsystem erkennt nämlich die Krebszellen meist als entartet und zerstört sie.

Zellen des Immunsystems werden auch in erhöhter Zahl in der Tumorumgebung gefunden. Man könnte nun annehmen, dass das Immunsystem seine eigentliche Aufgabe wahrnimmt und das Tumorgewebe zerstört. Dies ist im Prinzip auch der Fall, leider aber findet der Krebs Mittel und Wege, das Immunsystem auszutricksen: Das Krebsgewebe unterdrückt die Produktion von Erkennungssignalen, die normalerweise Immunzellen in das Gewebe locken und die Krebszellen zu Zielobjekten machen. Zudem programmiert der Krebs Immunzellen um: So werden etwa die Fresszellen, die normalerweise eine entzündliche Reaktion gegen den Krebs stimulieren, so beeinflusst, dass sie Faktoren abgeben, die das Immunsystem hemmen und das Wachstum und die Angiogenese des Tumors unterstützen. Dieser paradoxe Zusammenhang wird auch deutlich, wenn man weiss, dass chronische Entzündungen oft Ursache von Krebs sind, etwa bei chronischer Darmentzündung oder Leberzirrhose. Der Krebs tarnt sich also vor dem Immunsystem, das wiederum nicht nur geschwächt, sondern sogar zum Vorteil des Tumors umgenutzt wird.

Neue Therapieansätze?

Bis die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in Medikamente umgesetzt werden können, vergehen Jahre. Mit der Entschlüsselung der molekularen Zusammenhänge von Krebserkrankungen können nun aber zielgerichtete Therapien entwickelt werden, bei denen die molekulare Diagnose mit der Wahl der geeigneten Therapie Hand in Hand geht. Beispiele dafür sind die Hemmung von Wachstumsfaktoren und ihren Rezeptoren auf Krebszellen oder Blutgefässzellen durch neutralisierende Antikörper oder durch pharmakologische Hemmstoffe.

Prof. Dr. Gerhard Christofori

ist Professor für Biochemie am Departement für Biomedizin der Universität Basel.

Anders als bei der klassischen Chemotherapie, bei der etwa die Zellteilung generell gehemmt wird und so alle sich in Teilung befindlichen Zellen im Körper abgetötet werden, erwartet man mit den gezielten Therapien weniger Nebenwirkungen. In einigen Fällen haben solche Therapien beeindruckende Ergebnisse gebracht. Doch hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass wir erst am Anfang einer neuen Entwicklung in der Krebsforschung und -therapie stehen. Erstens sind die Varianzen innerhalb der Krebsarten noch viel zu gross, als dass man alle Erkrankungen mit einigen wenigen zielgerichteten Therapien abdecken könnte. Zweitens entwickeln sich auch bei den gezielten Therapien – trotz anfänglich guter therapeutischer Effekte – mit der Zeit Resistenzen, und die Behandlung muss angepasst werden. Drittens verursachen auch die neuen Therapien ernste Nebeneffekte.

Diese Erfahrung der letzten Jahre hat zu einer Diskussion geführt, wie die Effektivität der Therapie, also die Lebensverlängerung, die Lebensqualität während der Therapie und die Behandlungskosten in einen akzeptablen Einklang gebracht werden können. Es gibt also auf der Seite der Forschung und Entwicklung noch eine Menge zu tun, um Krebs zu einer mit dem Leben zu vereinbarenden Erkrankung zu machen. Von einer systematischen Heilung sind wir aber leider bei den meisten Krebsarten noch weit entfernt.

Was ist der Unterschied Krebs und Tumor?

Bösartige und gutartige Tumore Wenn ein Tumor bösartig ist, wächst er in Organe ein und zerstört sie. Er versucht, sich über Blut- und Lymphsystem im ganzen Körper auszubreiten und anzusiedeln, das heißt Tochtergeschwülste — auch Metastasen genannt − zu bilden. Liegt ein bösartiger Tumor vor, spricht man von Krebs.

Welcher Tumor ist am schlimmsten?

Zu den tödlichsten Krebsarten zählen dabei Lungenkrebs, Brustkrebs und Darmkrebs.

Wann ist ein Tumor bösartig?

Bösartige Tumore wachsen „infiltrativ" (oder „invasiv") und „destruktiv", d. h. sie zerstören das umliegende Gewebe. Im Gegensatz zu gutartigen Tumoren besitzen bösartige Geschwülste meist keine oder nur eine unvollständige Kapsel.

Welcher Tumor streut nicht?

Die Tumorzellen gutartiger Tumoren bilden keine Tochtergeschwülste (Metastasen).