Wenn der mann in der frau kommt

Wer nicht kommt, verliert. Das gilt in vielen Schlafzimmern bis heute. Dabei fällt es Frauen häufig schwer, zuverlässig zum Orgasmus zu kommen - und das müssen sie auch gar nicht.

04.11.2016, 10.54 Uhr

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Im Idealfall kommen beide. Meistens aber nicht. So ist das beim Sex. Frauen gehen beim Orgasmus häufig leer aus. Orgasm Gap nennt sich das, angelehnt an Gender Pay Gap - da verdienen Frauen weniger als die Männer. Doch nicht nur im Job geht es unfair zu, sondern auch beim heterosexuellen Sex. Es gibt zahlreiche Studien zum Thema. Wie oft Frauen tatsächlich kommen, da variieren die Zahlen stark. Alle sind sich aber einig, dass Männer deutlich häufiger einen Orgasmus haben als Frauen.

So weit, so ungerecht. Daraus könnte man leicht schließen, dass Frauen beim Sex quasi nie befriedigt werden. Denn wer nicht kommt, der hatte auch keinen Spaß.

Variable Erregungsniveaus während des Geschlechtsverkehrs

"Das stimmt nicht", sagt Jakob Pastötter, Sexualwissenschaftler und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung. "Unser Verständnis von Sex ist ein sehr männliches", erklärt er. Im Vordergrund stehen: Erregung, Erektion, Ejakulation.

Sex verlaufe aber vor allem bei Frauen nicht so "linear", wie er es nennt. Die Erregungskurve flache auch mittendrin immer wieder ab. Es gebe während des Geschlechtsverkehrs verschiedene Erregungsniveaus, deren Höhepunkt nicht der Orgasmus sein muss. Pastötter kritisiert, dass das im gesellschaftlichen Diskurs nicht anerkannt wird und es oft heißt: Frauen sollen gefälligst alles Mögliche tun, damit es bei ihnen klappt. "Dabei gibt es nichts Unbefriedigenderes als einen schalen Orgasmus."

Zu diesem männlich geprägten Verständnis von Sex gehört auch, dass viele unter Sex ausschließlich das Eindringen vom Penis in die Vagina verstehen. Reiben, rubbeln, lecken, streicheln - klitorale Stimulation ist für viele nur das Vorspiel, der eigentliche Sex ist Penetration. Dabei wird die Klitoris aber weniger intensiv stimuliert - folglich sinkt die Chance, einen Orgasmus zu bekommen.

Leistungsdruck gibt es auch im Bett

"Frauen leiden unter dieser falschen Vorstellung von Sexualität", kritisiert auch Sexualtherapeutin und Autorin Carla Thiele. Und damit nicht genug: Problematisch sei es für viele Frauen außerdem, wenn der Mann nicht kommt. Denn für viele ist es nur "echter" Sex, wenn der Mann einen Orgasmus hat. "Das ist dann auch eine Bestätigung für die Frau", sagt Thiele. Bleibt er aus, beginnen die Selbstzweifel.

Den Leistungsdruck, den es in den meisten anderen Bereichen des Lebens gibt, den gebe es mittlerweile auch im Bett. "Dabei wäre es uns völlig egal, ob der andere kommt, wenn jedes Mal eine rote Lampe angehen würde, die zeigt, dass der andere besonders erregt ist oder starke Gefühle hat", erklärt Thiele. Der Orgasmus des anderen ist auch ein Zeichen - eine Art Selbstbestätigung. Ich bin attraktiv, ich werde begehrt. Orgasmus, Hurra.

Dabei gehört der eigene Orgasmus zuerst einmal jedem selbst. Mann oder Frau schulden ihn niemandem. "Und es ist doch absurd, dass wir Frauen uns da so von den Männern abhängig machen", kritisiert Thiele. Da haben Frauen lange Jahre für Selbstbestimmung gekämpft, und dann ist für ihren Orgasmus nur der Mann verantwortlich? "Ich mache es mir, wann ich will", sollte eigentlich die Devise sein, findet Thiele.

Kommen kann man lernen

Nun könnte Frau aber auch sagen: Warum kommt der Mann immer und ich muss zurückstecken? Ich will das auch, ich fordere das ein - durchaus ein Argument der Gleichberechtigung. "Einfordern ist beim Sex aber immer ein sehr schlechtes Wort", erklärt Therapeutin Ann-Marlene Henning, bekannt aus der ZDF-Doku-Reihe "Make Love - Liebe machen kann man lernen". Heißt das also: Am besten auf den Orgasmus verzichten?

"Nein", sagt Henning. "Kommen ist eine Fähigkeit, und Fähigkeiten kann man erlernen - in der Regel." Wie Thiele plädiert sie dafür, es sich erstmal selbst zu machen. "Frauen kennen ihren Körper, was das angeht, oft nicht so gut wie Männer", sagt Henning. Doch wieso sollte jemand anderes etwas auslösen, von dem man nicht einmal selbst weiß, wie es funktioniert?

Gemeinsam üben hilft

Und dann ist natürlich - wie so oft - Reden ein Schlüssel zum Erfolg. Eine weltweite Studie zum sexuellen Verhalten kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen und Männer in Beziehungen weniger Schwierigkeiten haben, zum Orgasmus zu kommen . "Mit einer vertrauten Person darüber zu sprechen, ist natürlich leichter als mit einem One-Night-Stand", sagt Henning. Anschließend kann man mit seinem Partner gemeinsam üben und zeigen, was und wie man es mag.

Ein Geheimrezept gibt es allerdings nicht. Das viel beschworene Entspannen bringe rein gar nichts, wenn eine Frau durch Druck ihre Erregung steigert, erklärt Henning. Und das Ziel von Sex muss nicht immer der Orgasmus sein - gerade, wenn er schwerfällt. "Auch Nähe und Hautkontakt können Gründe für Sex sein." Das sei häufig nur schwierig zu verstehen für Menschen, die leichter kommen - also in der Regel Männer. Vergessen sollten Mann und Frau laut Henning vor allem, was Pornos oder Filme versprechen: Immer zu kommen, multiple Orgasmen und der gemeinsame Höhepunkt. "Das ist Schwachsinn."

Wann kommen Männer beim?

Misst man die Zeit bis zum Höhepunkt, erreicht ein Mann ihn im Durchschnitt nach fünf bis sieben Minuten. Doch die Bandbreite variiert enorm. Manche Männer benötigen weniger als eine Minute bis zum Samenerguss. Bei anderen kann es sogar mehr als eine halbe Stunde dauern.

Warum kommt der Mann nach 2 Minuten?

Oft kann die vorzeitige Ejakulation mit Stress, Anspannung, der Stimmung oder gar länger zurückliegenden Verkehr zusammenhängen. Wenn "Mann" zu früh kommt, ist das nicht nur unbefriedigend, es kann auch negative Auswirkungen auf die Psyche und das Selbstvertrauen haben sowie zu weiterer Unsicherheit führen.