Warum ist deutschland beim esc so schlecht

Es ist ganz einfach: Wir werden nicht geliebt, wir haben keine Bruderländer, wir machen schlechte Musik. Vielleicht müssen wir einfach die Austeritätspolitik lockern, damit der deutsche Schlager beim ESC wieder punktet.

Von Arno Frank

14.05.2017, 10.22 Uhr

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Am Ende war Peter Urban die Erleichterung anzuhören: "Spanien bekommt fünf! Die können uns nicht mehr schlagen!" Drei Gnadenpunkte gab es von der irischen Jury für Levina und "Perfect Life", das europäische Publikum legte noch einmal drei Punkte drauf - und damit hatte Deutschland es geschafft. Immerhin nicht Letzter, wie in den vergangenen beiden Jahren.

Deutschland hat einen Durchhänger, keine Frage. Eine dermaßen debakulöse Serie gab es zuletzt in den Sechzigern. Wie kann es sein, dass "wir" so schlecht bewertet werden? Schon 2016 brachte es Barbara Schöneberger auf den Punkt: "Lasst uns hier stehen und wie jedes Jahr fragen, was eigentlich los ist mit Deutschland. Oder liegt's an den anderen? Ist mit den anderen irgendwas nicht in Ordnung?"

Beide Fragen sind sehr deutsch in ihrer zergrübelten Ratlosigkeit. Wobei die Höflichkeit gebietet, keinesfalls den Künstlern die Schuld zuzuweisen. "Das hat Levina nicht verdient!", sagte Peter Urban am Abend. Und auch Jamie-Lee, Ann Sophie, Elaiza oder Cascada hatten es angeblich "nicht verdient", gar so schlecht abzuschneiden. Eine auch nur halbwegs weiterlaufende Karriere war ihnen offenbar auch nicht beschieden.

"Ich weiß auch nicht, woran es liegt", grübelte Peter Urban. "69 Prozent des deutschen Fernsehpublikums haben diesen Song gewählt, also für Levina. Wir haben eigentlich nichts falsch gemacht, also die Verantwortlichen". Woraus nicht unbedingt folgt, dass das Publikum etwas falsch gemacht hat. Vielleicht taugt auch schon die Vorauswahl nichts, wurde aus schlechten Songs der am wenigsten Schlechte gewählt? Oder haben die Menschen auf der Straße den unwiderstehlichen Refrain von "Perfect Life" vor sich hingepfiffen?

"Es ist nicht anzunehmen", schrieb einmal Max Goldt, "dass die Musik von Bon Jovi die Folge eines Wunsches nach künstlerischem Ausdruck ist". Das trifft in der Regel auch auf den überwältigenden Großteil aller Titel zu, die bei einem ESC ins Rennen geschickt werden. Gibt es im Wettbewerb eine echte Alternative zum tristen Einerlei, sei's finnischer Spaßmetal, niederländischer Folk oder portugiesischer Jazz, dann haben die berechnenden Reißbrettkompositionen keine Chance mehr.

Das ist ein ästhetischer Fortschritt, den Deutschland verschlafen hat. Daher geht auch die alte Forderung fehl, an der europäischen Schlagerfront mit Helene Fischer endlich mal eine deutsche Wunderwaffe zum Einsatz zu bringen. Inzwischen gewinnt eben nicht einmal mehr, wer das Anbiedern perfektioniert hat. Das Publikum erkennt inzwischen die Absicht und ist verstimmt, mindestens aber gelangweilt.

Auch die sportliche Enttäuschung über "unser" schlechtes Abschneiden beruht auf einem Missverständnis. Der ESC mag ein Wettbewerb sein, eine sportliche Veranstaltung ist er nicht. Mit Disziplin ist hier kein Blumentopf zu gewinnen. Was Deutschland sich sonst noch an spezifisch deutschen Tugenden zugute halten mag, erzielt vielleicht Handelsüberschüsse - warme Gefühle weckt es sicher nicht.

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Womit wir beim Kern der Kränkung wären, dass es nicht einmal fürs Mittelfeld reicht. Zwar machen wir eigentlich nichts falsch, also die Verantwortlichen. Wir werden aber von unseren Nachbarn schlicht nicht so sehr geliebt, wie wir uns neuerdings selbst wieder lieben. Wir stehen demografisch und wirtschaftlich in Europa herum wie ein Gewichtheber im Kindergarten - der sich wundert, dass ihm niemand einen Lutscher schenkt.

Es schachern uns auch, anders als in Skandinavien oder auf dem Balkan, keine gewogenen "Bruderländer" die Punkte zu. Niemand außerhalb von Deutschland denkt: "Mensch, diesen Deutschen gönne ich es aber mal, die haben's auch nicht leicht". Ein solches Land gewinnt den ESC nicht, wenn es sich so schick herausputzt wie alle anderen Gäste auf der Party oder, andere Extrem, Rammstein schickt. Es gewinnt, wenn es niedlich tut und glaubhaft "ein bisschen Frieden wünscht".

Ist das Problem also Deutschland? Oder ist mit den anderen irgendwas nicht in Ordnung? Ja und nein. Ja, es liegt an Deutschland. Und nein, das ist schon in Ordnung so.

Was tun? Bessere Musik könnte nicht schaden, vielleicht sogar "echte Musik" (Salvador Sobral). Wenn Deutschland zusätzlich noch seine Austeritätspolitik lockert, dann … ja, dann wird der deutsche Schlager auf Jahre hinaus unschlagbar sein.

Warum ist Deutschland beim ESC immer so schlecht?

Erstens: Deutschland muss nicht durchs Halbfinale Die ARD gehört beim ESC zu den „Big Five“, zu den Hauptfinanziers der ganzen Veranstaltung. Deswegen ist der deutsche Teilnehmer automatisch für das Finale gesetzt, muss sich nicht zuvor bereits im Halbfinale bewähren.

Was hat der ESC gegen Deutschland?

Deutschland: Alle Ergebnisse beim ESC.

Wie hat Deutschland beim ESC 2022 abgeschnitten?

Mal fand der ESC 2022 statt, im italienischen Turin. Harris sang seinen Song „Rockstars“ für Deutschland. Leider landete er mit nur sechs Punkten auf dem letzten Platz. Die ukrainische Band Kalush Orchestra holte den Sieg.

Warum hat Malik so schlecht abgeschnitten?

Der Grund für das schlechte Abschneiden hat mit der Art und Weise zu tun, wie der deutsche Beitrag im Vorfeld ermittelt wird. Gerade in diesem Jahr kam es zu einem gravierenden Denkfehler: Der Song, so hieß es, müsse "radiotauglich" sein.