Warum Musik für Kinder so wichtig ist?

Wer von Kindesbeinen an gemeinschaftlich singt und musiziert, verbessert nicht nur kurzfristig seine kognitiven Leistungen, sondern f�rdert auch sein Einf�hlungsverm�gen. Ein Benefiz-Projekt will das Musizieren wieder in die Familien bringen.

Warum Musik für Kinder so wichtig ist?

Gemeinsames Singen und Musizieren f�rdert sowohl aus neurologischer als auch aus p�dagogischer Sicht die Entwicklung eines Kindes. Foto: picture alliance

Singen und Musizieren macht schlau und gl�cklich. Mit diesem Argument pl�dieren P�dagogen gerne f�r eine m�glichst fr�he musikalische Erziehung von Kindern.

Dass das Singen positive Effekte f�r den Spracherwerb, das Ged�chtnis und die motorischen F�higkeiten eines Kindes haben kann, werden die wenigsten bezweifeln. Doch diejenigen, die sich auf wissenschaftlicher Basis mit diesem Themenfeld auseinandersetzen, haben noch einiges zu tun, um herauszufinden, wo und wie genau das Musizieren auf den Menschen wirkt.

Das best�tigt auch der Neurologe und Direktor des Instituts f�r Musikphysiologie und Musikermedizin an der Hochschule f�r Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH), Prof. Dr. med. Eckart Altenm�ller. Er ist Mitglied im Kuratorium des Projektes „Ganz Ohr! Musik f�r Kinder“, das sich zum Ziel gesetzt hat, das gemeinsame Singen und Musizieren wieder vermehrt in die Familien zu tragen. Das Benefizprojekt soll den Einstieg in das gemeinsame Singen erleichtern. Auf einer interaktiven Website finden Interessierte unter anderem Liedbl�tter zum Mitsingen, Fingerspiele und Kniereiter.

Altenm�ller besch�ftigt sich seit Jahren mit den neuronalen Auswirkungen musikalischen Lernens im Kindes- und Jugendalter. „Musizieren f�rdert die Entwicklung des Gehirns durch Vernetzung und durch die Vergr��erung bestimmter Nervenbahnen“, erkl�rt er. „Es werden besonders g�nstige Netzwerke zwischen dem H�ren und Bewegen angelegt, also zwischen den Schl�fenlappen, wo das Geh�r repr�sentiert ist, und den Planungs- und Bewegungszentren im Stirnhirnlappen.“ Der Neurologe geht davon aus, dass das gemeinsame Singen �ber den kurzfristigen, sogenannten Mozarteffekt hinausgeht. Jener Effekt beschreibt eine kurzfristige Verbesserung der kognitiven Leistungen durch bestimmte Stimuli, worunter nicht nur das Musikh�ren oder -machen, sondern auch sportliche Aktivit�ten fallen k�nnen.

Die Wirkung des gemeinschaftlichen Musizierens, vor allem im fr�hen Kindesalter, sei aber nachhaltiger, erkl�rt Altenm�ller. Es werden die rationale Planung und eine emotionale ganzheitliche Wahrnehmung gef�rdert, ein Mehrwert gegen�ber dem Sport- oder Schachtraining. Obgleich neuere Studien belegen, dass gemeinsames Musizieren das Kooperationsverhalten bei Kindern positiv beeinflusst, sieht Altenm�ller in diesem Bereich aber noch Forschungsbedarf: „Wir m�ssen genauer schauen, was an der Musik der wichtigste Effektor ist. Ist es das Emotionale? Oder sind es Rhythmus und Melodie?“

Aus p�dagogischer Sicht ist vor allem das gemeinschaftliche Musizieren mit den Eltern wichtig. Doch gerade innerhalb der Familien werde immer weniger musiziert, sagt Prof. Dr. Hans B��ler, Leiter und Mitinitiator des Projekts „Ganz Ohr! Musik f�r Kinder“ und Professor f�r Musikp�dagogik an der HMTMH. Das k�nne man am besten vor dem geschichtlichen Hintergrund in Deutschland erkl�ren, so B��ler. In den F�nfziger Jahren wurde das Singen teilweise als pr�faschistisch verstanden, und die darauffolgenden Generationen sind in den Schulen mit dem Singen nicht mehr so intensiv in Kontakt gekommen. Es gehe nicht um ein professionelles Musizieren vor Publikum, sondern vielmehr um ein Urbed�rfnis des Menschen zu singen. Das werde jedoch immer weniger kultiviert. Hier gebe es Handlungsbedarf.

Musik hilft Kindern beim Lernen, so das Ergebnis zahlreicher Studien. Wann und wie Eltern ihren Kindern Musik nahebringen sollten, weshalb sie dafür keine Opernsänger sein müssen und wie Lieder Erziehungskonflikte entspannen, erklärt Musikwissenschaftler Gunter Kreutz.

Von

Katja Schnitzler

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Die Krabbelgruppe wird mit einem Willkommenslied eröffnet, später lernen kleine Kinder erste Lieder auf Xylophon und Triangel, bevor sie sich zwischen Blockflöte, Klavier, Gitarre oder Geige entscheiden. Doch was bringt musikalische Früherziehung und warum lernen Babys sprechen, wenn die Eltern ihnen vorsingen? Professor Gunter Kreutz über den Wert des gemeinsamen Musizierens in der Familie - von Anfang an.

SZ.de: Müssen Eltern selbst musikalisch sein, um bei ihren Kindern die Liebe zur Musik zu wecken?

Gunter Kreutz: Ob seine Eltern singen können oder Rhythmusgefühl haben, hat keinen so großen Einfluss darauf, wie sich ein Kind musikalisch entwickelt - und ein bisschen Musikalität steckt ja in uns allen. Es ist nur die Frage, was man daraus macht.

Also Hauptsache, Mutter oder Vater singen, auch wenn es schief klingt und der Musiklehrer einst absolute Unfähigkeit bescheinigte?

Auf jeden Fall! Es gibt leider viele Gesangs-Traumatisierte, etwa 20 Prozent der Erwachsenen wurde schon mal gesagt, dass sie nicht singen könnten - und manche glauben das tatsächlich. Dabei ist das meist nur mangelnde Übung, und das kann man gemeinsam mit dem Kind nachholen. Egal, ob sie jeden Ton treffen oder nicht: Eltern haben es in der Hand, wie sich ihr Kind musikalisch entwickelt.

Reicht es nicht, den Kleinen CDs mit Kinderliedern vorzuspielen?

Das ist schön als Ergänzung, allerdings sollte man diese auch gemeinsam anhören und mitsingen. Letztlich ersetzen CDs die Intimität zwischen Kindern und Erwachsenen nicht, die gemeinsames Musizieren schafft: Beim Sprechen müssen wir uns abwechseln, aber wir singen gemeinsam.

Wie profitieren Kinder konkret davon?

Das hängt natürlich vom Alter ab. Grundschüler, die in kleinen Gruppen Instrumente spielen, haben ein besseres Wortgedächtnis und tun sich somit beim Übertritt an weiterführende Schulen leichter. Aber schon Säuglinge lassen sich von Musik beruhigen oder auch aktivieren. Lieder sind eine langsamere Form der Sprache. Babys lauschen der Melodie und werden so dazu animiert, die eigene Stimme zu benutzen, ihre Sprachentwicklung wird gefördert. Außerdem ist Singen eine Art Lachen in Zeitlupe, da werden Kinder immer zum Mitmachen angeregt. Das können Eltern übrigens für sich im Alltag nutzen.

Inwiefern?

Mit Gesang lassen sich Kinder an Rituale gewöhnen und Konfliktsituationen entschärfen. Zum Beispiel beim Zähneputzen: Das finden die Kleinen am Anfang spannend, aber dann wird es lästig. Wer da "Alle meine Entchen" abwandelt zu "Alle meine Zähnchen, werden jetzt geputzt", macht aus der Pflicht einen kleinen Spaß und belohnt das Kind noch mit besonderer Zuwendung. Und ein tägliches Gute-Nacht-Lied hilft nicht nur beim Einschlafen, die Kinder schlafen auch tiefer. Da kommt es weder auf perfekten Stimmklang noch auf die korrekten Töne an, wie uns das die unsäglichen Casting-Shows im Fernsehen suggerieren - weder bei den Eltern noch bei den Kindern.

Wieso ist Musik wichtig für die Entwicklung?

So fördert Musik die Gehörbildung, die Motorik, die Sprache und das Rhythmusgefühl. Zudem werden das logische Denken, die Kommunikationsfähigkeit und die Emotionalität unterstützt. Wenn Kinder selber Musik machen, trägt das darüber hinaus zur Persönlichkeitsbildung und Kreativität bei.

Wie wirkt sich Musik auf die Entwicklung von Kindern aus?

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Sprachentwicklung der Kinder besser und schneller abläuft, wenn sie viel Musik hören", so Schulte-Markwort. Musik hilft, die motorische Entwicklung zu fördern und Spannungen abzubauen. Gedächtnisleistungen verbessern sich, wenn man Musikstücke auswendig lernt.

Was fördern Lieder bei Kindern?

Kinderlieder machen schlau Denn durch Lieder wird die sprachliche Entwicklung unterstützt. Mit bekannten Songs, zum Beispiel „Ein Vogel wollte Hochzeit machen“, erweitern die Kinder ihren Wortschatz. Gleichzeitig lernen sie aber auch einiges über Satzbau, Artikulation und Sprachmelodie.

Was wird mit Musik gefördert?

Das (gemeinsame) Singen und Musizieren fördern nicht nur die Musikalität, sondern auch eine Vielzahl weiterer Kompetenzen - z.B. kognitive (Gedächtnis, Erkennen von Mustern und Sequenzen, Wahrnehmen von Unterschieden, Zählen, symbolisches Denken), emotionale (Empfinden, Gefühlsausdruck), motorische (Mund- und ...