Was passiert wenn man Citalopram einfach absetzt?

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Hintergrund: Antidepressiva z�hlen zu den am h�ufigsten verschriebenen Medikamenten weltweit. Ein Absetzen der Medikation geschieht oft und h�ufig ohne Wissen der Behandler. Eine Kenntnis der dabei potenziell auftretenden Entzugs- und Rebound-Ph�nomene ist zur Behandlung, Pr�vention und Aufkl�rung essenziell.

Methode: Wir f�hrten eine umfassende und strukturierte Literaturrecherche zu Absetzph�nomenen bei Antidepressiva in CENTRAL, PubMed (Medline) und Embase durch. Es erfolgte eine Einteilung der relevanten Studien und Berichte nach ihrer methodischen Qualit�t.

Ergebnisse: Aus 2�287 Treffern erf�llten 40 kontrollierte Studien, 38 Kohortenstudien und retrospektive Analysen und 271 Fallberichte die Einschlusskriterien. Entzugssyndrome sind in der Regel mild und selbstlimitierend, h�ufige Symptome sind Schwindel, Kopfschmerz, Schlafst�rungen und Stimmungsschwankungen. Selten k�nnen schwere oder lange Verl�ufe auftreten. F�r MAO-Inhibitoren, trizyklische Antidepressiva, Venlafaxin und Paroxetin gilt ein erh�htes Risiko; bei Agomelatin und Fluoxetin hingegen scheint auch ein abruptes Absetzen unbedenklich. Es gibt dar�ber hinaus Hinweise auf Rebound-Ph�nomene, womit erh�hte R�ckfallraten oder besonders schwere R�ckf�lle nach Absetzen von Antidepressiva gemeint sind.

Schlussfolgerung: Es gibt eine robuste Datenlage f�r akute Entzugssyndrome nach Absetzen von Antidepressiva. Rebound-Ph�nomene sind bislang unzureichend untersucht. Ein Ausschleichen von Antidepressiva �ber mehr als vier Wochen wird empfohlen.

Was passiert wenn man Citalopram einfach absetzt?
Was passiert wenn man Citalopram einfach absetzt?

Antidepressiva geh�ren zu den am h�ufigsten verschriebenen Medikamenten sowohl in der Psychiatrie, als auch in anderen medizinischen F�chern. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland 1,49 Milliarden definierte Tagesdosen an Antidepressiva im KV-System verordnet (zuz�glich Privatrezepte und Krankenhausbehandlungen) (1). Neben den Depressionen sind sie f�r weitere Indikationen wie Angst- oder Zwangserkrankungen zugelassen. Ein fundiertes Wissen �ber Nebenwirkungen und Risiken einer antidepressiven Medikation ist zur Aufkl�rung und Behandlung der Patienten essenziell.

Neben unerw�nschten Arzneimittelwirkungen w�hrend einer Einnahme von Antidepressiva r�cken zunehmend unerw�nschte Ph�nomene in den Fokus der Aufmerksamkeit, die nach Absetzen einer Behandlung mit diesen auftreten. Bekannt sind solche Absetzph�nomene bereits seit den fr�hen 1960er Jahren (2, e1). Nach wie vor besteht ein geringes Bewusstsein f�r die Bedeutung des Themas trotz hoher Relevanz. Wahrscheinlich beendet ein Drittel der Patienten eine antidepressive Medikation innerhalb eines Monats und die H�lfte der Patienten bis zum Ende des dritten Monats (e2), oft ohne Wissen des behandelnden Arztes. Eine d�nische Studie zeigte, dass die h�ufigsten Anrufe bei einer nationalen medizinischen Beratungshotline aus Nachfragen zu Absetzph�nomenen aufgrund von Antidepressiva bestanden (e3). Eine entsprechende Aufkl�rung �ber Risiken eines pl�tzlichen Absetzens ist bereits zu Beginn der Behandlung essenziell, das empfiehlt auch die S3-Leitlinie Unipolare Depression (3).

Treten nach Beendigung (oder Dosisreduktion) einer Behandlung mit Antidepressiva unerw�nschte Symptome auf, muss zwischen einem Entzugssyndrom, Rebound-Ph�nomenen und einer R�ckkehr der Grunderkrankung unterschieden werden (Tabelle 1).

Tabelle 1

Differenzialdiagnostik nach Absetzen oder Dosisreduktion von Antidepressiva

Eine genaue Differenzialdiagnostik ist wichtig, weil sich entscheidende klinische Konsequenzen ergeben. So kann im Falle von transienten Absetzph�nomenen zumeist abgewartet oder symptomatisch behandelt werden. Bei einem Wiederkehren der Grunderkrankung hingegen ist m�glicherweise ein Wiedereinsetzen der Medikation notwendig. Sind Pharmazeutika sogar mit dem Risiko eines Rebounds nach Absetzen verbunden, muss dies bereits bei Indikationsstellung und Aufkl�rung der Patienten ber�cksichtigt werden.

Methodik

Es erfolgte eine umfassende und strukturierte Datenbankenrecherche (JH) in CENTRAL, PubMed (Medline) (bis Januar 2017) und Embase (bis April 2017) (eKasten). Zus�tzlich wurden Handsuchen durchgef�hrt und die Referenzen relevanter Artikel �berpr�ft. Eingeschlossen wurden alle kontrollierten Studien, Kohortenstudien, Beobachtungsstudien, Fallserien und Fallberichte zu Absetz- und Rebound-Ph�nomenen bei Antidepressiva mit Probanden ab 18 Jahren. Es erfolgte eine Einteilung der eingeschlossenen Studien nach methodischer Qualit�t (JH) (eTabelle 1).

eKasten

Expliziter Datenbanken-Sucheintrag

eTabelle 1

Methodische Qualit�t in Bezug auf die Fragestellung (H�ufigkeit, Auspr�gung und Charakteristik von Absetzph�nomenen bei Antidepressiva)

Ergebnisse

Nach Ausschluss von Dubletten erbrachte die Literaturrecherche 2 287 Treffer, von denen 349 die Einschlusskriterien erf�llten. Unter diesen fanden sich 40 kontrollierte Studien, 38 Kohortenstudien und retrospektive Analysen und 271 Fallberichte. Das PRISMA-Flow-Chart ist in der eGrafik dargestellt.

eGrafik

PRISMA-Flow-Chart

Akutes Absetzsyndrom/Entzugssyndrom

Bei Antidepressiva wird mittlerweile ein eigenst�ndiges Syndrom, im angloamerikanischen Sprachraum als �antidepressant discontinuation syndrome� (ADS) abgegrenzt. Es existiert eine standardisierte Checkliste �discontinuation-emergent signs and symptoms�, (DESS), die die in der Literatur beschriebenen Symptome erfasst und in vielen Studien als Standard verwendet wird (4, e4). Einige Symptome k�nnen der Grunderkrankung (Depression) �hneln (zum Beispiel �ngstlichkeit, Suizidgedanken), andere sind hiervon klar zu unterscheiden (zum Beispiel stromschlagartige Missempfindungen, Diarrh�). Tabelle 2 gibt einen �berblick �ber das klinische Bild des ADS.

Tabelle 2

Klinische Pr�sentationen von Antidepressiva-Entzugssymptomen*1

F�r ein schnelles Erkennen hilft die im Englischen verwendete Eselsbr�cke �FINISH� (e5):

  • flu-like symptoms (grippe-�hnliche Symptome)
  • insomnia (Schlafst�rungen, intensive [Alp-]Tr�ume)
  • nausea (�belkeit, Erbrechen)
  • imbalance (Gleichgewichtsst�rungen, Schwindel)
  • sensory disturbances (Stromschl�ge, Dys�sthesien)
  • hyperarousal (�ngstlichkeit, Agitation, Reizbarkeit, . . .)

Kasten 1 fasst die Charakteristika des ADS zusammen. Je nach Pr�parat zeigen sich unterschiedliche Spezifika.

Kasten 1

Charakteristika des ADS

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Zu den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) liegt eine ausreichende Anzahl methodisch hochwertiger Studien vor (Evidenzgrad I und II, gem�� eTabelle 1). Mit seiner besonders langen Halbwertszeit ist Fluoxetin besonders unproblematisch, selbst bei abruptem Absetzen (7, 8). F�r Sertralin und insbesondere Citalopram und Escitalopram gilt ein niedriges Risiko. Ein Ausschleichen der Medikation zeigte in Studien keine signifikanten Unterschiede zu einer fortgesetzten Einnahme der Medikation (9), bei abruptem Absetzen gilt ein geringes Risiko (circa 20 % gegen�ber 10 % in Fortsetzungs-Armen) (10, 11).

Paroxetin ist im Vergleich zu anderen SSRI mit einem hohen Risiko f�r ein ADS verbunden, bei abruptem Absetzen treten bei mehr als 30 % der Patienten Symptome eines ADS auf (7, 12, 13). Mit Ausnahme von Paroxetin, dessen ADS in H�ufigkeit und Auspr�gung eher dem bei trizyklischen Antidepressiva �hnelt (14), ist das ADS bei SSRI in der Regel mild und selbstlimitierend.

Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Es gibt eine robuste Evidenzlage (Grad I und II) f�r selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Venlafaxin (und Desvenlafaxin) besitzen ein h�heres Risiko f�r ein ADS (15), sowohl im Vergleich zum SNRI Duloxetin (e6) als auch zu SSRI (Escitalopram, Sertralin) (13, e7, e8). Auch schwere Verlaufsformen eines ADS scheinen unter Venlafaxin h�ufiger vorzukommen (e8). Dies scheint zudem bei besonders fr�h einsetzenden Absetzsymptomen (in Einzelfallberichten bereits bei nur verz�gerter Einnahme einer Dosis) der Fall zu sein, was im Zusammenhang mit der sehr kurzen Halbwertszeit gesehen werden kann (Kasten 1). Duloxetin besitzt im Vergleich dazu ein geringeres Risiko f�r ein ADS (e6), das jedoch im Hochdosisbereich (120 mg/d) ansteigt (e9). Der dritte SNRI Milnacipran zeigte in einer methodisch hochwertigen Studie (Grad I, bei psychosomatischer Indikation �Fibromyalgie�) selbst bei abruptem Absetzen keine Symptome eines ADS (16). Auch in einer offenen Studie konnte nur vereinzeltes Auftreten von �ngstlichkeit nachgewiesen werden (e10).

Trizyklische Antidepressiva

Die Studienlage zu trizyklischen Antidepressiva (TZA) ist begrenzt, nur wenig methodisch hochwertigere Studien liegen vor (Grad I und II), mit teilweise sehr kleiner Fallzahl. Diese deuten jedoch auf ein hohes Risiko f�r ein ADS hin. Selbst unter Ausschleichen von Amitriptylin zeigten sich Symptome bei 80 % der Patienten (N = 15), jedoch vorrangig mild und selbstlimitierend (17). Imipramin zeigte sich vergleichbar mit dem SSRI Paroxetin (14). Aus methodisch schwachen Studien und Fallserien (Grad III und IV) gibt es Hinweise darauf, dass nach Absetzen von TZA ein Risiko auch f�r schwerere Verl�ufe besteht (18). Klinisch ist eine cholinerg-verwandte Symptomatik charakteristisch (2).

MAO-Inhibitoren

Zu MAO-Inhibitoren (MAO-I) existieren nur Fallberichte und zwei Studien niedriger methodischer Stringenz (19, e11, e12). Unter Ber�cksichtigung der Limitationen der Methodik scheint f�r MAO-I ein besonders hohes Risiko f�r ADS vorzuliegen; schwergradige Verl�ufe scheinen h�ufiger. Delirien wurden in der H�lfte der Fallberichte von ADS nach Absetzen von Tranylcypromin beschrieben (19).

Agomelatin

Mehrere methodisch hochwertige Studien (Grad I) zeigen, dass auch bei abruptem Absetzen von Agomelatin kein ADS auftritt (20�22).

Mirtazapin und Bupropion

Bei fehlenden Studien legen einzelne Fallberichte nahe, dass auch bei Absetzen von Mirtazapin und Bupropion ein ADS auftreten kann (e13�e15) (Tabelle 3).

Tabelle 3

Risiko f�r ein ADS der einzelnen Pr�parate

Schwere F�lle von ADS

Unkontrollierte Studien und (Online-)Befragungen legen h�here Raten von Entzugssyndromen generell und auch von schwereren Verl�ufen nahe (23). Dabei m�ssen jedoch die Limitationen der Methodik und die Gefahren falscher kausaler Attribution von Assoziationen ber�cksichtigt werden. So zeigen sich in verblindeten randomisierten kontrollierten Studien ebenso hohe Raten von Entzugssymptomen in den Kontrollarmen (> 30 %), also bei fortgesetzter Einnahme des Antidepressivums (9, 15). Kontrollierte und qualitativ hochwertige Studien legen einen vorrangig selbstlimitierenden Verlauf milder Symptomatik nahe. Selten zeigten sich Symptome, die als schwerer eingestuft wurden. Dies waren vorwiegend Schlafst�rungen und Nervosit�t/�ngstlichkeit (Desvenlafaxin [24]). Aus methodisch schw�cheren Studien und Fallberichten sind schwerere Verl�ufe mit extrapyramidal-motorischen Symptomen (wie Parkinsonismus und Akathisie) oder paradoxer Aktivierung/Manie bekannt. Diese wurden nach Absetzen von trizyklischen Antidepressiva (e11, e16), MAO-Inhibitoren (19, e17), SSRI (e18�e20),Venlafaxin (e21, e22) und Mirtazapin (e13), bei uni- und bipolar erkrankten Patienten, beschrieben, ebenso klinisch besonders relevante Symptome wie Suizidgedanken (25). Als ein Spezifikum sei hingewiesen auf das von Patienten als besonders beeintr�chtigend erlebte Gef�hl elektrischer Stromschl�ge (insbesondere SSRI und Venlafaxin) (26, e23).

Rebound-Ph�nomene

Unter Rebound-Ph�nomenen versteht man eine erh�hte Anf�lligkeit des Organismus nach Absetzen der Medikation � vergleichbar dem Bild eines Balles der, unter Wasser gedr�ckt und pl�tzlich losgelassen, nicht nur zur�ck an die Oberfl�che kehrt, sondern sogar aus dem Wasser herausspringt: die Symptome der Grunderkrankung kehren in st�rkerem Ausma� als vor Beginn der Medikation zur�ck, oder es besteht ein erh�htes Risiko f�r einen R�ckfall im Vergleich zu Patienten, die keine Medikation erhielten.

Einzelfallberichte und Fallserien berichten anhaltende depressive Syndrome nach Absetzen von Antidepressiva � schwerer als vor Beginn der Medikation oder mit zus�tzlichen psychopathologischen Symptomen, die teilweise nur schwer zu behandeln waren (6). Manche Autoren konzeptualisieren diese als anhaltende Post-Absetz-Syndrome ab einer Symptompersistenz �ber sechs Wochen (6, e24). Beschrieben werden zus�tzliche Angst- und Panikst�rungen, Schlafst�rungen oder Zyklothymien/bipolare St�rungen nach Absetzen von Paroxetin, Escitalopram, Citalopram und Fluvoxamin, wobei Paroxetin ein besonders hohes Risiko innezuwohnen scheint (6, 27, e25�e27). Die vorhandene Evidenz erlaubt keine Aussage zur H�ufigkeit von Rebound-Ph�nomenen. Hierzu liegt einzig eine offene und unkontrollierte Studie vor, die anhaltende Stimmungsschwankungen nach Absetzen von Paroxetin bei 3 von 20 Patienten beschreibt (27).

Ob sich ein erh�htes R�ckfallrisiko nach Absetzen belegen l�sst, kann mit unserer Literaturrecherche nicht systematisch beantwortet werden. Eine Metaanalyse von 2011 (28) zeigte allerdings, dass depressive Patienten, die unter Antidepressiva remittierten, nach Absetzen h�ufiger R�ckf�lle erlitten (42,0�55,6 %) als Patienten, die unter Placebo remittiert waren (24,7 %). Das Risiko war dabei h�her f�r Antidepressiva mit starker Ver�nderung der monoaminergen Neurotransmission, also insbesondere MAO-I und TZA. In den ersten sechs Monaten nach Absetzen ist das Risiko eines R�ckfalls besonders hoch (e28). Es gibt dabei Hinweise darauf, dass das R�ckfallrisiko h�her ist, je l�nger es zuvor eingenommen wurde (e29). Diese Hinweise aus sekund�ren Analysen sind jedoch aufgrund des Studiendesigns (unter anderem getrennte Beobachtung von Studienarmen) nur eingeschr�nkt belastbar. Die Thematik bedarf dringend weiterer Forschung aufgrund ihrer hohen klinischen Relevanz.

Grundlagen

Welche Mindestbehandlungsdauer zur Entstehung von Absetzph�nomenen erforderlich ist, ist unzureichend belegt, mindestens vier Wochen scheinen notwendig zu sein (e30). F�r SSRI und SNRI gibt es robuste Evidenz, dass ein Risiko f�r ein ADS ab acht Wochen besteht und sich dann mit zunehmender L�nge des Behandlungszeitraums nicht weiter relevant �ndert (7, e4, e9, e31�e33). Ein ADS scheint unabh�ngig von der Grunderkrankung aufzutreten (e31, e34).

Pharmakodynamik

Experimentelle Daten liegen bislang nur unzureichend vor. Die anticholinerge Wirkung vieler TZA kann zu einer neuroadaptiven Gegenregulation f�hren, wodurch die acetylcholinerge Neurotransmission erh�ht ist und nach Absetzen der TZA zu �berschie�enden cholinergen Symptomen f�hrt (2). Klinisch entspricht ein Hauptteil der Symptome des ADS dem Bild eines Hyperserotonismus (e35), insbesondere bei SSRI (6) (Tabelle 2), der zumindest teilweise durch besondere Wirkungen der Antidepressiva auf Serotonintransporter erkl�rt werden kann. Denn verschiedene Antidepressiva blockieren nicht nur die Serotonin- und Noradrenalin-Transporter, sondern f�hren bei chronischer Einnahme zu einer Reduktion (und nicht etwa zu gegenregulatorischer Erh�hung) dieser Transporter (e36�e38), was m�glicherweise die nach Absetzen persistierende serotonerge �berfunktion bedingt (die Transporter verringern die Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt). Eine Normalisierung der Transporterdichte fand in Tierstudien nur verz�gert statt (e39). Zudem zeigte sich ein hyperreagibles serotonerges System in Tierstudien nach Absetzen von SSRI (e40). Grunds�tzlich scheint zu gelten: Je st�rker und direkter ein Antidepressivum in das Gleichgewicht des Neurotransmittersystems eingreift, desto st�rker die Auspr�gung von Entzugs- und Rebound-Symptomen.

Pharmakokinetik

Innerhalb der Wirkstoffklassen zeigt sich eine Korrelation zwischen Plasma-Eliminationszeit der Pr�parate und Ausma� und Eintrittszeitpunkt eines ADS (7, 8). So haben Antidepressiva mit kurzer Halbwertszeit ein h�heres Risiko f�r die Entwicklung und f�r eine st�rkere Auspr�gung von Absetzsymptomen (eTabelle 2). Entsprechend d�rfte auch f�r Rapidmetabolizer ein erh�htes Risiko f�r ein ADS gelten (29). In etwa drei bis f�nf Halbwertszeiten nach Absetzen des Antidepressivums scheinen sich Absetzsymptome einzustellen (e41). Ein Anstieg des Risikos f�r ein ADS mit h�herer Dosierung scheint nur f�r Hochdosisbereiche zu gelten (Duloxetin 120 mg/d; Escitalopram 20 mg/d) (e9, e31, 10).

eTabelle 2

Halbwertszeiten (HWZ) ausgew�hlter Antidepressiva (e60)

Diskussion

Differenzialdiagnostische Abgrenzung

Entscheidend ist die Abgrenzung eines ADS zum (Wieder-)Auftreten der psychiatrischen Grunderkrankung. Es gibt gro�e �berschneidungen in der Symptomatik zwischen dem ADS und einer depressiven Episode oder Angsterkrankung, aber auch einer (hypo-)manischen Episode (Tabelle 2). Eine Fehlinterpretation der Symptomatik kann unn�tige und potenziell sch�dliche Medikation zur Folge haben (beispielsweise bei Verkennung als manische Episode mit konsekutiver Fehldiagnose einer bipolar affektiven Erkrankung). Ebenso kann bei Umsetzen ein ADS des abgesetzten Antidepressivums f�lschlicherweise als unerw�nschte Arzneimittelwirkung des neuen Pr�parats verkannt werden. Hilfskriterium bei der Unterscheidung kann der zeitliche Verlauf sein, der beim ADS in der Regel durch fr�hes Einsetzen, Fluktuationen und eher Kurzlebigkeit gekennzeichnet ist (29). Am wahrscheinlichsten ist ein Auftreten in der ersten Woche nach Absetzen mit R�ckbildung in der zweiten Woche (11). Zur Differenzierung herangezogen werden kann, dass ein ADS in der Regel st�rker und spezifischer von einer somatischen Symptomatik bestimmt wird, mit depressionsuntypischen Symptomen wie Schwindel, �belkeit, Sensibilit�tsst�rungen und Grippe-Symptomen (7). Ebenso deuten spezifische Schlafst�rungen, wie exzessives Tr�umen und Alptr�ume, eher auf ein ADS hin (29, e35).

Behandlung und Pr�vention

Der wichtigste therapeutische Ansatz beim ADS d�rfte in der Pr�vention liegen. Da die Symptomatik in der �berwiegenden Zahl der F�lle mild und selbstlimitierend ist, kann oft eine umfassende Aufkl�rung des Patienten ausreichen; gegebenenfalls kann symptomatisch behandelt werden mit Hypnotika oder antimuskarinergen Substanzen bei TZA mit cholinergem Rebound (30). Bei schweren Verl�ufen kann das Antidepressivum wieder angesetzt werden, was in der Regel innerhalb von 24 Stunden zu einer vollst�ndigen Symptomremission f�hrt (e42, e43). Dies gilt auch f�r extrapyramidale Symptome und paradoxe Aktivierungen/Manien. Anschlie�end kann ein langsames Ausschleichen erfolgen. Wenngleich sich das Risiko eines ADS durch Ausschleichen des Antidepressivums nicht vollst�ndig ausschlie�en l�sst, scheint sich das Ausma� zu verringern (15). Zeitr�ume von zwei Wochen sind zu kurz (15, 25), in der S3-Leitlinie wird eine Reduktion �ber mindestens vier Wochen empfohlen (3). Ergebnisse aus der Narkolepsie-Forschung legen sogar Mindestzeitr�ume von drei Monaten nahe (e44). Behandelnde �rzte sollten hier pr�paratabh�ngig entscheiden und insbesondere bei h�heren Ausgangsdosierungen und risikoreichen Pr�paraten (Tabelle 3) �ber l�ngere Zeitr�ume ausschleichen. In Fallberichten hat sich Fluoxetin als �Rescue�-Substanz bei anderen SSRI (e45, e46) und Venlafaxin (e47) bew�hrt. Es kann bei Auftreten eines ADS anstelle des abgesetzten Antidepressivums angesetzt und dann vermutlich nach einigen Wochen abrupt abgesetzt werden.

Rebound-Risiko

Schwerwiegend sind die Hinweise auf Rebound-Ph�nomene nach Absetzen, die allerdings klinisch oft nur schwer zu unterscheiden sind von einem Wiederauftreten der Grunderkrankung, da auch diese sich im nat�rlichen Verlauf in Symptomatik und Schweregrad �ndern kann. So sind depressive Syndrome h�ufig mit Angstst�rungen kombiniert und manische Episoden bipolarer Erkrankungen treten oft versp�tet auf nach urspr�nglich unipolar erscheinenden Depressionen (31�33).

Die Sorge, dass die einmal begonnene Einnahme eines Antidepressivums aufgrund der Gefahr eines prompten, schweren und in Einzelf�llen wom�glich behandlungsresistenten (34�36) Rezidivs nicht mehr beendet werden kann, sollte gerade bei leichten bis mittelschweren Depressionen zur Vorsicht bez�glich des Beginns der Einnahme eines Antidepressivums mahnen, zumal hier Antidepressiva der Einnahme von Placebo kaum �berlegen sind (37�39).

Den Bezug zum Abh�ngigkeitsbegriff diskutieren wir in Kasten 2.

Kasten 2

Machen Antidepressiva abh�ngig?

Zusammenfassung

Mittlerweile liegt eine robuste Anzahl an teilweise qualitativ hochwertigen Studien zum ADS vor. Die Verl�ufe sind in der Regel mild und selbstlimitierend. Ein h�heres Risiko gilt f�r MAO-I, trizyklische Antidepressiva, Paroxetin und Venlafaxin. Au�er bei Fluoxetin und Agomelatin ist bei allen Antidepressiva ein langsames Ausschleichen zur Vermeidung eines ADS sinnvoll. Rebound-Ph�nomene sind noch unzureichend beforscht. Patienten sollten bereits zu Beginn einer Behandlung mit Antidepressiva �ber die Risiken von Absetz- und m�glichen Rebound-Ph�nomenen aufgekl�rt werden.

Interessenkonflikt
Die Autoren erkl�ren, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 31. 10. 2018, revidierte Fassung angenommen: 14. 3. 2019

Anschrift f�r die Verfasser
Dr. med. Jonathan Henssler

Psychiatrische Universit�tsklinik der Charit� im St. Hedwig-Krankenhaus

Gro�e Hamburger Stra�e 5�11, 10115 Berlin

Zitierweise
Henssler J, Heinz A, Brandt L, Bschor T: Antidepressant withdrawal and rebound phenomena�a systematic review. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 355�61. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0355

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de

Zusatzmaterial
Mit �e� gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit2019 oder �ber QR-Code

eKasten, eGrafik, eTabellen:
www.aerzteblatt.de/19m0355 oder �ber QR-Code

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Psychiatrische Universit�tsklinik der Charit� im St. Hedwig-Krankenhaus,
Campus Charit� Mitte, Charit� Universit�tsmedizin Berlin: Dr. med. Jonathan Henssler,
Lasse Brandt
Abteilung f�r Psychiatrie, Schlosspark-Klinik, Berlin: Prof. Dr. med. Tom Bschor
Klinik f�r Psychiatrie und Psychotherapie, Universit�tsklinikum Carl Gustav Carus,
Technische Universit�t Dresden: Prof. Dr. med. Tom Bschor
Klinik f�r Psychiatrie und Psychotherapie, Campus Charit� Mitte,
Charit� Universit�tsmedizin Berlin: Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz

Kasten 1

Charakteristika des ADS

Kasten 2

Machen Antidepressiva abh�ngig?

Kernaussagen

Tabelle 1

Differenzialdiagnostik nach Absetzen oder Dosisreduktion von Antidepressiva

Tabelle 2

Klinische Pr�sentationen von Antidepressiva-Entzugssymptomen*1

Tabelle 3

Risiko f�r ein ADS der einzelnen Pr�parate

eGrafik

PRISMA-Flow-Chart

eKasten

Expliziter Datenbanken-Sucheintrag

eTabelle 1

Methodische Qualit�t in Bezug auf die Fragestellung (H�ufigkeit, Auspr�gung und Charakteristik von Absetzph�nomenen bei Antidepressiva)

eTabelle 2

Halbwertszeiten (HWZ) ausgew�hlter Antidepressiva (e60)

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Absetz- und Rebound-Ph�nomene bei Antidepressiva

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    Wie lange dauern Absetzerscheinungen bei Citalopram?

    Kontinuierliche Verringerung der Dosis Bei nur geringer Dosis und Dauer kann ein einziger Zwischenschritt ausreichen, das Absetzen dauert dann nur drei bis fünf Wochen. Bei hoher Dosis und langer Einnahmezeit dauert der Absetzvorgang mehrere Monate.

    Sind Absetzsymptome gefährlich?

    Die Stärke von Absetzerscheinungen reicht von objektiv nicht feststellbar bis lebensgefährlich. Sie treten in Form von nachgelagerten, verstärkten Nebenwirkungen der eingenommenen Substanzen oder als ganz neue Symptome auf.

    Was kann passieren wenn man Antidepressiva einfach absetzt?

    Wenn Sie das Antidepressivum einfach absetzen oder die Dosis auf einmal stark senken, kann das Beschwerden auslösen. Diese können bei vielen Antidepressiva vorkommen. Beispiele für sogenannte Absetz-Beschwerden sind: Kopfschmerzen oder Grippe-ähnliche Beschwerden.

    Wie setzt man Citalopram 20 mg ab?

    Am Beispiel von 20 Milligramm Citalopram als Ausgangsdosis machen die Autoren dies deutlich: So bewirkt eine schrittweise lineare Reduktion der Citalopram-Dosis von 20 Milligramm um jeweils 5 mg beim ersten Schritt von 20 auf 15 mg eine Abnahme der Hemmung um 3 Prozent, beim nächsten Schritt von 15 auf 10 mg eine ...