Wie erkläre ich meinem Kind den Tod des Vaters?

Manche weinen nicht, sondern werden wütend oder still: Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene. Die Geschichte von Timmy, der als Elfjähriger seinen Vater verlor.

Sarina Pfauth

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Niemand kapiert das, der das nicht selbst erlebt hat, sagt Timmy. Die Leute finden es zwar schrecklich, wenn ein Kind Vater oder Mutter verliert - "was da alles dranhängt, verstehen sie aber nicht".

Wie erkläre ich meinem Kind den Tod des Vaters?
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Trauer bei Kindern und Jugendlichen drückt sich sehr unterschiedlich aus. In Albträumen, in Wut, Aggression, in einbrechenden Schulleistungen.

(Foto: Foto: AP)

Als Timmy elf Jahre alt war und sein Bruder sieben, setzte sich sein Vater abends auf die Bettkante im Elternschlafzimmer, stellte sein Glas auf den Nachttisch und kippte tot nach hinten um. Sein Herz war stehengeblieben, einfach so.

Der Notarzt, die Kriminalpolizei, das Kriseninterventionsteam kamen. Später die Verwandten, die Freunde, der Trubel war groß.

Was er gefühlt hat damals, kann Timmy kaum benennen: "Am Anfang checkst du das gar nicht", erzählt der Gymnasiast aus Schwabing, heute 18 Jahre alt, von den ersten Tagen und Wochen nach dem Tod seines Vaters. "Die Erfahrung kennt man in dem Alter ja nicht, dass jemand einfach weg ist."

Eine Woche nachdem sein Vater gestorben war, erinnert sich Timmy, die Omas waren gerade da, da habe er geheult und geschrien: Gebt mir meinen Papa zurück! "Das war das einzige Mal, dass ich wegen meinem Vater geweint habe."

Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene. Dass sie nicht oder nur selten weinen, wenn sie eine nahestehende Person verlieren, ist nicht ungewöhnlich - wird von Erwachsenen aber häufig falsch interpretiert.

"Viele sagen mir über ein Kind: Der schafft das ganz gut!", erzählt Martina Münch-Nicolaidis, Gründerin der Nicolaidis-Stiftung, die sich um Trauernde kümmert. Dabei drücke sich Trauer bei Kindern und Jugendlichen sehr unterschiedlich aus. Timmy erzählt, dass die anderen Kinder im Töpferkurs Herzchen formten - er töpferte die Zwillingstürme mitsamt Flugzeug. "Ich habe viel gemalt und getöpfert - und oft kamen grausame Sachen dabei raus."

Bei anderen äußert sich die Trauer in Alpträumen, in Wut, Aggression, in einbrechenden Schulleistungen - häufig nicht sofort nach dem Tod, sondern erst nach vielen Jahren. "Die Erfahrung, die die Kinder und Jugendlichen machen ist, dass die Unterstützung nach kurzer Zeit wegbricht", sagt Nicolaidis, "das poppt aber immer wieder auf". Denn der Verlust eines Elternteils gehört fortan zur Biographie - und der Papa oder die Mama fehlen immer wieder.

Beim Abholen am Kindergartentor, beim Elterntag in der Schule, beim Abiball, bei der Hochzeit. "Für mich war es zum Beispiel ganz schlimm, dass ich mein neugeborenes Baby meiner Mutter nicht zeigen konnte", erzählt Martina Nicolaidis. Sie hat ihre Eltern selbst früh verloren - und ihr Mann verunglückte tödlich, als die gemeinsame Tochter sechs Wochen alt war.

Auch viele Unterstützer der Stiftung sind im Kinder- oder Jugendalter selbst Waisen oder Halbwaisen geworden - und haben am meisten darunter gelitten, dass sie mit niemandem über ihren Schmerz und ihre Probleme reden konnten. "Da fehlt nicht immer ein Therapeut", sagt Nicolaidis - sondern ein Freund, jemand, der einen versteht. "Nach dem Tod meines Vaters", erzählt die Gründerin der Stiftung, "hatte ich das Gefühl: da ist keiner mehr, der mich beschützt. Ich empfand mich deshalb als komisch. Hätte mir mal jemand gesagt, dass das normal ist!" Es hätte ihr die Zeit der Trauer einfacher gemacht.

Kinder trauern anders als Erwachsene. Nach dem Tod eines geliebten Menschen fangen sie zwar schnell wieder an zu spielen, scheinen unbeschwert. Eltern sollten ihnen trotzdem viel Aufmehrksamkeit schenken und geduldig sein.

Stand: 08.07.2021 | Archiv

Wie erkläre ich meinem Kind den Tod des Vaters?

Erst mit neun oder zehn Jahren können Kinder überhaupt realisieren, dass der Tod das unwiederbringliche Ende des Lebens bedeutet und auch das eigene Leben enden wird. Kleinere Kinder mögen eigene Vorstellungen vom Tod haben, doch die sehen anders aus, als die Auffassung eines Erwachsenen.

"Zwar begreifen die Kinder, dass ein Mensch weggegangen ist, aber ein fünf oder sechsjähriges Kind ist ganz häufig davon überzeugt, dass der Tote, der Verstorbene, auch zurückkommen könnte."

David Althaus, Psychotherapeut

Die Grenzen zwischen Spiel und Trauer sind fließend

Kinder sind enorm anpassungsfähig. Erlebt ein Kind einen schweren Verlust, beispielsweise wenn ein Geschwister stirbt oder ein Elternteil, dann wird es trotzdem auch ganz schnell wieder anfangen zu spielen, erklärt David Althaus. "Es wird auf der anderen Seite im Spiel diese Thematik auch aufgreifen", so der Therapeut. Im Spiel kann ein Kind Gefühle ausdrücken, für das es womöglich noch keine Worte hat.

Manche Erwachsene wundern sich, wenn ihr Kind zuerst scheinbar keine Reaktion zeigt auf eine Todesnachricht, dann aber unvermittelt heftig reagiert. Wenn Kinder trauern, tun sie es in plötzlich auftretenden Schüben:

"Bei Kindern und Jugendlichen verlaufen Trauerprozesse nicht so kontinuierlich wie bei Erwachsenen. Sie trauern gleichsam auf Raten. Ganz plötzlich bricht die Trauer aus ihnen heraus, wirft sie weinend zu Boden, und genauso plötzlich können sie wieder aufspringen und sich lachend entfernen. Dieses Verhalten schützt Kinder und Jugendliche vor Überbeanspruchung."

Gertrud Ennulat, Pädagogin und Autorin

Sollen Kinder mit zur Beerdigung gehen?

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Ein tröstendes Abschiedsritual: Manche Familien bemalen den Sarg des Verstorbenen und schmücken ihn mit Blumen und Bändern.

Manche Eltern wollen ihren Kindern die Konfrontation mit dem Tod ganz ersparen und sie davor schützen. Sie nehmen ihre Kinder grundsätzlich nicht zu Beerdigungen mit. Doch das ist der falsche Ansatz. Man sollte zumindest älteren Kindern, also Kindern, die das Grundschulalter erreicht haben, nicht die Möglichkeit nehmen, sich von geliebten Menschen persönlich zu verabschieden. Trauerbegleiterin Chris Paul wie auch viele Pfarrer und Seelsorger befürworten es, Kinder und Jugendliche an Beerdigungen teilnehmen zu lassen. Vorher sollte man Kindern vorbereitend berichten, wie Trauerfeier und Beerdigung ablaufen, wer zur Beerdigung kommen wird und dass man danach meist noch in ein Gasthaus geht, um gemeinsam Kaffee zu trinken.

Paul meint, man könne Kinder am Sarg Abschied nehmen lassen oder Erinnerungsstücke in den Sarg legen lassen. Voraussetzung dafür: Das Kind entscheidet selbst zu jedem Zeitpunkt, was es tun und was es lassen möchte. "Es sollte nie gezwungen werden, an einem offenen Sarg Abschied zu nehmen", so Psychotherapeut David Althaus. Außerdem müssen Erwachsene das Kind intensiv begleiten.

Ein eigenes Abschiedsritual für kleinere Kinder

Langes Stillsitzen, schwer verständliche Reden bei Trauerfeiern stresst kleinere Kinder und damit auch die Eltern: Da sollten Eltern besser ein separates Abschiedsritual mit dem Kind feiern, zum Beispiel nach der eigentlichen Beerdigung. Mit einem selbst gemalten Bild oder einer Blume geht man mit dem Kind zum Grab und lässt es dort in Ruhe Abschied nehmen.

Antworten Sie ehrlich, wenn Kinder nach dem Tod fragen

Kinder wollen verstehen, was passiert ist und verlangen nach Erklärungen. Beantworten Sie kindliche Fragen der Kinder in einfacher Sprache, belastende Details können Sie weglassen. Lügen Sie aber auf keinen Fall.

Wie erkläre ich meinem Kind den Tod des Vaters?

Eltern sollten sich nicht von der eigenen Trauer distanzieren, sondern zeigen: Es ist in Ordnung Gefühle zu zeigen, traurig zu sein, zu weinen.

"Die Oma ist friedlich eingeschlafen." Wenn Ihr Kind noch kleiner ist, können Sie ihm mit einem solchen Satz große Angst einjagen - vor dem eigenen Einschlafen. Und außerdem ist dieser Satz schlicht gelogen: Oma ist nämlich nicht eingeschlafen, denn sie wacht nie wieder auf und sie kommt auch nicht wieder zurück. Auch folgende Formulierungen sollte man vermeiden, wenn man Kindern eine Todesnachricht überbringt: "... ist von uns gegangen", "...hat Gott zu sich geholt", "... ist heimgegangen".

Eltern sollten ihre Trauer nicht verstecken

Was Kinder vor allem brauchen, wenn sie das erste Mal mit dem Tod nahestehender Menschen konfrontiert werden, sind neben Aufrichtigkeit auch das Vorbild. Eltern und Großeltern sollten Kindern und Enkeln ohne schlechtes Gewissen zeigen, dass sie selbst traurig sind. Dass sie weinen müssen. Nur so erleben und lernen Kinder, dass es in Ordnung ist zu trauern, Gefühle zu zeigen und Tränen zu vergießen.

Eltern sollten ihre Trauer also nicht verstecken. Bei einem schweren Verlust, wie beispielsweise dem eines Partners oder eines Kindes, ist es jedoch enorm wichtig, dass die Erwachsenen nicht in der eigenen Trauer versinken, dass sie auch wieder zurückfinden in die Elternfunktion. Denn Kinder haben grundsätzlich das Bedürfnis nach starken, verlässlichen Eltern.

Auch Eltern können sich Hilfe holen

zum Thema Psychotherapien Was der Seele helfen kann

Erleben die Kinder ihre Eltern über einen längeren Zeitraum als hilflos und verzweifelt, besteht die Gefahr, dass sich die Rollen umkehren: Die Kinder fühlen sich für ihre Eltern verantwortlich und versuchen sie zu trösten. "Das ist in der Regel nicht gut, und wenn, darf es nur ganz kurz so sein", so David Althaus.

Wenn die Eltern also merken, dass sie aufgrund ihrer eigenen Trauer den Alltag nicht mehr bewältigen können, ist es ratsam sich Hilfe von außen in Form einer Selbsthilfegruppe oder einer Therapie zu suchen - einen geschützten Raum, in dem die Erwachsenen ihre Gefühle voll und ganz zeigen dürfen, ohne die Befürchtung, jemand anderes damit zu belasten.

Wann braucht mein Kind professionelle Hilfe beim Trauern?

Eltern sollten ihr Kind im Blick behalten: Wenn sich sein Verhalten deutlich verändert, sich das Kind total zurückzieht, sich oft aggressiv verhält oder den Spaß an den Hobbies oder dem Umgang mit Freunden ganz verliert, kann es sein, dass professionelle Hilfe durch einen Psychologen oder einen Trauerbegleiter nötig ist. Quelle: Kinder- und Jugendärzte im Netz

Auch Wut ist ganz normal

Manche Kinder ziehen sich zurück, andere dagegen leben ihre Gefühle wie Wut und Aggression kompromisslos aus. Das kann Erwachsene, die selbst trauern, sehr irritieren und für Probleme in der Familie sorgen.

"Das wütende Kind passt nicht in unser Bild vom trauernden Kind. Tränen und ein verweintes Gesicht, Stillsein und Zurückgezogenheit entsprechen viel eher unseren Erwartungen. Doch die Wut entsteht als Gegenkraft zu der Erfahrung der totalen Ohnmacht."

Gertrud Ennulat, Pädagogin und Autorin

Lassen Sie sich und Ihrem Kind in so einem Fall helfen - zum Beispiel von Psychologen oder einem geschulten Trauerbegleiter.

Kinder trauern lassen

  • Betreuung
  • Spiel
  • Rückfall
  • Aggression
  • Mord
  • Selbstmord
  • Schuld
  • Trennung

Betreuung

Kinder reagieren oft nicht sofort oder nicht erkennbar auf einen Verlust oder eine traumatische Situation. Lassen Sie sie in der Trauerzeit nie alleine. Informieren Sie Lehrer und Erzieher über den Todesfall.

Spiel

Kleinere Kinder verarbeiten Erlebtes oft im Spiel und stellen Situationen nach. Das ist normal. Bieten Sie Ihrem Kind an, jederzeit über seine Gefühle zu sprechen. Auch Kinder brauchen Gespräche zur Verarbeitung ihrer Trauer.

Rückfall

Betroffene jeden Alters fallen bei massiven Ereignissen manchmal einen Schritt in der persönlichen Entwicklung zurück: Sie können zeitweise Fähigkeiten verlieren, die sie schon erworben hatten (Beispiel: Einnässen). Auch ein Überspringen von Entwicklungsschritten ist möglich. Kinder brauchen dann besonders viel Zuwendung.

Aggression

Kinder können nach dem Tod eines geliebten Menschen nicht nur Traurigkeit, sondern auch Hoffnungslosigkeit, Ängste oder Aggressionen entwickeln. Vielleicht braucht ihr Kind auch professionelle Hilfe bei der Trauerarbeit - durch einen Psychologen zum Beispiel.

Mord

Stirbt ein Elternteil einen gewaltsamen Tod, sollte das Kind immer psychologisch betreut werden. Das gilt besonders, wenn es Zeuge der Tat wurde.

Selbstmord

Ist ein Familienmitglied durch Selbstmord gestorben, sollte man das dem Kind nicht verheimlichen. Die Gefahr, dass es diesen Umstand durch Dritte - aus den Medien oder auf dem Pausenhof - erfährt, ist hoch und die Verletzung des Kindes danach noch größer.

Schuld

Manchmal denken Kinder, sie hätten den Tod des Geschwisterkindes oder des Elternteils mitverschuldet, weil es Böses gedacht hat oder böse war. Erklären Sie Ihrem Kind, dass es keine Schuld trägt.

Trennung

Manche Kinder zeigen auch Trennungsängste zum Beispiel in Kindergarten und Schule. Manche leiden unter Schlaf- und Essstörungen. Seien Sie geduldig, gehen Sie auf die Wünsche nach Nähe ein.
Quellen: Peter Zehentner, Krisen-Interventions-Team München, Brigitte Cizek/Christine Geserick, Österreichisches Institut für Familienforschung, Wien, Gertrud Ennulat

Musiktherapie für trauernde Kinder

Die LMU München bietet für Kinder und Jugendliche, die unter komplizierter Trauer leiden, eine Musiktherapie an: "Wenn Trauer nicht verklingen will..."

  • <!-- --> Musiktherapie für trauernde Kinder [www.psy.lmu.de]

Chat und Forum für trauernde Kinder und Jugendliche

Die Nicolaidis-Stiftung hat für Kinder und Jugendliche eine eigene Website ins Leben gerufen. Dort finden sich der Kontakt zu verschiedenen Selbsthilfegruppen sowie ein Forum, Chats und die Möglichkeit, sich individuell beraten zu lassen.

  • <!-- --> Für trauernde Kinder und Jugendliche [youngwings.de]

Lacrima - Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche

Wie spricht man mit Kindern über den Tod? Die Initiative Lacrima begleitet Kinder und Jugendliche in ihrer Trauer.

  • <!-- --> Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen [Lacrima: Trauerbegleitung]

Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e. V.

Der Verein "Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e. V." bietet Selbsthilfegruppen für junge Menschen ab 18 Jahren an und Kinderbetreuung für Eltern, die in der Selbsthilfegruppe sind:

Wie bringt man einem Kind den Tod des Vaters bei?

"Das Abschiednehmen kann für Kinder aber eine sehr hilfreiche Erfahrung sein, um den Tod zu begreifen. Kinder möchten meistens auch eine Form der Verabschiedung finden, die für sie passend ist. Manche bemalen gemeinsam mit der Familie den Sarg oder geben einen Brief oder ein Kuscheltier mit ins Grab. “

Was braucht ein Trauerndes Kind?

Was brauchen trauernde Kinder? Trauernde Kinder brauchen vertraute Menschen, die für sie da sind, die sie mit ihren großen und kleinen Ängsten und Nöten ernst nehmen, die ehrlich und aufrichtig auf ihre Fragen eingehen, sich Zeit nehmen und ihnen Geborgenheit geben.

In welchem Alter verstehen Kinder den Tod?

Zwischen drei und sechs Jahren entwickeln Kinder erste vage Vorstellungen vom Tod. Allerdings ist der Tod für sie immer noch ein vorübergehender Zustand. Er wird assoziiert mit Dunkelheit und Bewegungslosigkeit. Ein wesentlicher Punkt: Der Tod ist immer der Tod anderer.

Wie gehen Kinder mit dem Tod eines Elternteils um?

"Bei Kindern und Jugendlichen verlaufen Trauerprozesse nicht so kontinuierlich wie bei Erwachsenen. Sie trauern gleichsam auf Raten. Ganz plötzlich bricht die Trauer aus ihnen heraus, wirft sie weinend zu Boden, und genauso plötzlich können sie wieder aufspringen und sich lachend entfernen.