Krieg - Stell dir vor, er wäre hier Rezension

Krieg - Stell dir vor, er wäre hier Rezension

Titel: KRIEG. Stell Dir vor, er wäre hier.

Autorin: Janne Teller

Verlag: Hanser

Seitenzahl: 59

Erschienen: 2004 (Erstauflage)

Das hier ist eines der ungewöhnlichsten Bücher, die ich jemals gesehen und gelesen habe!

Da ist zum einen das Äußere: Das Buch sieht auf den ersten Blick aus wie ein etwas zu groß geratener EU-Reisepass. Auch drinnen übrigens, zumindest auf den Innenseiten des Umschlags.

Die zweite Besonderheit: Das Buch ist sehr kurz (nur 59 Seiten, wovon 6 Seiten alleine das Nachwort bilden) und gleichzeitig ist es so eindringlich, es brennt sich quasi ins Gehirn.

Das kommt auch dadurch, dass die Autorin (zu ihr weiter unten mehr), die Du-Form nutzt. Sie spricht also im ganzen Buch die Leserin/ den Leser direkt an und dadurch ist das, was sie erzählt, plötzlich ganz nahe. Ich fühlte mich direkt angesprochen. Das liest sich dann so:

„Wenn durch die Bomben der größte Teil des Landes, der größte Teil der Stadt in Ruinen läge? Wenn das Haus, in dem Du mit deiner Familie lebst, Löcher in den Wänden hätte? Wenn alle Fensterscheiben zerbrochen, das Dach weggerissen wäre? Der Winter steht bevor, die Heizung funktioniert nicht, es regnet herein. Ihr könnt Euch nur im Keller aufhalten. Deine Mutter hat Bronchitis, und bald wird sie wieder eine Lungenentzündung bekommen. (…) Deine kleine Schwester wurde von Granatsplittern am Kopf verletzt, sie liegt in einem Krankenhaus, dem es an allem fehlt.“

Wer denkt da nicht sofort an die Situation in der Ukraine und den schrecklichen Feldzug, den Putin vor mehr als drei Wochen gegen das Land gestartet hat? Nein, in dem Buch geht es nicht um die Ukraine. Aber es geht um Flucht und Angst, Verlust und die Grausamkeit des Krieges, um Heimat – und wie es ist, wenn die Flucht in ein anderes Land gelingt und man dort mit dem Status eines*einer Geflüchteten leben muss.

„Du gewöhnst Dich daran, Kuchen zu verkaufen. Du gewöhnst Dich an die Armut. Und Du gewöhnst Dich an die extreme Hitze. Daran, als Mensch dritter Klasse betrachtet zu werden, gewöhnst Du Dich nie. Zuhause war Dein Vater Professor für Geschichte, deine Mutter im Umweltministerium beschäftigt, Ihr hattet ein schönes Haus und zwei Autos.“

Nach und nach versteht der*die Leser*in, was passiert ist: In Deutschland hat eine rechtsextreme Partei die Regierung übernommen und das Land aus der EU herausgeführt. Das führt erst zu großen Konflikten, dann zu einem Zerbrechen der Union und schließlich zu Krieg mit Frankreich und anderen Ländern. Wer kann, flieht nach Ägypten oder Arabien, doch dort fürchtet man die „christliche Überfremdung“ und will den Zustrom begrenzen. Die Geflüchteten zu integrieren, darauf hat die dortige Bevölkerung keine Lust. Die Geflüchteten werden als Zumutung empfunden, die Unruhe bringen, weil sie so „anders“ sind.

Ergänzt werden die Texte durch Illustrationen, in die manchmal auch fotoähnliche Bilder integriert sind.

Die Autorin stammt ursprünglich aus Dänemark und hat lange als Konfliktberaterin für die EU und die UNO gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt in Berlin und New York und hat für ihre Bücher schon viele Preise gewonnen.

Und sie ist eine Künstlerin: „KRIEG. Stell Dir vor, er wäre hier“ ist ein sehr kurzes Buch. Aber es wirkt lange nach. Und obwohl es bereits 18 Jahre alt ist, ist es immer noch oder schon wieder aktuell. Leider.

⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Meine Altersempfehlung: Ab 12 Jahren

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