Wie hat van Gogh sein Ohr verloren?

In Paris – 1886/87 – kam er mit dem Impressionismus in Kontakt und arbeitete viel im Freien, vor allem in der ländlichen Umgebung von Paris, so auch in den Hügeln des Montmartre. Als ihm die Polizei dort untersagte, auf der Strasse zu malen, hatte er genug von der Stadt. Verbittert dislozierte er 1888 in den Süden Frankreichs, nach Arles.

Was war sein Ziel in Arles?

Er wünschte sich eine Künstlergemeinschaft. Stellte sich vor, dort «unten im Süden» zusammen mit seinen Kollegen wie Signac, Toulouse-Lautrec, Emile Bernard und Paul Gauguin in einem gemeinsamen Atelier zu arbeiten. Dafür hatte er im «gelben Haus» vier Zimmer angemietet. Aber sein Plan ging nicht auf – nur gerade Paul Gauguin folgte seinem Ruf. Und mit diesem verstand er sich schon nach ein paar Monaten nicht mehr.

Wie hat van Gogh sein Ohr verloren?

In Arles entstanden seine berühmten
Sonnenblumenbilder.

Vincent van Gogh, Sunflowers 1888.

National Gallery, London.

>mehr über van Gogh

>Werke von van Gogh (Fotogalerie)

>Van Gogh Museum, Amsterdam

>Fondation Vincent Van Gogh, Arles

Wie hat van Gogh sein Ohr verloren?

Das «gelbe Haus» in Arles, wo van Gogh 1888 mit seinen Künstlerkollegen das «Atelier des Südens» einrichten wollte. Foto van Gogh Museum, Amsterdam.

Streit mit Paul Gauguin

Auch in Arles (ab 1888) wurde van Gogh nicht glücklich. Er litt permanent unter Geldnot – sein Bruder Theo hatte ihn jahrelang über Wasser gehalten und musste es hier weiter tun. Aber vor allem fühlte sich er einsam.

Deshalb plante er hier in Arles sein «Atelier des Südens». War dann aber enttäuscht, dass ihm bloss einer seiner Kollegen folgte: >Paul Gauguin. Um diesen zu beeindrucken, malte er in kurzer Zeit eine ganze Reihe von Sonnenblumenbildern. Schon damals litt er unter Erschöpfungszuständen.

Das Zusammenleben mit Gauguin erwies sich als kompliziert. Die beiden schwierigen Charaktere prallten aufeinander.

Wie war das mit dem abgeschnittenen Ohr?

Nach nur zwei Monaten Zusammenleben in Arles kam es zu jenem berühmten Vorfall, von dem man bis heute nicht weiss, was sich genau abgespielt hat. Nach einem Streit der beiden soll sich van Gogh einen Teil seines Ohrs abgeschnitten haben (wie Paul Gauguin berichtet). Es könnte aber auch sein, dass Gauguin der Täter war, man wird es nie erfahren. Fakt ist, dass man van Gogh am anderen Morgen bewusstlos und vom Blutverlust arg geschwächt fand. Gauguin fuhr zurück nach Paris.

Und war van Gogh wirklich verrückt?

Er glaubte, er habe den Verstand verloren und liess sich in eine psychiatrische Anstalt einweisen. War er nun wirklich verrückt? Zumindest er selbst muss es geglaubt haben.

Nach dem Aufenthalt in der Nervenheilanstalt von Saint-Rémy fuhr er im Mai 1890 nach Auvers-sur-Oise und schoss sich dort am 27. Juli 1890 im Freien eine Kugel in die Brust. Er starb zwei Tage später an den Folgen und wurde auf dem Friedhof von Auvers beerdigt.

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Der Film-Krimi:

Hat sich van Gogh wirklich umgebracht?

Oder war es Mord?

Mit dieser Frage befasst sich eine Filmbiographie aus dem Jahr 2017. Eine schlüssige Antwort bringt zwar auch der Film nicht, aber der 90-minütige Streifen ist ein echter Leckerbissen für Van-Gogh-Fans. Weil er im Malstil des Künstlers produziert wurde. Ein Zeichentrickfilm, aber nicht gezeichnet, sondern gemalt, in Öl, in den charakteristischen, groben Pinselstrichen van Goghs. Als ob er den Film selbst gezeichnet und gemalt hätte... einfach nur genial. Drehbuch/Regie: Dorota Kobiela und Hugh Welchman.

Wie hat van Gogh sein Ohr verloren?

>Trailer des Films «Loving Vincent» (YouTube)

Zur Technik: Zuerst wurden die Szenen mit Schauspielern gedreht. Dann machten sich die Künstler ans Werk. Aus 5000 Bewerbungen hatte man rund 100 ausgewählt. Sie malten das erste Bild jeder Szene in Öl. Anschliessend wurde davon ein Standbild geschossen, bevor man das Filmmaterial um ein Bild vorspulte. Nun mussten die Maler für jedes weitere Bild «nur noch» die Bewegungen einbauen. Es sollen 65'000 einzelne Gemälde geworden sein...

Glücklicherweise ist diese Frage heute endgültig geklärt: Bernadette Murphy, eine in Südfrankreich lebende britische Amateurforscherin, hat vor Kurzem die Zeichnung von der Ohrverletzung wiederentdeckt, die Dr. Felix Rey am 18. August 1930 für den US-amerikanischen Schriftsteller Irving Stone angefertigt hatte und die sich heute in der Bancroft Library of the University of California, Berkeley, befindet. [ill. 7]21

Wie hat van Gogh sein Ohr verloren?

Illustration 7


Sie zeigt durch eine gestrichelte Linie, dass Vincents ganze linke Ohrmuschel hart am Kopf in einem glatten senkrechten Schnitt abgetrennt war, mit einer leicht nach unten auswärts laufenden Richtung, so dass das Ohrläppchen praktisch halbiert war, ein Teil davon sogar hängen blieb. Diese Zeichnung bestätigt unsere früheren Ergebnisse und macht die Selbstverstümmelungstheorie noch unwahrscheinlicher als sie es je war.
Dieser Nachweis ihres langen Irrtums hat die Experten des VGM bisher nicht davon abgebracht, an der alten Legende von van Goghs Selbstverletzung festzuhalten, die sie auch dadurch aufrechtzuerhalten suchen, dass sie weiterhin seinen „Wahnsinn“ hervorheben.22 Dies ist nur allzu verständlich, da ihr Insisitieren, nur ein Teil des Ohrs sei abgetrennt gewesen, eines der Hauptargumente war, das sie zur Verteidigung der Selbstverletzungstheorie vorgebracht hatten.

 

 

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18. Rita Wildegans: "Van Goghs Ohr. Ein Corpusculum als Corpus delicti"; in: Curiosa Poliphili – Festgabe für Horst Bredekamp , Leipzig (Seemann) 2007, p. 192 –198; published also online in English, German and French↩

19. Kaufmann/Wildegans 2008, p. 296 – 311↩

20. Axel Rüger, Lecture "Van Gogh, the Artist and the Man", Minneapolis Institute of Art, October 2015; see https://vimeo.com/144828999↩

21. see Bernadette Murphy, Van Gogh's Ear – The True Story; New York (Farrar, Straus & Giroux) 2016, p. 144-149. - It is remarkable, that it was an amateur researcher who discovered in the archives of the Van Gogh Museum (Amsterdam) the hint leading to this drawing, and not the scholars at "the world's centre of expertise in all things Van Gogh" (Murphy, op.cit., p. 5).↩

22. Nienke Bakker/Louis van Tilborgh/Laura Prins, On the Verge of Insanity – Van Gogh and his Illness; Amsterdam (VGM) 2016↩

Welcher Maler hatte nur ein Ohr?

Am Tag darauf hatte van Gogh nur noch ein Ohr. Und Gauguin war auf dem Weg nach Paris, er hatte Arles fluchtartig verlassen. In seinen Memoiren "Vorher und Nachher" schrieb er später, der irrsinnig aufgebrachte Freund sei ihm nachts durch Arles gefolgt und habe ihn mit dem Rasiermesser angreifen wollen.

Was hat van Gogh immer getrunken?

Der Geist des Absinths soll schon viele in den Wahnsinn getrieben haben: Der Künstler Vincent van Gogh schnitt sich angeblich im Rausch ein Ohr ab. Im französischen Pontarlier wird der Branntwein noch immer geschätzt – und einmal jährlich gefeiert.